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Ikonographie

Ein Bild erstarrt und verändert dadurch seine Bedeutung. Gerade noch im Ausdruck lebendig, flüchtig gar und gegenwärtig vereist es in den Aggregatzustand einer Aussage, verewigt sich ggf. auch in Zeichen. Die Symbolkraft des erstarrten Bildes genügt sich selbst, übernimmt aber auch die Bedeutung für etwas anderes, das uns als ein Rätsel erscheinen mag, aber in seiner Eigentlichkeit den Schlüssel zu etwas verbirgt.

Es ist wie mit dem Denken oder Gedachtwerden. Stets entdecken wir in Bildern Bezüglichkeiten, die kategorisch unsere Welt erlebbar machen. Aus dem Dunkel treten Zeichen hiervor, Chiffren, die sich anbieten zur Verarbeitung, nicht zuletzt im Internet oder auf Plattformen, wie Instagram und TikTok. Alles ist gegenwärtig und sogar im Verschwinden präsent. Die Aneinanderreihung von Ausdrücken zaubert ein Bewegungsbild, eine Ikonographie verbürgt den Sinn, den wir schauend erahnen. Läge alles auf der Hand, wäre alles klar, verlöre das Zeichen das Symbol, die verborgene Aussage an Bedeutung.

Es ist das Geheimnis, welches uns anzieht, das Mysterium, in dem der Keim aller Möglichkeiten verborgen ist, sich jederzeit öffnen kann, um in einem seltenen Augenblick einen erkennenden Moment zu erlauben. Dann wartet das erstarrte Bild wieder auf jemanden, der es zu erkennen vermag.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Realität

Realität ist der Inbegriff in jedem Augenblick erfahrbarer Körperlichkeit im weitesten Sinne. Realität im subjektiven Sinne ist die geistige, seelische und emotionale Fixierung eines Zustandes, auch wenn er objektiv nicht existent ist. Die Realität im objektiven Sinne ist ein Zustand, der der subjektiven Betrachtung zum Opfer fallen kann. Die zwei Realitäten des Menschen sind demnach Fixierungen, deren Kongruenz infrage steht. Wie beim Schielen laufen die Bilder der Realität auseinander und werden doch in der zentralen Wahrnehmung als eins begriffen. Die Botschaft der Realität wird aus dem Empfängerhorizont mit unserem Anspruch an die Realität abgeglichen und das beseitigt alles, was uns aufgrund von eigener Erfahrung, Einstellung und Erwartung als ungeeignet, überflüssig oder unpassend erscheint. Dies geschieht in einem Prozess ständiger Überprüfung mit anderen veröffentlichten Realitäten, die auch ihre Botschaften zur Abgleichung schicken. Jeder molekulare Entstehungs- und Zerfallsprozess gestaltet auch die Realität immer wieder neu. Realität hat zwar kein Gedächtnis, folgt aber der Zwangsläufigkeit des zeitlichen Maßes von „Stirb und Werde“. So vermeidet es die Realität, von ihren Schöpfern selbst infrage gestellt zu werden. Die grundlegende Bereitschaft, die Realität anzunehmen, ist eine der Prämissen unserer Existenz. Kündigten wir die Realität als fragwürdig auf, stellten wir unsere Körperlichkeit infrage und negierten deren Sinneswahrnehmungen. Vor unseren Augen würde die Welt zerfallen. Die Verabredungen von Zeit und Raum verlören ihre Gültigkeit.

Trotz unseres Einverständnisses mit der Realität kennen wir ihr Alter Ego: die Illusion. Die Illusion ist die abgelegte Realität. Sie ist verwahrt und vermag doch jederzeit Platz zu nehmen am Tisch der Realität. Die Illusion ist wie die Realität konkret erfasstes Anderes, welches gegebenenfalls noch eine Chance erhält.

Realität und Virtualität ähneln sich. Sie unterscheiden sich nur in der Verabredung, das eine als konkret, das andere als außerhalb des körperlich Greifbaren liegend anzunehmen. Durch Umlegen des Schalters lassen sich die Pole anders ausrichten und aus Virtualität wird Realität. So ist eine parallele Welt auch kein Wahn, sondern existiert ständig in uns. Wie die Realität geht sie uns alle an und ist gleichermaßen vernetzt. In dieser parallelen Welt ist alles in gleicher Weise vorhanden. Beide Welten stehen im Dialog, beschicken sich mit Informationen, Bildern und Eindrücken. Auch so sind Korrekturen möglich, wenn die Realität aus dem Ruder läuft.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski