Rationalisierung

Merken wir uns: Alles, was wir machen, ist von Menschen für Menschen gemacht. Wie verträgt diese Behauptung sich aber mit der progredienten Wegrationalisierung von Menschen im Arbeitsprozess? Was sind die Konsequenzen? Ist die Behauptung denn dann richtig, wenn man bedenkt, dass überall Arbeitskräfte gesucht werden im Handwerk oder Pflegebereich?

Beides hat miteinander zu tun. Das Fehlen der Arbeitskräfte und die Rationalisierungsmaßnahmen. Das Wegrationalisieren von Arbeitskräften und deren Ersatz durch Maschinen, Optimierung von Handlungsabläufen und Kosteneinsparungsmaßnahmen, haben dazu geführt, dass Arbeitshierarchien entstehen und diejenigen, die im ersten Arbeitsbereich wegrationalisiert wurden, stufenweise abstiegen, um dann bei Hartz IV oder in der Sozialhilfe zu landen. Dieser Prozess hat nicht nur Arbeitnehmer entmutigt, die keine adäquate Arbeit mehr hatten, sondern bildete auch das eindrucksvolle Beispiel für andere, sich um potentiell abstiegsgefährdete Arbeiten überhaupt nicht mehr zu bemühen.

Die Eintragung in das soziale Arbeitsstammbuch lautete: Die Ausbildung lohnt sich nicht, da keine Gewissheit mehr besteht, auf Dauer noch in dem angestrebten Beruf zu arbeiten, weil technische und disruptive Entwicklungen, keine verlässliche Berufsverwirklichung in den gewünschten Unternehmen mehr zulassen. Selbst Menschen, die keine persönliche Erfahrung mit der Wegrationalisierung gemacht haben, sind Zeugen des nicht nur in der Wirtschaft gepflegten Rationalisierungsprozesses. Rationalisierung bedeutet in erster Linie Kosteneinsparung.

Es werden Kosten bei Unternehmen eingespart, die aufgrund gesellschaftlicher Fürsorgemaßnahmen dann von der Gemeinschaft übernommen werden müssen. Dass der Staat dafür eintritt, bedeutet genau dies. Wir zahlen Steuern, um Unternehmen ihre Rationalisierungsmaßnahmen zu ermöglichen. Diese Form der Umverteilung, um wirtschaftliche Ergebnisse für Unternehmer und Anleger zu stärken, halte ich für bedenklich. Sie birgt nicht nur finanzielle Folgen für uns alle, sondern belastet unsere Gesellschaft auch emotional und wirtschaftlich.

Wir werden belastet durch Verhaltensweisen, die zu Unzufriedenheiten in unsere Gesellschaft beitragen, zu politischen Verwerfungen führen und deren Kosten bei weitem den Nutzen für die Gesellschaft und auch für die Wirtschaft übersteigen. Zudem bemerken wir bitter, dass diese Rationalisierungsmaßnahmen zum Beispiel bei der Einsparung von Lehrern, Polizisten, Angehörigen im öffentlichen Dienst, aber auch in Wirtschaftsunternehmen die gesamtgesellschaftlichen Prozesse erschweren, sogar behindern, anstatt sie zu beschleunigen.

Deshalb sollten wir uns – koste es, was es wolle – darauf besinnen, dass alles, was wir tun, von Menschen für Menschen gemacht sein sollte und danach handeln.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sozialblick

Nehmen wir zum Beispiel einmal an, eine ältere Person überquert mit dem Rollator langsam eine Straße, hat aber dann Schwierigkeiten, die Kante des Bürgersteigs mit dem Gerät zu überwinden. Nehmen wir einmal weiter an, eine schwangere Frau mit einem Kleinkind an der Hand besteigt die U-Bahn. Im letzteren Fall, keiner steht auf, im ersten Fall, keiner hilft. Es liegt nahe anzunehmen, dass unsere Gesellschaft immer mehr verroht und Gefühlskälte die Menschen davon abhält, dort einzugreifen, wo es erforderlich ist. Das kann, muss aber nicht zwangsläufig sein. Ausschlaggebend könnte auch sein, dass sich der soziale Blick verändert hat und Teilnehmer am öffentlichen Leben die Nöte und Probleme anderer Menschen nicht mehr oder nur eingeschränkt wahrnehmen.

Als ich im Winter eine junge Frau dabei beobachtete, wie sie ihre Stiefel auf die gegenüberliegende Sitzbank der S-Bahn stellte, sprach ich sie an und wies darauf hin, dass dort möglicherweise später jemand sitzen würde und es für diesen sicher nicht angenehm wäre, im mutmaßlich hinterbliebenen Schmutz der Stiefel zu sitzen. Die junge Frau reagierte erschrocken, nahm sofort ihre Stiefel vom Sitz und murmelte: „Entschuldigung, ich habe das nicht gemerkt.“

Viele Beispiele in dieser oder in anderer Form kenne ich und sicher jeder Leser auch. Die junge Frau in meinem Beispiel war in die Nachrichten ihres Smartphones vertieft, andere ebenfalls in irgendwelche Messages oder Musik. Die sozialen Medien verlangen Aufmerksamkeit und nehmen ihre Nutzer so gefangen, dass sie Vorkommnisse in der Realität außerhalb des eigenen Kommunikationsbereichs gar nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen können. Durch die Verengung des Blicks auf das Gerät verengt sich auch der Bereich des sozialen Schauens.

War es früher so, dass alle Menschen mehr oder minder neugierig in der U-Bahn waren oder die Straße entlanggingen, um etwas zu erfahren, zu beobachten oder auch zu kommunizieren, hat sich heute der Blick nach innen gewandt. Selbst dann, wenn die interaktive Kommunikation mit oder über den Apparat gerade nicht erfolgt, verändert sich der Blick nicht. Der Blick bleibt nach innen gewandt, Gedanken und Gefühle bei der letzten WhatsApp-Nachricht oder einer bevorstehenden Instagram-Aktionsrunde. Es ist also keine persönliche Gedankenlosigkeit oder Böswilligkeit des Verkehrsteilnehmers im öffentlichen Bereich, sondern der Verlust der Möglichkeit, den sozialen Blick zu schärfen, zu erkennen und zu reagieren.

Wenn die Realität allerdings nur eingeschränkt eine Rolle spielt, besteht die Gefahr, auch dann nicht reagieren zu können, wenn unvermutet Dinge geschehen, die eine Selbstgefährdung nicht ausschließen. Der Verlust oder die Einschränkung des sozialen Schauens ist ein Gefährdungstatbestand, der weitreichende Konsequenzen in allen menschlichen Bereichen, kognitiv, emotional und psychisch haben kann. Wir müssen den sozialen Kommunikationsverlusten entgegenwirken und Smartphones nicht als Lebens- sondern allenfalls als Ergänzungsinstrumente begreifen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Egoismus/Ich

„Mir wohl und keinem übel“, so lautet unser Familienspruch. Als ich ihn zum ersten Mal bewusst aufnahm, erschien er mir befremdlich. Bis heute habe ich allerdings immer wieder Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken und gewinne die Einsicht, dass diese Form der bewussten Selbstbescheidung dem „Ich“ einen geeigneten Platz zuweist.

In einer ich-zentrierten Welt begreift sich der Mensch als Anspruchsteller, der beurteilt, Noten verteilt und in der Abgrenzung zu anderen sich selbst belohnt. Der andere Mensch ist dabei in erster Linie Lieferant von Argumenten zur Stärkung der Selbstzufriedenheit. In einem solchen Kontext bewegen sich nicht nur materielle Ansprüche, sondern jede Form der Verlautbarung nur um das eigene Ich. Das eigene Ich „darf doch noch einmal sagen“, das eigene Ich kann bei aller Zumutung, die ihm zuteil wird, mit Neid, Missgunst und Empörung reagieren.

Und die Alternative? Eine Alternative dafür könnte sein, „sich“ Gutes zu tun. Sich Gutes tun heißt, mit Dankbarkeit an Selbsterrungenschaften zu arbeiten und sich selig, geistig und materiell mit dem Notwendigen zu versorgen, ohne darüber zu jammern, nicht alles zu bekommen. Die andere Seite dabei ist allerdings, bei dieser Form der umfassenden Selbstversorgung auch die anderen Menschen im Auge zu behalten und dafür einzutreten, dass ihnen, ihrer Würde in geistiger und materieller Hinsicht nichts geschieht.

Dies ist eine Form der Ich-Betrachtung mit einem Abwehrreflex gegenüber denjenigen Einwirkungen, die andere Menschen beschädigen können. Wenn alle Menschen bei den Wohltaten, die sie sich selbst zugutekommen lassen, die anderen Menschen mitbedenken, ist ein gesamtgesellschaftliches Verständnis möglich und gewinnt eine Aussage, wie: „Mir wohl und keinem übel“ über den Regelungsinhalt hinaus verlässliche Bedeutung. Um Unheil von anderen abzuwenden, bescheide ich mich selbst, sei dies in Fragen des Umweltschutzes, des Konsums oder der Meinungsäußerung. Mit einer solchen Einstellung wird das Ich wirklich stark und Egoismus ein verlässliches Programm.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Teile und herrsche Sharing Economy

Nicht die Welt ist aus den Fugen geraten, sondern unsere Wahrnehmung von Veränderungen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, klimatischen und politischen Bereich eröffnet uns die Möglichkeit, nicht nur mit den bereits erprobten und daher bekannten Handlungsmodellen auf gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu reagieren, sondern vielfältiger, sensibler, komplexen und auch fragiler.

Dabei sollten wir allerdings nicht verkennen, dass alle unsere Überlegungen und Handlungsangebote selbst Entwicklungsprozessen ausgesetzt sind, also alle die Endgültigkeit anstrebenden Modelle keine Verwirklichungschance haben. Es gibt rationale Gründe dafür, aber auch emotionale Überzeugungen, dass der bisherige demokratische Kapitalismus keine Zukunft hat.

Bewährtes wird möglicherweise zumindest auf Zeit erhalten bleiben, aber insgesamt werden keine Lösungen mehr möglich sein, die nicht auf permanenten Fragestellungen beruhen. Um der Zersplitterung und Beliebigkeit zu entgehen, ist es dabei erforderlich, gesellschaftliche Nenner aufzutun, die die gesellschaftliche Orientierung für viele komplexe Fragen erlauben, seien diese aus dem Bereich Klimaschutz, Müllvermeidung und Altenpflege, um nur drei wichtige Punkte zu benennen.

Ein System wieder durch ein anderes zu ersetzen, selbst, wenn es ausgedient haben sollte, wird künftig keine Handlungsempfehlung mehr sein. Erfahrungen sind wichtig, aber wir sind frei, umfassend neu zu empfinden, zu denken und Möglichkeiten zu erproben. Unsere Gesellschaft hat sich global und partikulär Dank Internet, den Plattformen der Begegnung und sonstiger technischer Möglichkeiten partizipativ entwickelt.

Was liegt daher näher, als dieses Partizipationsmodell als Role-Modell zu verwenden und dabei darauf zu achten, dass alle Kräfte freigesetzt und auch gebündelt werden, um gemeinsame Ziele, klimatisch, wirtschaftlich, politisch und sozial zu erreichen. Durch „recoupling“ wird wirtschaftlicher und sozialer Erfolg verbunden, die Wirtschaft der Zukunft ist gemeinwohlorientiert und findet ihren Ausdruck in Sharing Economy, Kreislaufwirtschaft, Co-Working und gemeinsamer Anstrengung, diesen Planeten als lebenswert zu erhalten. Alles von Menschen für Menschen. Wir sind vor neue umfassende Aufgaben gestellt. Das vermag in uns einen Pioniergeist zu entzünden, schafft Lebensbestätigung und Gestaltungsmut. Packen wir es an!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

mir wohl

mir wohl
gesche, geschehe
Scheulitz     grabe
fandalisEn     verbei
nett Luse     ofarim
pasterium     genoe
furimFA     nemelois
egunten/inspagne
lesche, lesche
wie im wirklichen Leben
mir Vorteile sichern

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Eigentum

Es gibt kein Naturrecht auf Eigentum. Die Gewährung von Eigentum durch unsere Rechtsordnung stellt einen sozialen Akt dar und soll die Versorgung von Familien gewährleisten sowie verantwortungsvolle Partizipationen schaffen. Das Kalkül ist, dass derjenige, der die Herrschaftsgewalt über einen Teil hat, sich auch dem Gesamten verpflichtet fühlt. Aspekte dieses Denkens finden sich in Artikel 14 des Grundgesetzes, wenn dort auf die Sozialbindung des Eigentums abgestellt wird.

Eigentum hatte in der Vergangenheit auch einen innewohnenden Abwehraspekt gegen Bevormundung, Einmischung und Gewalt einzelner Gruppen und Herrscher. Wenn diese Gefahr nicht mehr besteht, verändert sich auch der Inhalt des Eigentums. Eigentum erblüht zum Symbol der sozialen Überlegenheit, ohne dass ihm noch der Versorgungscharakter, der einmal für die Definition bestimmend war, innewohnt.

Besonders deutlich wird dies im Erbrecht. Wenn Eigentum vererbt wird, kommt es meist nur wenigen Familienangehörigen zugute, die es weder benötigen, noch schätzen können. Der Sinn der Vererbung wird damit völlig verkannt, zumal dann, wenn ihm nicht die Botschaft einer sozialen Verpflichtung mitgegeben wird. An Familienstiftungen oder gemeinwohlkonforme Stiftungen zu vererben, erhält den Sinn des Eigentums. Demjenigen zu geben, der ohnehin schon hat, pervertiert diesen Gedanken.

Seltsamerweise finden sich in den meisten Testamenten kaum Vermächtnisse und Auflagen, die mehr umfassen, als eine möglichst steuergünstige Weitergabe von vermögendem Eigentum. Eine Gesellschaft ist aber dazu in der Lage, Gewährtes zu verändern oder auch wieder zu entziehen. Eine Gesellschaft kann Anpassungen verlangen und Verhaltensweisen neu bewerten. Die zumindest zeitlich begrenzte Verfügungsmacht über Vermögen und Gegenstände ist sinnvoll, sowohl persönlich als auch in der Gemeinschaft.

Eigentum gänzlich abzuschaffen, wäre töricht, aber den besitzenden, verantwortlichen Umgang mit Eigentum neu zu gestalten, hilfreich. Nicht Sozialisierung, sondern Gemeinschaftlichkeit, nicht Gier, sondern Verantwortung sollten die Maßstäbe bei der Fortentwicklung unserer Gemeinschaft sein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Populismus

Was sind die Ursachen des Populismus? Was hat ihn hervorgerufen und welche Umstände befördern ihn? Die Spekulationen dazu füllen Zeitungen und Bücher und sind in vielen Talkshows präsent. Merkwürdigerweise habe ich im öffentlichen Diskurs bisher nicht vernommen, dass es hierfür auch systemische Gründe geben kann. Ein bestimmender Aspekt bei dem Verlust von Ordnung.

Aus meiner Sicht sind es nicht diffuse gesellschaftliche Gründe, die den Populismus bewirken, sondern ganz konkrete Umstände des menschlichen Zusammenlebens, die wir zur Disposition gestellt haben. Es geht dabei um das sogenannte Milieu, den Kiez und natürlich auch um die Enge der nachbarschaftlichen Kontrolle. Diese Form der Gemeinschaft erschien der Zwischengesellschaft verpieft, nicht aufnahmefähig durch andere Menschen, unmodern und akulturell.

Angefangen von der Hausgemeinschaft bis zum nachbarschaftlichen Miteinander in Gaststätten und Kegelklubs wurden diesen Gemeinschaften Attribute wie zwanghaft und spießig zugeordnet. Dabei funktionierte die soziale Kontrolle und verhinderte ein Auseinanderbrechen solidarischer Lebensvorstellungen.

Statt Miteinander, Vernunft und ähnlicher Zielorientierung sind Unzufriedenheit und Egoismus in die Kieze eingezogen. Dies bietet keine Geborgenheit mehr. Selbstverständlichkeiten werden aufgerissen durch Fremdheit und Ängste, Paralysierung durch Medien und das Internet. Den medialen Angriffen auf sein Selbstverständnis kann das Milieu nichts mehr entgegensetzen. Das Ergebnis sind Unsicherheit, Angst und der verzweifelte Versuch seiner Bewohner, zumindest im Protest eine Heimat zu finden. Es geht dabei weniger um Inhalte, als um die Chance sich durch ein bestimmtes Auftreten Respekt und Gehör zu verschaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

E-Games

Spiele auf elektronischer Basis erfreuen sich gerade bei Kindern und Jugendlichen eines großen Zuspruchs. Bekannte Spiele sind zum Beispiel Fortnite, aber nicht nur die sogenannten „Ballerspiele“ haben sich etabliert, sondern allmählich übernehmen E-Game-Funktionen die Steuerung in vielen Lebensbereichen.

Immer wieder ist zu hören, dass Spiele in Unternehmen bei der Entscheidungsfindung förderlich seien, aber auch im Sport. Dies geht soweit, dass E-Games sportliche Attribute zugedacht werden. Spiele auf elektronischer Basis sollen Spielen unter Muskeleinsatz gleichgestellt werden, also Sportereignisse wie andere sein und so auch das Gemeinnützigkeitsprivileg erlangen.

Es gibt eine breite Unterstützung für diese Art von Spielen und moderierende Betrachtungen, ab wann das Spielen für Kinder und Jugendliche geeignet sei, und was Eltern bei der Spielkontrolle beachten sollen. Allgemeine Auffassung: Am besten, man schwimmt mit der Zeit, denn auch in diesem digitalen Bereich ist der Vormarsch der elektronischen Technologie nicht aufzuhalten. Bemerkenswerterweise erfährt man aber sehr wenig über den sozialen Charakter dieser Spielkultur.

Es werden selten grundsätzliche Fragen gestellt, ob das Spielen auf dieser Basis überhaupt notwendigerweise zum Leben gehört und was Kindern und Jugendlichen entgeht, wenn sie sich auf ein Spiel einlassen, dessen Strukturen festgelegt sind und weder Verlierer noch Gewinner kennt. Das Spiel repetiert nur bekannte Vorgänge, belohnt und bestraft, aber schafft keine Kommunikation. Was wird aus jungen Menschen, wenn die persönliche, emotionale und auch intellektuelle Kommunikation zumindest nur noch eingeschränkt stattfindet? Welche Lebensorientierung bleibt da noch offen und welche Lebensentwürfe werden geschaffen?

Nicht das Spiel ist das Problem, die Sorge gilt dem Menschen, dessen Vielfältigkeit der spielerischen Einfalt geopfert wird. Eine Gesellschaft muss grundsätzliche Fragen stellen angesichts der Notwendigkeit geistiger, kognitiver und emotionaler Ausbildung. Es muss die Frage danach gestellt werden, welche Selbstbetrachtung ein Mensch erfährt, der in Zukunft möglicherweise die Hälfte seines Lebens spielend im elektronischen Bereich zugebracht hat und sich nur noch so wahrnehmen kann. Spielsalons sind für Kinder unter 18 Jahren verboten. Müssten diese Kriterien nicht auch für E-Games gelten?

Es geht darum, Dinge grundsätzlicher zu betrachten, als dies bisher geschieht und nicht als Sport zu qualifizieren, was allenfalls die Anstrengung des Daumens und die Konzentration beansprucht. Sport hat mit gesamtmenschlicher Anstrengung zu tun, beansprucht Herz, Geist und Körper. Sport ist ein soziales Ereignis und erfährt dadurch seine gesellschaftliche Anerkennung. Der Leistungswettbewerb unter Menschen auf elektronischem Gebiet kann und muss nicht Sport sein. Er wird von der Belohnung gesteuert, hat Suchtcharakter und stärkt eher das strategische Denken. Reicht das, was ist uns und künftigen Generationen wichtig?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rendite

Unser Denken wird stark von unserem Anspruchsverhalten bestimmt. Wenn etwas von uns verlangt wird, messen wir unser eigenes Verhalten daran, was es uns bringt. Der Nutzen wird überwiegend finanziell bestimmt. Renditeerwartungen sind der Seismograph unseres Verhaltens. So funktioniert dies im persönlichen Bereich, wie auch im wirtschaftlichen und politischen Raum.

Sollen zum Beispiel Schulen gebaut, Wohnungen errichtet oder sonstige Infrastrukturmaßnahmen geschaffen werden, zunächst geht es immer nur um Geld. Was kostet das und erst nach Schaffung einer finanziellen Übersicht machen sich die Verantwortlichen an das Umsetzen. Unser Gestaltungswille ist vom Geld bestimmt.

Dabei vergessen wir, dass wir nicht nur persönlich, sondern auch in der Gemeinschaft eine Verantwortung tragen und darauf angewiesen sind, dass das Werk gelingt. Es kommt daher nicht auf das Geld, sondern auf den guten Plan und die Wege der Umsetzung, die Partizipation und dann erst auf die Kompensation an. Das Machen kommt vor dem Geld und nicht anders herum.

Mit anderen Worten, nicht das Geld bestimmt das Tun, sondern ist lediglich ein Mittel des Ausgleichs. In den Gemeinschaften, aus denen wir stammen, kam es auch nicht auf die Kompensation, sondern auf die erwartende Verpflichtung des Einzelnen an zu handeln. Stakeholder Value, vor Shareholder Value entsprach common sense in allen archaischen Gemeinschaften. Diejenigen, die stets nur ihre Renditeerwartungen vor Augen haben und nicht vor allem an den sie verpflichtenden Beitrag des Schaffens denken, übersehen, dass sich nur das Werk und nicht das Geld für sie auszahlt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Eindeutigkeit

Bereits umgangssprachlich versuchen wir uns, der Eindeutigkeit zu versichern, wie zum Bei­spiel durch Floskeln, wie „genau“ oder „geht klar“. Dabei ist nichts klar, eindeutig und genau. Wenn wir uns der Floskeln bedienen, können wir auch gar nicht davon ausgehen, dass unser Gegenüber das Gesagte auch für bare Münze nimmt. Es soll uns aber entschulden von dem Verdacht, nicht offenherzig gewesen zu sein. Unser Gesprächspartner soll glauben, es sei so, wie wir es sagen. Das, was sich im Umgang mit den Menschen abspielt, ist auf keinen Bereich der Darstellung und der Kommunikation beschränkt. Immer versuchen wir Eindeutigkeiten zu produzieren, ob in der Wissenschaft, der Wirtschaft oder Philosophie, um nur einige Bereiche zu nennen.

Dabei wollen wir uns nicht eingestehen, dass es überhaupt keine Eindeutigkeit an sich geben kann, weil alles Sein einerseits auf unterschiedlichen Wahrnehmungen beruht, andererseits sich auch in allen Aggregatzuständen als komplex zeigt. Alle menschlichen Erwartungen, alle gesellschaftlichen Experimente, ob Bürgerkriege, Revolutionen oder Ideologien – um nur zunächst diese ungewissen Bereiche zu benennen – entsprechen einer sich fortschreibenden menschlichen Erfahrung und sind deshalb unverzichtbare Werkzeuge erlebter Neuordnung unserer Welt.

Wir sind darauf angewiesen, uns immer wieder an diese neuen Herausforderungen und Situationen zu adaptieren, erwartungsoffen gegenüber allen Argumenten – seien diese emotional, rational, juristisch, fiskalisch, religiös oder sogar absurd. Selbst die Lüge ist eine unverzichtbare menschliche Wahrheit. Wir wissen um ihre Kraft des Guten und des Verderbens, aber vertrauen auf unsere Wahrnehmung des Entdeckens oder Nichtendeckens, je nachdem, welche Perspektive wir als opportun empfinden.

Wenn wir uns der Erkenntnis nicht verschließen, dass es keine Eindeutigkeiten gibt, könnten wir bei aller verbleibender Skepsis von allen argumentativen Angeboten profitieren, dabei ohne Wahrheitscamouflage Argumente akzeptieren, und zwar selbst dann, wenn sie uns in jeder Hinsicht unpassend erscheinen, um aus der Vielzahl von Darstellungen und Meinungen ein größeres Maß an Sicherheit bei der Beurteilung zu gewinnen. Scheuklappen bergen die Gefahr, dass wir uns trotz beschworener Genauigkeit und Klarheit in einer Welt verrennen, die so nicht ist, wie ich es mir zum Beispiel persönlich wünsche. Es ist nicht nur meine Welt, sondern unsere Welt und diese ist vielfältig, nie eindeutig.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski