Big Deal

Zur Physiologie der Geschäfte
Walther Rathenau (1901)

WR sagt, dass in allem, was mit dem Blick auf ein bestimmtes Ziel beginnt, ein Geschäft liegt. Big Deal. Er hat recht. Das Meiste, was wir mit anderen verhandeln, ist auf den Abschluss eines Geschäfts gerichtet. Aber, so sagt WR, weshalb handeln wir? Was ist der Sinn dieses Geschäfts. Macht? Herrschaft über Dinge? Selbstspiegelung? Sicherung des Unterhalts für die Familie oder Vererbungen? WR sagt dann, dass ein wirklich freier Mensch das Anwachsen seines Vermögens nur als eine annehmbare Nebenwirkung seiner Tätigkeit erkennen wird. Er hat beim Geschäft mehr im Sinn als seine Gier. WR sagt: „Ehrlich währt am Längsten“ und meint damit die Beachtung der Integrität. Es ist falsch anzunehmen, dass ein Geschäft nur dann funktioniert, wenn die Interessen beider Parteien entgegengesetzt ist, und nur der eine Vorteile hat, der er den anderen schädigt. WR sagt: Geschäfte funktionieren, wenn alle vorhandene Bedürfnisse erkannt und befriedigt werden. Bedürfnisse erkennen und Bedürfnisse befrieden, das ist das Geheimnis alles wirtschaftlichen Handelns. Dazu braucht es keiner großen Ideen, geistreicher Gedanken und glänzenden Worte, sondern klares entschiedenes Handeln.

WR sagt, dass man, um zu handeln, Organisationen benötigt wie Spinnennetze: „Von jedem Punkt soll eine gerade und eine gangbare Verbindung zur Mitte führen“. WR sagt, dass der Geschäftsmann die Organe kennen und ständig beobachten soll, aber niemals das selbst verrichten, was diese Organe ausführen können. Die wichtigste Arbeit ist solche, die kein anderer vollbringen kann und davon gibt es stets genug. WR sagt: Lass deine Mitarbeiter initiativ werden, sei um ihr Wohl besorgt und nicht ihren Beifall. WR sagt: Wenn du Menschen beurteilst, so frage nicht nach den Wirkungen, sondern nach den Ursachen der Fehler, die sie machen. Dass der Geschäftsmann nur nach dem Erfolg beurteilt wird, ist vielleicht seine beste Erziehung. WR sagt: Im Vorteil ist der Unterhändler, der vom anderen unterschätzt wird. Kleine Schwächen der Auffassung und des Benehmens haben schon manchem genützt, der es nicht ahnte, und viele haben sich um den Erfolg gebracht, weil sie zu wenig Fehler begingen.“

WR sagt: „Es ist nicht möglich, einen Menschen zu überzeugen, geschweige denn zu überreden. Führe neue Tatsachen und Gesichtspunkte an, aber insistiere niemals. Die beste Stärke liegt darin, neue Vorschläge zu ersinnen, sobald starke Einwände erhoben werden.“

WR sagt: „Wenn du Vorschläge machst, so schicke alle schwachen Punkte voraus. Rechne nie darauf, dass dein Gegner etwas übersehen könnte. Setze stets voraus, dein Gegner sei der Gescheitere.“

WR sagt: „Denke dich beständig an die Stelle deines Gegenübers. Erwarte nur, was du selbst in seiner Lage annehmen würdest und erwäge bei allem, was man dir sagt, die Interessen, die dahinterstecken. Denke nicht nur für dich, sondern auch für den anderen.“

WR sagt: „Eine besondere Geschicklichkeit besteht darin, von vornherein zu erkennen, welche Punkte die größeren Schwierigkeiten machen werden und diese Punkte von Anfang an in den Vorverhandlungen zu klären.“

WR sagt: „Es ist eine nützliche Gewohnheit, vor allen noch so ernsten Verhandlungen ein paar Minuten allgemeine Unterhaltung zu führen. Man erkennt im Voraus die Stimmungen, die Absichten und oft das Ergebnis.“

WR sagt: „Bei Menschen, die in Verhandlungen erfahren sind und sich kennen, genügen wenige Worte, um wichtige Dinge zu entscheiden.“

WR sagt: „Zuletzt entscheidet die Wenn du dir bewusst wirst, dass du eine Liebe, die nicht sein kann, nicht weiter nähren kannst. Wenn du die Bindung löst, um neu zu beginnen. Dann wirst du allmählich feststellen, dass diese Person in einen anderen Raum in deinem Kopf und deinem Herzen umzieht. Du wirst immer mehr inneren Frieden spüren. , die die Menschen voneinander haben.“

WR sagt: „Ist eine Geschäftspolitik richtig und arbeitest du mit den geeigneten Mitteln, so werden die Geschäfte dich aufsuchen, wenn die Grundlagen stimmen.“

WR meint: „Der erträglichste und deshalb erstrebenswerteste Zustand der Geldherrschaft scheint mir erreicht zu sein, wenn die Tüchtigsten, Fähigsten und Gewissenhaftesten auch die Begütertsten sind. Ich möchte für diesen Zustand der Kürze halber das Wort Euplutismus gebrauchen. Warum sollte dieses Streben nicht ehrlich ausgesprochen und mit geeigneten Mittel verfolgt werden?“ WR zeigt den Weg durch Abgaben und Zuwendungen, seien diese staatlich oder privat.

In diesem Sinne auf gute Geschäfte!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rosemarie Bronikowski

Zu Deinem Geburtstag am 02.05.1922
(Ersterscheinung am 14.06.2016)

Nein, ich verschweige natürlich nicht, dass du meine Mutter bist. Aber in aller Öffentlichkeit wirst du als kraftvolle Lyrikerin und Schriftstellerin wahrgenommen, die mit der ihr anvertrauten Sprache sorgsam und bildscharf umgeht. Du führst deine Leser nicht in die Irre, verabreichst auch keine Wahrheiten, sondern tischst Nachdenklichkeit auf. Wäre ich ein Gourmetkritiker und deine Gedichte Menüs, so würde ich behaupten, du forderst deine Leser auf, unverbildet zu schmecken, zu sehen und zu riechen, was du ihnen anbietest.

Mögen auch die Grundnahrungsmittel wohl bekannt sein, so verschaffst du ihnen Geltung durch die Zubereitung und Verfeinerung mit Witz und eine Prise Ironie. Dies als notwendige Zutat, damit der Leser die gesamte Opulenz des Werkes zu schmecken vermag. Aus deinem dichterischen Gesamtwerk eine Kostprobe aus „Von der Hand gesprungen“.

Das Leben hat´s in sich
es hat seine Festtage
seine Fröhlichkeiten
auch seine Traurigkeiten
aber meistens fließt´s nur dahin
genau das ist uns nicht geheuer
wenn eine runde Zahl erscheint und die nächste
schon am Horizont aufflimmt.
Das Lachhafte am Leben ist seine Kürze
die vorher wie Länge aussah.
Der fliegende Wahnsinn der Jahre
bewegt sich ohne unser Zutun ins Absurde
und ist nur mit Sinn für Komik zu ertragen.

Noch mehr von den literarischen Angeboten unter www.rosemarie-bronikowski.de.

Auch, wenn du 5 Sterne verdienst, Ehrungen sind und waren dir nicht wichtig, aber dass die Gäste sich an deinem Tisch stets wohlfühlen und bleibende Erinnerungen an das Mahl behalten, das erfüllt dich mit Genugtuung und Freude.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

„Z“

Möglicherweise ist es ein der militärischen Logik folgender Zufall, dass russische Armeefahrzeuge mit einem weißen Z versehen werden. Eine schlüssige Bedeutung dieser Kennzeichnung ist unklar. Es gibt zwar viele Erklärungsangebote, die allerdings für meine Betrachtungen völlig belanglos sind. Zufall oder nicht, jedenfalls könnte man auch von einem genialen Einfall sprechen.

Überall in Russland taucht nun dieses „Z“ auf, und zwar nicht nur auf Häusern und Fahrzeugen, sondern als Erkennungszeichen all derjenigen, die das Vorhaben ihres Präsidenten Putin und seiner Armee unterstützen und dies auch deutlich machen wollen. Wer sich zu „Z“ bekennt, muss nichts mehr erklären, das Zeichen spricht für sich. Aus dem konkreten Anliegen der Armee bei Kennzeichnung ihrer Fahrzeuge wird nun eine Metapher, deren Bedeutung alles aufsaugt, was für dieses Symbol stehen könnte.

Wie jedes dem Alphabet nahestehende Symbol ist es tabu bzw. sakrosankt, das heißt, jeder Widerspruch, jede Verächtlichungsmachung oder Missachtung dieses Zeichens wird als Angriff auf ein ungeschriebenes, aber allumfassendes Gesetz angesehen. Beispiele für die prägende Kraft des Schriftzeichens gibt es in der Menschheitsgeschichte vielfältig. Von „A“ bis „O“ und Benennung von weltlichen und religiösen Projekten durch Buchstaben wird verdeutlicht, dass unser Leben von Chiffren, Buchstaben und Zeichen geprägt ist.

Zorro trägt ein Zeichen und auch Kunstfiguren wie Batman tragen es auf der Brust. Durch Buchstaben und Zeichen wird ein Bekenntnis abgelegt. Zu löschen ist dieses nicht. Jeder Widerspruch ist sinnlos. Doch können Zeichen, Buchstaben, Worte in Konkurrenz zueinander treten, ein auf den Kopf gestelltes „Z“ signalisiert vielleicht Widerstand, ein flach liegendes „Z“, also ein N, könnte ein Symbol für Geschlossenheit in der Zurückweisung Putins sein. Njet! So schafft man einen Bedeutungswandel dieses Zeichens.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Putin

Putin, sein Name steht für Bedrohung und Verderben. Nicht nur in der Ukraine, sondern in der ganzen Welt. Schon lange, aber wir wollten es nicht sehen. Das Böse gibt es. Dies ist wahrlich keine Überraschung und sein Verhalten keine Ausnahme. Die Menschheitsgeschichte liefert ständig Beweise. Aber warum handeln Menschen so, wie er? Nicht nur, weil sie es wollen, sondern auch, weil wir es zulassen.

Dies nun jedenfalls solange, wie wir selbst glauben, dass es uns ebenfalls nützt. Zu Beginn seiner Kariere in Leningrad war Putin äußerst willfährig, ver­sprach denjenigen, die seine Hilfe in Anspruch nehmen wollten, Vorteile und Gewinn. Alles, wirklich alles, könne er für einen machen, so hörte man ihn sagen. Aber um welchen Preis?

Wenn er helfe, so erklärte er seinem Gesprächspartner, möchte er natürlich eine Gegenleistung: „Ich kann alles machen, aber was habe ich davon?“ Kennen wir nicht alle diese Geschichten, diese Märchen und Sagen, haben wir Faustens Schicksal vergessen? Selbst, wenn der intelligente Teufel sich zu verkleiden weiß, sein Handeln folgt immer dem gleichen Muster. Der in Ironie zu fassende Schrecken ist dabei, dass wir das Handeln des Mephisto willentlich nicht erkennen oder glauben, das ihm gegebene Versprechen ließe sich einfach wieder auflösen, das nicht gewollte Ergebnis unseres Handelns einfach wieder abwenden. Ein Irrtum.

Wenn wir uns auf einen Deal mit dem Bösen einlassen, sind wir selbst Täter, und zwar in mittelbarer Täterschaft. Viele, die Putins Hilfe in Anspruch genommen haben, hatten es gewusst oder hätten es wissen müssen. Der eigene Vorteil war jedoch verlockender als Skrupel und vorausschauende Verantwortung. Wir haben Putin und seine Vasallen reich gemacht, sehr reich. Man sagt, er und der Metropolit Kyrill seien die Reichsten im Lande. Zu überprüfen dürfte dies nicht sein, jedoch eine umfassende Verfügungsmacht über Russland, die Kirche, die Armee und die Wirtschaft zu besitzen, dürfte den Eindruck bestätigen.

Wer aber sich so bereichert hat, wer Macht besitzt, kann nicht aufhören weiterzugehen, um seine Fähigkeiten und Erfolge immer wieder von Neuem zu erproben. Es gibt kein Ende, kein Ziel und keine friedvolle Genügsamkeit. Was einmal begonnen wurde, wird weitergeführt, und zwar auch dann, wenn Akteure und Geschichten ausgetauscht und/oder neu erzählt werden müssen.

Es geht doch nicht um die Ukraine, um Russland oder gar die Welt. Es geht um diesen Menschen: Putin, der dank unseres Mittuns viel erreicht hat und noch mehr erreichen kann, je rücksichtsloser er seinen Willen durchsetzt. Da es angesichts seines Alters und der sonstigen Bedrohungen auf dieser Welt nicht mehr so viel gibt, was er im Eigeninteresse erfolgversprechend erledigen könnte, hat er sich bereits für seinen letzten Trumpf entschieden. Er bereitet sich und uns auf ein finales Schauspiel vor. Wer könnte dies verhindern und wodurch?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Strategie

Angesichts der augenblicklichen Krisen in politischen, militärischen und umwelt- sowie klimabestimmten Bereichen wird auch öffentlich ein erhebliches Strategiedefizit wahrgenommen. Es erweckt den Eindruck, als ob eine Gesellschaft, die sich auf Schnelligkeit auch im Datenaustausch verständigt hat, schnelle Reaktionen sorgsamer Prüfungen vorzieht, das strategische Denken und Handeln verlernt.

Hinzukommt, dass wir zumindest mehrheitlich unsere Positionen nicht entsprechend unserer Wahrnehmungsmöglichkeit, sondern unserer Aussagen, koordinieren. Wir beziehen Position. Dies Positionierung scheint mir insofern strategierelevant zu sein, als sie uns veranlasst, nur noch wahrzunehmen, was zu unserer Einschätzung passt.

Damit ist jede Strategie zum Scheitern verurteilt, denn sie basiert darauf, dass wir zunächst im eigenen Erkenntnisinteresse den Raum öffnen und alles zulassen, was für uns wahrnehmbar ist. Erst, wenn wir dabei eine gewisse, sicher aber nicht abschließende, Erschöpfung erkennen, werden wir aufgefordert zu ordnen, zu prüfen und nachzufassen, bevor die Analyse einsetzen kann.

Dabei sollte nicht unsere Sicht, sondern die Sicht von anderen und die komplexe und kohärente Sichtweise auf die Dinge unsere Aufnahme bestimmen. Wenn wir genau hinschauen und begreifen gelernt haben, können wir den narrativen und Ordnungsrahmen schaffen, der uns dabei hilft, alle Informationen, seien diese gegenständlich, rational oder emotional, einzuordnen und einer Analyse zugänglich zu machen. So lernen wir verstehen, ohne auf eine stetige, oft auch taktische Camouflage überrascht reagieren zu müssen. Strategie ist allerdings eine prozessuale Angelegenheit, damit fehleranfällig und risikobehaftet.

Ein stetes, ein kalkuliertes Nachjustieren von Blickwinkeln und Positionen ist unerlässlich, um zu einem aus eigener Sicht vertretbarem Ergebnis zu gelangen. Strategien dürfen nicht risikoscheu sein und müssen eine Fehlerkultur pflegen. Wenn es schließlich um die Umsetzung von Strategien geht, dürfen nicht nur technische Lösungen, sondern alle sogenannten weichen und flexiblen Optionen das Mittel sein. Dabei sind geplante Umwege, Verblüffung und auch die Nutzung nicht naheliegender Möglichkeiten gute Voraussetzungen für das Gelingen der eigenen Strategie. Am besten gelingt ein Vorhaben immer dann, wenn die beteiligten Stakeholder einen Vorteil davon haben. In diesem Sinne sollte man auch für andere mitdenken und handeln.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kipppunkte

Wenden wir uns vielleicht zur Betrachtung von Kipppunkten einem aktuellen Bespiel zu: der Ukraine. Wann wird die russische Armee dort einmarschieren, wenn sie nicht vielleicht schon da sein sollte, wenn dieser Blogbeitrag erscheint. Vielleicht ist dann schon Krieg, Weltkrieg gar, vielleicht wird dieser Beitrag überhaupt nicht erscheinen, weil es künftig keine Medien und keine aufnahmefähigen Leser mehr gibt?

All das, was uns gerade noch gesichert erscheint, ist dann radikal weggefegt, durch eine ultimative Detonation, welche das Leben, soweit es noch Leben gibt, auf diesem Planeten total verändert hat. Kriege können losbrechen, wenn die äußeren und inneren Voraussetzungen gegeben sind, der Kipppunkt erreicht wurde, nachdem es ein Zurück, ein Rückspulen der Ereignisse nicht mehr gibt.

Kipppunkte sind zahlreich, nehmen wir die Verschmutzung der Meere oder das Klima, die Erderwärmung, die Meeresströme, welche ihre Richtung ändern werden, Hitze, Fluten, Orkane usw., all das wissen wir längst. Eines müsste uns eigentlich klar sein. Am Kipppunkt ist Schluss.

Das ist der Point of no return. Kipppunkte haben eine Vorgeschichte, deren Betrachtung dabei helfen könnte, die Unabänderbarkeit zu vermeiden. Es sind eigentlich Vorgeschichten und die meisten davon sind nicht mit Sachargumenten, sondern Emotionen befrachtet. Wie meist im Leben werden sie von Rechthaberei, Überlegenheitsgefühlen, Gier, Frust und anderen Eigenschaften gespeist. Ein allgemein verbindliches Sachargument findet sich kaum darunter.

Da nicht nur Kriege, sondern zum Beispiel auch der Klimawandel von Menschen für Menschen gemacht werden, benennen diese auch den kipping point, wissend, dass sie ohne weiteres hätten verhindern können, dass dieser erreicht wird. Wie? Durch selbstkritische Überprüfung des eigenen Verhaltens, letztlich durch Akzeptanz des Lebens auf diesem Planeten. Ganz einfach ist das, aber so schwierig.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Lebensfilm

Worin unterscheiden sich das wirkliche Leben und der Film? Was ist überhaupt das wirkliche Leben? Wenn wir bei unserer Fragestellung Menschen involvieren, besteht im Film eine Rollenpräsenz des Schauspielers. Er verkörpert und spielt einen Charakter, den ihm Produzent, Regisseur und Kameramann vorgegeben haben, der seiner Persönlichkeit dennoch idealerweise entspricht. Diese Filmfigur ist er aber nicht. Er ist und bleibt der eigene menschliche Charakter. Er hält sich spielend dabei sowohl im Film und in dessen Geschichte und gleichzeitig aber auch in der Wirklichkeit und in seinem Leben auf.

Wechselseitig kann er nicht aus den Rollen schlüpfen, weder als Charakterdarsteller, noch als Mensch. Der Zuschauer teilt mit ihm, soweit er sich auf ihn einlässt, für die Dauer des Films den aus der Rolle abzuleitenden Charakter und bringt sein eigenes Leben prüfend und zuschauend mit ein. Dieses Verhalten des Zuschauers erfährt der Schauspieler zwar in der Regel nicht, kennt aber sehr wohl die Prägung des Lebensfilms durch die ihm anvertrauten Rollen, die Filmpräsenz, die er mit dem Zuschauer teilen muss.

Natürlich wissen die Schauspieler nicht, mit wem sie ihren Charakter, den wirklichen und den gespielten, ihre Gestik und Sprache, ihre Erschöpfung, Freude und ihr Älterwerden teilen müssen. Aber selbst dann, wenn der Film längst abgespielt ist, bleibt diese Melange aus der durch den Schauspieler angenommenen Rolle und dem Menschen, der er ist, und das selbst dann, wenn der Schauspieler nicht mehr in Erscheinung treten kann. So teilen Schauspieler und Zuschauer, die sich nie begegnen, ihr Leben miteinander.

Aber, was wird künftig geschehen, wenn Zuschauer unter Aufgabe ihrer passiven Rolle, dem Film betreten und sich dann aktiv oder passiv die Transformation in einen anderen Zustand der Begegnung mit dem Filmcharakter allmählich, aber stetig, vollzieht? Dank einer Zuschauerbrille vermochte ich bereits, Filme zu betreten und mich in diesen zu bewegen, als sei ich selbst bereits Teil des Films, einer ihrer Charaktere. Zwar nahmen die durch Licht geschaffenen Schauspieler noch keine Notiz von mir, aber das wird sich ändern.

Die Prognose lautet, dass sich die reale mit der virtuellen Welt bald verschmelzen wird und wir alle, Schauspieler und Zuschauer, gleichzeitig sein werden. Was wird dann wahr, was gespielt sein? Dies ist mir augenblicklich völlig unklar. Wir werden einem Rollenspiel folgen, dessen Regeln nach unseren heutigen Maßstäben als hochgradig gestört erscheinen, aber künftig als völlig normal angesehen werden müssen. Das ist dann unser Lebensfilm, der unser Leben bestimmen und aus dem es kein Entrinnen geben wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Tod

Endgültigkeiten, wie der Tod, sind uns lästig. Wir sind es gewohnt, Auswege mit einzuplanen, Endgültigkeiten so zu umgehen oder diese auch in höchster Not zu leugnen. Den Tod gibt es also nicht. Punkt. Basta. Das stimmt aber nicht. Das wissen wir. Der Tod sitzt uns lebenslang im Nacken. Dass er dennoch üblicherweise kein Thema ist, hat damit zu tun, dass wir kaum wissen, wie wir ihm begegnen sollen.

Natürlich gibt es viele und ausufernde Anleitungen, seien diese körperlich, spirituell, leugnend oder beschwörend. Das meine ich aber nicht, sondern ich spreche vielmehr von dem Schluss, der nicht nur uns Menschen, sondern allem wiederfährt, dem Baum wie dem Krokodil und dem Felsen von Gibraltar, um aus der Fülle etwas zu nennen. Der eine oder andere Tod lässt sich Zeit, um vorbereitet und wirkungsvoll aktiv zu werden. Er ist konsequent und erfolgreich.

Aber, wie gehen wir selbst mit diesem Schlussmachen um? Heiter, entspannt, spielen wir eine Sonate, rezitieren wir ein letztes Gedicht, beten wir vielleicht? … Alles ist gut möglich, aber, was kümmert das den Tod? Die Antwort auf die mir selbst gestellte Frage mag überraschen: Es kümmert den Tod mehr, als wir ahnen! Warum? Weil Tod und Leben Geschwister sind, und zwar eineiige, die so miteinander verbunden sind, dass sie sich stets spüren und aufeinander reagieren, ohne den anderen nicht existent.

Mit dem Urknall hat das Leben den Tod herausgefordert und auch ohne unsere Benennung finden Prozesse statt, die sich bedingen, Entwicklungen hervorbringen und Metamorphosen ermöglichen. Ins Leben ist der Tod gestiftet. Er ist die gereifte Form des Lebens, wie bereits erwähnt, ohne den Tod kein Leben. Bereits im Urknall sind alle Phänomene des Lebens angelegt worden. Der Urknall hat sie aus dem Tod erschaffen. Sinnhaftigkeit wie Sinnlosigkeit sind die Vorder- und Rückseiten derselben Medaille.

Man sollte daher alles, was mit dem Urknall ausgelöst wurde, als strukturierte Anreicherung von Erfahrungen begreifen. Es fügt sich alles, das Denken wie das Handeln oder Nichtdenken bzw. Nichthandeln, in einen Prozess ein, der seine ihm verliehene Energie zum Fortschritt nutzt, aber kein werbendes Bewusstsein der Sinnhaftigkeit haben muss. Gäbe es keinen Tod, gäbe es auch kein Leben, es hätte sich der Urknall nie ereignet und wäre die Endgültigkeit niemals eine Herausforderung für uns geworden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Aufklärung

Selbst zu denken ist zuweilen langweilig, offenbar anstrengend, auf jeden Fall überflüssig. Wieso? Weil wir andere haben, die für uns denken, sogenannten „Think Tanks“, aber auch solche, die sich „Denkbank“ nennen. Es wird ausreichend für uns gedacht. Also sparen wir uns das Denken und stecken unsere Energie vielmehr in die Entgegennahme und die Verwertung des für uns Vorgedachten.

Ist das nicht auch anstrengend? Kann schon sein. Wir müssen das von anderen für uns Gedachte verinnerlichen. Zur Auswahl steht, was uns gefällt, aber auch das, was eher den anderen gefällt. Also treffen wir eine Auswahl mit dem „Like-Button“. Der Gedanke mit den meisten „Like-Klicks“ stimmt, „Hundert pro“!

Moment mal, ich habe da einen Einwand. Woher will denn mein Finger, wenn er den Like-Button berührt, wissen, welche Qualität der Gedanke, den er gerade anerkennt, hat? Haben etwa mein Finger und die Finger der anderen Like-Button-Berührer aufklärerische Fähigkeiten? Ja, es muss so sein, je mehr Finger zustimmen, desto richtiger muss ein Gedanke sein und wird damit verbindlich. Aber genug der Dystopie!

Ich kläre auf! Selbst zu denken ist weder langweilig, noch anstrengend. Selber denken kostet nicht nur Energie, sondern wird selbst zur Energie, wenn wir uns in den Wettstreit mit anderen Gedanken begeben, daraus Bereicherung erfahren und damit lernen, uns diesen anzupassen oder diesen zu widerstehen. Die Aufklärung vollzieht sich prozessual allmählich, wird gespeist von Informationen, der Konkurrenz vieler Ansichten und dem steten Ausgleich eigener und fremder Gedanken. Dabei weist nicht der abstrakte Gedanke die stärkste Qualität auf, sondern steht in Konkurrenz zu Gefühlen, die ebenso starke Argumente vorbringen können. Gedanken und Gefühle finden die für sie passende Bühne und ihre Werkzeuge im Schreiben, Reden und Handeln. Die Aufklärung findet statt, allerdings nicht in der scheinbaren Komfortzone des „Like-Buttons“.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gefühligkeit

Emotionen, Gefühle – diese Begriffe sind uns aus dem täglichen Gebrauch vertraut. Sie beschreiben unseren jeweiligen Gemütszustand, allerdings sind Sie uns auch situativ zugeordnet. Emotionen haben eher mit dem Erregungszustand zu tun, messen, wie weit dessen Pegel angesichts irgendeines Vorkommnisses ansteigt. Gefühle beschreiben eher die Tiefe und das Ausmaß des Berührtseins, also unsere innere Verfasstheit angesichts eines Vorkommnisses.

Was verstehe ich nun unter Gefühligkeit? Sie hat meinem Verständnis nach mit einer Verunsicherung zu tun. Warum ist das so? Weil Verunsicherungen entscheidend auf unser Gemüt einwirken und Emotionen bei uns hervorrufen. Unsicherheit und Angst werden gefördert. Ich weiß, dass das sehr plakativ ausgedrückt ist, trifft aber trotz aller denkbaren Varianten das Problem. Wenn wir verunsichert sind, verlieren wir den Überblick.

Da die Menschen früher durch die räumliche Begrenztheit ihrer Wahrnehmung geschützt waren, verloren sie den Überblick nur partiell. Dies deshalb, weil sie länger Zeit hatten, die Eindrücke, die auf sie einstürmen, zu verarbeiten. Diese Zeit gibt es heute nicht mehr. Das Kommando lautet: Begreife alles sofort, entscheide dich schnell und mache es richtig, besser für dich! Wie will ich aber angesichts der allgemeinen Verunsicherung entscheiden können, was günstig für mich ist?

Es türmen sich Fragen auf Fragen, die kaum jemand schlüssig beantworten kann. Ist es dann nicht naheliegend, ja vielleicht sogar sinnvoll, den Spieß einfach umzudrehen und aus der allgemeinen Verunsicherung eine Tugend zu machen? Also etwa so: Ja, ich bin naiv, na und, ja ich verstehe nichts, na und, ja, ich finde alles furchtbar, was in der Welt geschieht, na und oder vielleicht so: Da müsste doch jemand etwas machen, alles immer auf mich, auf uns … und dann Corona, „Wissenschaftler, sach ick ma, dass ich nicht lache!“ Achtsamkeit wird gegen Unachtsamkeit, Verschwörung gegen Menschenverstand, reich gegen arm, fast alles wird gegeneinander ausgespielt. Uns sind viele Beispiele bekannt. Diese sind alltäglich, aber wer oder was bestimmt die Auswahl, bewegt den Prozess der Wahrnehmung und Verarbeitung?

Das ist die Gefühligkeit! Sie bestimmt das Denken und Handeln, wo der Verstand angesichts der Komplexität und Fülle der Informationen versagt. Es kommt hierbei auch nicht mehr auf die Ausformung unserer Gefühle bei der ständigen Befeuerung mit Bilder und Informationen an, sondern auf die Kultivierung unserer Parteilichkeit. Die Gefühligkeit nimmt von uns Besitz und eröffnet Möglichkeiten, wenn wir auf den Prozess des Selbstdenkens und –fühlens verzichten und uns lieber auf den allgemeinen „Flow“ einlassen.

Hat uns einmal der Strom ergriffen, also wir uns unsere Konformität wohlig zugestanden, dann ist alles ganz einfach. Wir sind stets auf der richtigen Seite, so oder so, und finden für alles umstandslos einen passenden Ausdruck. Die allgemeine Gefühligkeit verhindert jeden Widerspruch, sowohl gegenüber anderen, als auch gegenüber uns selbst. Plötzlich machen wir alles hemmungslos richtig, wir und wir.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski