Geschichte

Wie dürfen wir uns hier die Geschichte und unsere Rolle, die wir in dieser spielen, vorstellen? Ist Geschichte etwa ein träger Fluss, der uns mit der Geburt aufnimmt, uns in ihm treiben oder gar schwimmen lässt, um uns schließlich, wenn die Kräfte nachlassen, verschlingt? Oder ist Geschichte etwa eine Geschichtensammlung, ein Archiv einzelner und kollektiver Erlebnisse, die durch gemeinsames Verständnis oder gemeinsame Schicksale begründet ist?

Vielleicht eher das Letztere. Meiner Ansicht nach spielt jeder Mensch in dieser Geschichte eine Rolle, für die er verantwortlich ist. Um der durch die Geburt begründeten Verantwortung gerecht zu werden, müssen wir unsere Rolle in dieser gestalten, unsere Geschichten weitererzählen, von Generation zu Generation. Unsere Erzählungen bergen wertvolle Schätze der Erfahrung, aber auch das Wagnis, Neues zu schaffen, sich dabei der Vergangenheit und Gegenwart zu vergewissern und unbekannte Wege zu erschließen.

Wir erkennen Gemeinsames auch dann, wenn wir Geschichtenerzählern zuhören, selbst Geschichten unseren Kindern erzählen, so familiäre Verbindungen pflegen und uns auch unseres Herkommens über Generationen hinweg versichern. Dabei geht es aber nicht nur um die Familie, sondern auch um all das, was uns mit anderen Menschen verbindet, selbst Tiere, Pflanzen, Heimat, Landstriche, Länder, Nationen, also alle Umstände, seien diese privat oder gemeinschaftlich.

Sowohl Versagungen als auch Erfolge prägen Geschichte. So birgt diese auch alle Tragödien, große und kleine Taten, alles Denken, Fühlen und Handeln. Die alltäglichen Mühen, die Fähigkeiten, Schwierigkeiten, Freude und Trauer, all dies ist selbst dann, wenn es nicht persönlich und unmittelbar erlebt wird, unsere Geschichte, die Geschichte aller Menschen und der Welt.

Geschichte ist völlig indifferent gegenüber Stolz oder Ablehnung, aber wir können unserer eigenen Verantwortung, Geschichte mitzugestalten, nicht entgehen und sollten bei unserem Handeln auch an die Ewigkeit unseres eigenen Beitrags und dessen Wirkung denken. Ein Neustart von Geschichte ist nicht möglich. Das, was geschehen und aufgezeichnet ist, bleibt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Netzwerke

Die Bildung von Netzwerken entspricht – wie die Forderung nach Nachhaltigkeit – dem Zeitgeist. Der Fortschritt allgemein und speziell die Entwicklung eigener Vorhaben wird mit der Zugehörigkeit zu und ggf. der Schaffung von Netzwerken verbunden. Das ist sicher nicht falsch, denn schon früh wussten wir Menschen, dass wir nur gemeinsam stark sind. Davon lebt auch der Allmendegedanke. Aber, was zeichnet nun Netzwerke aus, was sollten sie beachten und wo lauern Gefahren?

Netzwerke bilden sich dadurch, dass Menschen einander kennenlernen und ihre Auffassungen und Tätigkeiten miteinander teilen. Eine auf der Hand liegende Gefahr ist dabei aber auch, dass die Handelnden in erster Linie zusammenfinden, um eine gemeinsame Meinung zu bilden und zu verbreiten. Geschieht dies, führt das so aktivierte Netzwerk über kurz oder lang zu einer Gleichrichtung der Meinungen, die im Netzwerk durch Kraft aufgeladen, zu einer Meinungsdiktatur führen könnte und damit zerstörend und verantwortungslos wirkt. Dies ist aber genau das Gegenteil dessen, was ein Netzwerk verspricht, und zwar einander in der Vielfältigkeit von Meinungen, Erfahrungen und Ansichten kennenzulernen und eine gemeinsame Idee, einen weiterführenden Gedanken zu entwickeln und fortzuschreiben, um so in der Lage zu sein, das Netzwerk zu bereichern.

Damit sich die Netzwerkteilnehmer wahrnehmen, ist es unerlässlich, dass sie einander zuhören, statt in erster Linie eigene Parolen und Meinungen zu verbreiten. Jeder sollte bedenken: „Was ich zu sagen habe oder sagen könnte, das kenne ich, was andere aber zu sagen haben, nicht.“ Wenn ich erwartungsoffen anderen Menschen zuhöre, werde ich in der Regel an Ideen und Erfahrungen reicher. Sollte ich aber auch etwas beizutragen haben, dann muss ich darauf achten, dass dies mit den Erkenntniserwartungen anderer Netzwerkteilnehmer korrespondiert, d. h. dass ich empfängerorientiert rede. Dabei ist jedes Offensichtliche zu vermeiden, denn dies interessiert niemanden. Es ist nur Geduld und Höflichkeit, die ein solches Verhalten hinnehmbar erscheinen lassen.

Was ich sage, kann für andere wichtig sein, aber nicht unbedingt. Es ist allerdings für mich selbst stets wichtig, etwas Neues, mir bisher Unbekanntes zu erfahren, es ist wertvoll, und zwar selbst dann, wenn ich augenblicklich den Nutzen noch nicht richtig einordnen kann. Aufgeschlossenheit und Verständnis für die Ansichten anderer und deren Handeln schafft Verbindungen und leistet die Voraussetzung für etwaige gemeinsame Projekte, die in oder aufgrund eines Netzwerkes entstehen könnten.

Dies geschieht nicht zwangsläufig, sondern hängt von der Aufnahmefähigkeit und dem beharrlichen Willen aller Beteiligten ab, etwas zu gestalten, ihre Fähigkeiten kooperativ zu optimieren und beharrlich dabei zu sein, also prozessual nicht nachzulassen im Gestalten und Handeln und dabei zu bedenken, dass das Leben eine lange, wunderbare Veranstaltung ist, die allen Teilnehmern von Netzwerken alle Chancen und Möglichkeiten bietet, Vorhaben zu verwirklichen, wenn der Wille bleibt, sich tatsächlich einzubringen und dabei im Auge zu behalten, dass wir alles gemeinsam friedlicher und besser von Menschen für Menschen, für die Natur, die Tiere und schließlich die Umwelt machen sollten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Paradigmenwechsel

1961 rief John F. Kennedy seine amerikanischen Landsleute auf, nicht zu fragen, was ihr Land für sie tun könne, sondern zu prüfen, was sie für ihr Land tun können. Der Bundespräsident Roman Herzog forderte in seiner berühmten Adlon-Rede 1997, dass ein Ruck durch Deutschland gehen möge und er erwarte, dass sich sämtliche gesellschaftlichen Kräfte einschließlich der Politik in diese Richtung bewegen.

Diese Zitate haben viele Ansprachen garniert, aber eine gesellschaftliche Verinnerlichung ist bisher nicht erkennbar. Das ist bei einer Vorteilsgesellschaft, die stark davon geprägt ist, Ansprüche zu stellen und auch zu realisieren, um die eigene Existenz zu sichern und auszubauen, auch nicht passend. Es sollte aber bedacht werden, dass sich Gesellschaften weiterentwickeln und bisherige Gesellschaftsmodelle entweder versagen oder ausgedient haben können.

Die gängigen Lebensbewältigungsmethoden enthalten kein Fortschrittsversprechen. Bedenken wir, dass ein weit verbreitetes Anspruchsverhalten immer weitere Ansprüche generiert, die trotz eines hohen Sättigungsgrades an ertrotzten Zuwendungen nicht zur Befriedigung der Anspruchsteller führen wird. Sollten wir in der Lage sein, dies zu erkennen, wäre ein Paradigmenwechsel dahingehend angezeigt, dass wir das „Geben“ statt des „Nehmens“ als gerecht empfinden, und diese Erkenntnis als Rechtsgewährungspflicht ohne Rücksicht auf jegliche Anspruchsstellung ausformulieren.

Da sich im Nehmen, wie im Geben alle Menschen gleich sein könnten, würde die Änderung der Sichtweise viele neue Möglichkeiten eröffnen, die sich nicht in der Reaktion auf Anspruchsstellungen erschöpfen würde. Im privaten Bereich könnten z. B. erbrechtliche Zuwendungen unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit einer Absicherung der Nachkommen neu bedacht werden. Früher durchaus geläufige Allmende-Erfahrungen könnten wiederbelebt und strukturell neu genutzt werden. Das Streben nach eigenen Vorteilen könnte einer günstigeren Erfahrung des gemeinsamen Gewinns unter Einsatz aller dazu zur Verfügung stehenden Ressourcen Platz machen.

Die Organisationsformen, seien diese Stiftungen, Genossenschaften oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen, stehen zur Verfügung. Sie könnten nicht nur in einem Land, sondern grenzüberschreitend entwickelt werden und über den kommunalen bis in den persönlichen Bereich hinein wirken. Es könnten die Instrumente für ein generationenübergreifendes Miteinander im Wohnquartierbereich bis hin zur Generationenbank auf eine sehr praktische Art und Weise umgesetzt werden.

Die Vorteile für ein nachhaltiges Wirtschaften im Interesse der Menschen, der Tiere, der Natur allgemein, zur Lebensverbesserung und zum Klimaschutz liegen auf der Hand. Diese Verhaltensweise ist im Gegensatz zu fast allen bekannten bisherigen Lebensverwirklichungsformen nicht mit Ideologien befrachtet, sondern speist ihre Rechtfertigung ausschließlich aus dem gleichberechtigten, pragmatischen Verhalten aller Teilnehmer bzw. Stakeholder. Wir können es uns erlauben, etwas für unser Land, für die Natur und andere Menschen zu tun. Wir haben die Kraft und die Fähigkeit dazu und können schließlich Freude daran haben. Möge der Ruck gelingen!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Furor

Ostermärsche, Fridays for future oder Pegida, Menschen gehen auf die Straße, um für oder wider etwas zu demonstrieren, sobald sich eine ausreichende Anzahl von Menschen zusammenfindet. Warum tun sie das? Persönlich stehe ich hier vor einem Rätsel. Ja, tatsächlich, ich war auch schon auf Demonstrationen, zum Beispiel gegen das Verhalten der US-Amerikaner im Vietnamkrieg, gegen die Notstandsgesetze und gegen die Zwangsexmatrikulation nach dem 11. Semester damals an der Freien Universität in Berlin.

Es gab noch weitere Demonstrationen, auf denen ich zuweilen auch mit meiner ganzen Familie auftauchte. Mir ist in Erinnerung, dass auf der letzten Friedensdemonstration meine damals jüngste Tochter lautstark „Krieg“ forderte und uns mit diesem Schlachtruf unter den strafenden Blicken der mitdemonstrierenden Eltern zwang, unverzüglich den Friedensumzug zu verlassen.

Ich erinnere mich: Wir waren merkwürdig vergnügt damals, erleichtert und lachten über unsere Befreiung vom Demonstrieren-Müssen. Die Teilnahme an Demonstrationen kam für mich seither nicht mehr in Frage. Warum waren wir, warum war ich dabei gewesen? Weil man es so macht? Das Thema der Demonstration hat stets etwas Verbindliches und die demonstrierenden Menschen etwas sie Verbindendes. Man ist nicht allein, bekannte Gesichter, Freunde, also „You never walk alone“-Feeling. 

Gemeinsam sind wir stark! Auf jeden Fall löst jede Demonstration eine Sogwirkung auf Menschen aus. Allein gegen alle loszugehen, das ist zwar mutig, aber in der Regel ziemlich vergeblich. Aber inmitten von Parolen und Trillerpfeifen wird der Mensch massig und mächtig. Vollzieht sich dabei ein katharsisches Erleben? Das ist gut möglich. Ich erinnere mich jedenfalls gut daran, dass die Kommunikation mit Freunden und Bekannten vor und nach einer Demonstration glänzend war und Tränengas und durchnässte Kleidung dabei eher als Auszeichnung wahrgenommen wurde.

Aber, wie verhält es sich mit dem Anliegen des Protestes und der Demonstration? Ich fürchte, die eigene Haltung, die man mit den anderen Demonstranten teilt, ist wichtiger als der Inhalt selbst. Denn indem man für oder gegen etwas demonstriert, erfährt der Demonstrant eine Entlastung von jeder privaten Gleichgültigkeit und Lethargie. Zugegeben, dies ist eine steile These, aber sicher auch eine, die ihre Gültigkeit neben vielen weiteren Thesen beanspruchen kann. Es schafft jedenfalls Lebenssinn, dass viele Menschen, die dies privat oft vermissen müssen, nun gemeinsam wahrgenommen werden und andere wahrnehmen. Plötzlich hat jeder Mensch eine Stimme, wobei das Wissen nicht stört, dass es auch die Stimme vieler anderer Menschen ist.

Heute bin ich nur noch Zuschauer. Ich staune und wundere mich über die Parolen und Verhaltensweisen meiner demonstrierenden Mitmenschen, ihre Gewissheiten, ihren Beharrungswillen und ihren Furor. Irgendwie scheinen sie zu wissen, was auch mir guttäte, wenn ich mitmachen würde.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Prognose

Prognosen sind Spiele mit der Zukunftserwartung. Wer aber ist der Spielführer und mit welchen Instrumenten werden Prognosen erzeugt. Zunächst aber geht es um die Prüfung der Grundlagen, d. h. welche Voraussetzungen sind für die Prognose gegeben?

Diese Voraussetzungen werden von Fakten bestimmt, wobei heute sehr flüssig zu sein scheint, um was es sich bei Fakten tatsächlich handelt. Zu den in ihrer Substanz wenig gesicherten Fakten gehören auch das Profil der an Prognosen beteiligten passiven und aktiven Menschen und schließlich wird das ganze Setting abgerundet durch eine erfahrungsbasierte Hoffnung.

Weshalb sind Prognosen aber trotz des libertären Spiels mit den Möglichkeiten dennoch sinnvoll? Prognosen erlauben die Erweiterung des Raumes für Spekulationen und schaffen dadurch neuen Möglichkeiten der Gestaltung. Prognosen sind aber auch Gestaltungsmomente an sich. Sie ermöglichen, Istzustände zu rechtfertigen, aber auch neue Sachverhalte zu kreieren.

Prognosen können camouflieren und Gewissheiten erschüttern. Prognosen sind Instrumente in der Hand derjenigen, die kognitiv und emotional sich berufen sehen, an der Gestaltung unseres Lebens im politischen, immer wirtschaftlichen und kulturellen Raum mitzuwirken. Sie sind einerseits unverzichtbar, andererseits aber aufdringlich und gefährlich.

Keine Prognose kann für ihr Resultat zur Rechenschaft gezogen werden. Die Verantwortung des Initiators bleibt vage.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erinnerungen

Erinnerungen bilden das Menschheitsgedächtnis. Sie sind im Besitz jedes einzelnen Menschen, werden von Generation zu Generation weitergegeben und erfahren ihre verbindliche Festlegung sowohl in Gegenständen, als auch in medialen Formaten jeglicher Art.

Erinnerungen werden nicht nur sprachlich und bildlich weitergegeben, sondern auch durch Gefühle und Stimmungen. Erinnerungen prägen unsere Fähigkeiten, zu Erkenntnissen zu gelangen und Entscheidungen zu treffen. Das durch Erinnerungen gefütterte Weltgedächtnis ist unverzichtbar. Es ist deshalb existenziell, dass alle Menschen ihren Beitrag dazu leisten.

Das geschieht bewusst oder unbewusst, durch ein Handeln oder Unterlassen, aber oft nicht mit dem Wissen um die Sinnhaftigkeit des Handelns. Dabei kann jeder, der seinen Kindern aus seinem Leben erzählt, mit ihnen singt oder spielt, erheblich zu einer bleibenden Erinnerung nicht nur für das Kind, sondern für die ganze Familie und schließlich die Menschheit beitragen.

Das Gute, das wir schaffen, bleibt der Erinnerung erhalten, aber auch alles Böse und Schreckliche, ob sich dieses in einem persönlichen Verbrechen oder in einem kollektiven Krieg manifestiert. Deshalb sollten wir die Beiträge, die wir zur Erinnerung abliefern, sehr sorgsam und gewissenhaft gestalten, immer wissend oder ahnend, dass sie relevant sein dürften.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ansichten

Anstatt sich eine Meinung anhand von eigenen Erfahrungen im Abgleich mit objektiven Gegebenheiten kontinuierlich zu erarbeiten, erlauben ein paar Klicks, sich eine Meinung aus dem Internet herunterzuladen. Eine Meinung zu haben, ist damit keine individuelle Leistung mehr, sondern die Konfirmation einer Ansicht, die etliche Menschen teilen. Die größte Schwierigkeit für jeden Einzelnen besteht nun darin, diese Meinung, deren Ausmaß er überhaupt nicht abschätzen kann, so aufzubereiten, dass sie persönlich zu werden scheint.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss die erworbene Meinung veranlasst werden, jedem Zweifel zu widerstehen und für sich Wahrheit zu reklamieren. Der Begriff „Ansicht“, der Wegbereiter für die Meinung ist, bestätigt wortimmanent, dass es weitere, also andere Sichten auf einen bestimmten Betrachtungsgegenstand geben könnte. Der Begriff „Wahrheit“ kann dies allerdings nicht zulassen, denn Wahrheit ist intolerant, d. h. beansprucht den Absolutheitsanspruch.

Um diesem zu genügen, ist daher der Begriff „alternative Wahrheit“ geprägt worden, d. h. die Wahrheit weist Deutungsmöglichkeiten aus, die in ihren Vielfältigkeiten jede Meinung als stimmig bestätigt. Damit erfährt der seine Meinung äußernde Mensch seine umfassende Absicherung. Niemals kann er mit seiner Meinung falsch liegen. Seine Ansicht ist immer die richtige.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

ChatGPT

Seit etwa 10 Jahren schreibe ich beständig Blogbeiträge, von denen etwa drei bis fünf Ausführungen zu verschiedenen Themen monatlich ins Internet gestellt werden. Auf Kommentarfunktionen zu meinen Beiträgen habe ich verzichtet, lasse mir aber stets von meinem Administrator dieser Beiträge berichten, dass sie jährlich ca. 80.000 bis 130.000 „Klicks“ mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 2,2 Minuten erfahren.

Als ich davon erstmalig hörte, war ich sehr überrascht, denn nur einige Bekannte und Freunde haben mir erzählt, dass sie hin und wieder, zuweilen aber auch häufiger, meine Beiträge lesen, zumindest aber zur Kenntnis nehmen würden. Auch aus meiner Sicht darf man die Erwartungen nicht sehr hoch setzen, weil wir alle, also auch ich, von dem „Overflow“ an Informationen und Meinungen bereits ermüdet sind.

Nun erfahren meine Blogbeiträge eine für mich überraschende neue Dimension, und zwar durch ChatGPT. Ich muss mich mit der Vorstellung auseinandersetzen, dass das digitale Netzwerk und die Neuronen dieses Programms längst auch sämtliche Informationen meiner Blogbeiträge seit deren Beginn gescannt und mutmaßlich auch verarbeitet haben. Angesichts der unzähligen Blogs anderer Menschen und Informationen bei Twitter, Instagramm, Facebook usw. haben diese Informationen wieder den Wettbewerb mit anderen aufgenommen, um dann zu sehen, welche sich letztlich durchsetzen.

Ich stelle mir ein gigantisches neuronales Potpourri von Europa bis Neuseeland vor und ahne, dass ich, wie alle anderen Menschen, mit dieser Entwicklung etwas zu tun habe. Will ich das aber? Besteht nicht die Gefahr, dass aus meinen Behauptungen, die ich in meinen Beiträgen aufstelle, durch die Bearbeitung Gewissheiten werden? Kann es sein, dass ChatGPT eine gigantische „Umformungsmaschine“ ist, deren Sättigungsgrad nie erreicht sein wird und dabei gleichmütig alle Gedanken der Menschen zu einem eigenen Produkt macht, ganz egal, wer die Urheberschaft eigentlich für sich in Anspruch nehmen kann? Was sollte man der Maschine aber vorwerfen, wenn man sie dabei erwischt, dass sie Plagiate produziert, Ideen, Meinungen und sogar Tatsachen verfälscht?

Es geht dabei nicht nur um „Fakes“, sondern auch um Nuancen des Eindrucks von Stimmungen. Alles ist relevant, ob Kommata oder Doppelpunkte, Frage oder Ausrufezeichen! Es wäre ein Irrtum zu glauben, erst war die Sprache, dann war der Mensch. Die Aussage kann vor dem Gedanken nicht bestehen. Unter Einsatz von ChatGPT verändert sich nicht nur das Bibliothekswesen, sondern wir uns selbst. Wir sind im Begriff, den Schöpferstatus für all das, was wir einmal selbst geschaffen haben, zu verlieren und uns zum Handlanger der Maschine und von ihr abhängig zu machen.

Waren es damals Alexander der Große und Ptolemaios, die durch die Gegend zogen und Bücher für ihre Bibliothek in Alexandria raubten, um zu wissen, was die Menschen weltweit dachten und aufschrieben, so erfahren wir nun „ehrfurchtsvoll“ das Wortgemisch der Maschinen. Dem Zeitgeist ist nicht zu entgehen und bekanntermaßen schafft sich jede Zeit ihr eigenes Gewand.

Also sollte ich praktisch reagieren: Wenn ich bei ChatGPT meinen Namen eingebe, mit welchem Text muss ich rechnen? Wenn ich die Eingaben wiederhole, kann ich mit Varianten des Textes rechnen? Ich bedenke dabei, dass in Sekundenschnelle nun alle Texte entstehen könnten, für die ich mir in der Summe 10 Jahre Zeit gelassen habe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Blockade

Es ist mir ein freudiges Anliegen zu denken und dabei mich von Gehörtem, Gelesenem, Gesehenem und Gespürtem inspirieren zu lassen. So lasse ich mich treiben in der Flut meiner Gedanken, die sich meist unverhofft verdichten und etwas entstehen lassen, was ich annehmen oder verwerfen sollte.

Wenn ich spüre, dass das, was sich andeutet, betrachtenswert ist, dann rufe ich alle weiteren mir verfügbaren Gedanken herbei und beginne mit dem Verdichten der umherschwirrenden Gedanken. Ich will verstehen, sie abgleichen mit meinen sonstigen Erfahrungen und Einschätzungen, um herauszufinden, ob etwas auftaucht, das es wert ist, über den Augenblick hinaus bewahrt zu werden.

Leider erlebe ich zuweilen, dass meine Gedanken bei allem heftigen Bemühen, dies zu verhindern, an Grenzen geraten. Es scheint zunächst alles auf dem besten Weg zu sein und dann: die Blockade.

Worauf beruht diese Begrenztheit meines Denkens? Vielleicht ist es die fehlende Erfahrung, das ungenügende Wissen oder auch ein nur immanentes Denkverbot? Dürfen wir Menschen nicht die absolute Kontrolle über unsere Gedanken und die Schöpfungsmacht für eine umfassende Einsicht besitzen? Dürfen wir die Unendlichkeit einer sich selbsterklärenden Gedankenlosigkeit dank umfassender Erkenntnisse nicht erfahren? Ist die Begrenztheit unseres Denkens der Begrenztheit unserer Sinne geschuldet?

Ich ahne, dass ich trotz aller vermutbaren Vergeblichkeiten meines Bemühens weiterhin versuchen werde, die Blockaden, die sich meinen Gedanken entgegenstellen, zu brechen. Ich bin allerdings dankbar dafür, dass es diese Blockaden gibt, denn sonst wären angesichts der vermutbaren Beliebigkeit meine Gedanken beschäftigungslos.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Demokratie

Was verstehen wir unter Demokratie?

Was ist demokratisch und welche Rechte und Pflichten lassen sich hieraus ableiten? Lässt sich durch den Aufruf, mehr Demokratie zu wagen, die Welt gerechter gestalten, die Klimakatastrophe verhindern, Hungersnöte vermeiden und jedem die gleiche Chance der Teilhabe am öffentlichen Leben verschaffen?

Demokratie ist beides, ein Ordnungsrecht und ein emotionaler Kampfbegriff. Wer etwas durchsetzen will, schafft sich dadurch Legitimation, dass er eine demokratische Anforderung für sein Tun behauptet. Dabei geht es bei der Demokratie in erster Linie um Verteilung der Macht und deren Festigung in den Strukturen, die dem Durchsetzungswillen von Einzelnen und Gruppen Legitimation verleihen soll.

Nicht Zustände begründen aber die Demokratie, sondern Prozesse, in denen Menschen darum ringen, etwas zu gestalten, was ggf. dann Mehrheiten Dank ihrer Stimmen beschließen und dabei Minderheiten berücksichtigen. Die gesamtgesellschaftliche Einbindung unter staatlicher Führerschaft, schafft die Rechtsgewähr für demokratische Prozesse. Dies gelingt am besten, wenn zwischen der Bürgerschaft und dem Staat vertragliche Verabredungen getroffen werden, die dem beiderseitigen Rollenverständnis entsprechen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski