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Arbeitsmühen

Früher gab es die allgemein geläufige Gewissheit: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!“ Auch waren fast alle Menschen davon überzeugt: „Machste was, biste was, machste nix, biste nix.“ Alle diese so eindeutig sprachlich fixierten Überzeugungen sind über die Zeit hinweg allmählich erodiert. Früher einmal gehörte man dazu, wohnte möglichst im gleichen Kiez, genoss die oft jahrzehntelange Anerkennung seines Meisters und die der Kollegen. Ob in Betrieben oder der Verwaltung, die Anmutung war sehr einheitlich. Man arbeitete gemeinsam und feierte gemeinsam. Es ging dabei auch um den Stolz auf die eigene Leistung und die Verpflichtung gegenüber der Familie, dem Unternehmen, den Kollegen, aber auch gegenüber der Allgemeinheit.

Schon früh wurden die Weichen für das Arbeitsleben gestellt. Leistungsbewusstsein, Pflicht und Vorbilder schufen die Motivation für das zweckgerichtete Lernen und die berufliche Verantwortung. All dies war eingebettet in einen familiären und gesamtgesellschaftlichen Konsens, der dank seiner sozialen Kontrolle nicht in Frage gestellt wurde. Die Regeln gaben vor, wie man was tut. Bildungsferne, abgehängt sein und ähnliche Zuweisungen waren weitgehendst unbekannt, wobei nicht verschwiegen werden darf, dass das durch Rituale bestimmte Leben keine Abweichungen zuließ, intolerant auf jede Störung reagierte. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass diese Gewissheit, die früher den Zusammenhang garantierte, zwischenzeitlich beseitigt wurde: Die anstelle der Gemeinsamkeit nun weit verbreitete „Ich-Betrachtung“, das selbst bestimmte Arbeiten statt der Zuweisungen, die Work-Life-Balance statt der Arbeitspflicht, die Umschulung und Weiterbildung statt der Beständigkeit des Arbeitslebens.

Ist das, was sich inzwischen herausgebildet hat, aber richtig und gut und woher kommt diese allgemein feststellbare Haltungsänderung? Ich denke, mit den Eltern fängt es an. Die Veränderungen, die sie selbst Zeit ihres Lebens in den Betrieben und in dem privaten Umfeld erfahren haben, trägt erheblich zu der Verunsicherung, die sie weitergeben, bei. Sie mussten erfahren, dass die primäre Zuständigkeit für die Bildung ihrer Kinder ihnen staatlicherseits entzogen und ihnen verdeutlicht wurde, dass Chancengerechtigkeit dadurch am besten verwirklicht werden könne, dass sie ihre Kinder Kindergärten und Schulen anvertrauen, anstatt sie selbst auf das Leben vorzubereiten. Was Sie dabei nicht wissen konnten, ist, dass sie sich selbst dadurch einer Verpflichtung gegenüber ihren Kindern entzogen haben, die darin besteht, dass sie eigentlich primär für die Bildung ihrer Kinder zuständig sind, insbesondere in den Bereichen Sprache und Kommunikation, beginnend schon pränatal und sich fortsetzend unmittelbar nach der Geburt.

Aus Unwissenheit sprechen und singen sie nicht mehr oft mit ihren Kindern und erzählen ihnen keine Alltagsgeschichten, obwohl dies für die sprachliche und geistige Entwicklung ihrer Kinder förderlich wäre. Dieses Versäumnis erscheint mir ausschlaggebend für die auch ins berufliche durchschlagende Unruhe bei der Aufnahme und Umsetzung einer konsequenten zweck- und zielgerichteten Tätigkeit. Will man künftigen Generationen wieder gefestigte berufliche Lebensperspektiven eröffnen, ist es unumgänglich bei der Aufklärung und Schulung der Eltern anzusetzen, aber auch dafür zu sorgen, dass Leistungsbewusstsein, Pflicht und Vorbild nicht nur die Begleiter lebenslangen Lernens, sondern auch des Handelns sind. Wer nichts tut, kann auch nicht erwarten, dass andere diese Verweigerung wettmachen.

Zuwendung und Hilfe bei größter Geduld sind ein persönliches und gesellschaftliches Gebot, welches allerdings auch damit korreliert, dass derjenige, der keine Verantwortung für sein Handeln übernimmt, auch nicht bereit ist zu leisten, nicht erwarten kann, dass die Gesellschaft dies hinnimmt. Ohne Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft werden auch künftige Gesellschaften nicht bestehen können. Es ist sogar zu befürchten, dass dies einen Vorwand dafür liefern könnte, Arbeitsmühen zu verunglimpfen, egozentrische Verhaltensweisen, die auf Schaffung von Vorteilen zu Lasten der Allgemeinheit basieren, zu belohnen und dazu beizutragen, dass ein auch im Interesse der Schwächeren geknüpftes soziales Netz zerreißt. Aus diesen Überlegungen mag man ableiten, dass es bei Beschäftigungsverhältnissen stets um mehr als nur erwerbsorientiertes, ich-zentriertes Handeln, sondern auch um unsere Gemeinschaft geht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Es geht voran

Überall lesen wir, dass nichts voranginge, neues Denken erforderlich sei und wir – gemeint sind selbstverständlich nur die Politiker – bei der Bildung, im Wohnungsbau, im Pflegedienst, bei den Renten und bei der Verkehrswegeplanung versagten. Sicher habe ich nicht alle offenen Felder benannt, wie auch, bei dem Ausmaß an Anschuldigungen dessen, was hierzulande nicht funktioniert.

Davon etwas beindruckt, las ich einen Beitrag der früheren Senatorin für Justiz in Berlin und Hamburg, Frau Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, die ihre gewichtige Stimme immer wieder zu Fragen der Familie, Ehe und Kindern erhebt. Nicht, dass mir die Umstände, von denen die Autorin berichtet, völlig fremd gewesen seien. Sie waren mir nur nicht mehr ganz gegenwärtig. Es war mir nicht mehr gegenwärtig, dass bis in die Nachkriegszeit hinein für Ehemänner und Väter einseitig begünstigte Rechtsvorschriften galten und sich diese auf die Bevormundung der Ehefrau, das Güterrecht und die Sorgeberechtigung für Kinder entscheidend auswirkten. Alles stets zum Nachteil der Frauen.

Und doch sind seit 1976 maßgebliche Reformen im Familienbereich angeschoben und umgesetzt worden, und zwar mit der Tendenz, da nicht stehen zu bleiben, sondern weitere Klippen zu meistern, um Familien zu stabilisieren und Frauen und Kindern mehr Rechte einzuräumen. Ist das nicht großartig? Sicher muss immer noch mehr getan werden, aber wir haben auch schon viel erreicht in der Energiewende, in der Bekämpfung der Armut, im Bildungs- und im Pflegebereich.

Verbesserungsprozesse sind nie am Ende, aber es geht voran. Wir sind in der Lage, auf allen Gebieten demokratisch prozessual Lösungen zu entwickeln, die uns helfen, unsere rechtsstaatliche und sozialstaatliche Freiheit weiter zu genießen. Wir benötigen kein „neues“ Denken, keine Revolution, keinen Umsturz der Verhältnisse, sondern eine Übersicht, aus der sich Ideen entwickeln lassen, die nach Selbstvergewisserung über Sinn des Handelns auch dazu führen, dass wir handeln.

Was für die gleichgeschlechtliche Ehe gilt, kann auch für die Integration von Flüchtlingen und Ausländern gelten. Der Prozess des Verstehens und der Analyse führt zwangsläufig zur Entscheidungsfindung und zur Integration. Aufgrund des inzwischen eingesetzten gesellschaftlichen Bewusstseinswandels kann sich heute wohl kaum mehr einer daran erinnern, dass erst 1994 die Strafbarkeit der Homosexualität in Deutschland abgeschafft wurde.

So wird es dereinst auch einmal zum gesamten Integrationsprozess von Ausländern heißen: „Was? Wir verstehen das überhaupt nicht, weshalb Ausländer in Deutschland einmal verfolgt, diskriminiert und abgelehnt wurden. Mit ihrer Einbürgerung sind sie wichtiger Garant für die Entwicklung unserer Gesellschaft geworden.“ Wir haben noch viel vor. Packen wir es an.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bildungsmacht

Die Kontinuität der Unterbreitung von Bildungsangeboten an Eltern und Kinder schafft die Voraussetzung dafür, auch künftige Krisen in unserer Gesellschaft auf allen Gebieten zu meistern. Bildung ist nicht das Privileg von Wenigen, sondern überlebensnotwendig. Bildung muss dort wirken, wo Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, d. h. schon bei den Eltern, die sich vorbereiten auf die Geburt ihres Kindes. Das noch nicht geborene Kind hat bereits einen Bildungsanspruch, der vom ersten Lebenstag an verwirklicht werden muss.

Bildung ist nicht nur Wissen, sondern beinhaltet vor allem die Fähigkeit der Erkenntnis, jenseits rationaler oder gefühlter Einschätzung von Situationen. Ohne die Erkenntnisfähigkeit wird auch in Krisen nur scheinobjektiv gehandelt und bleiben Fragen auf der Strecke, ob die jeweiligen Störungen systembedingt sind oder bereits Veränderungsprozesse in Gang setzen. Bildungsträger sind dazu geeignet, allen Menschen und den Märkten, auf denen sie tätig sind, das Handwerkszeug zu erklären, mit dem sie die jeweiligen Krisen meistern können. Die Krise als Chance. Im Rahmen dieses Diskurses muss auch das grenzenlose, nicht nur normative Denken zum Zuge kommen, um die daraus gewonnene Erfahrung dann konkret zu verwirklichen, und zwar durch den Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Familie

Die Familie ist eine vorkonstitutionelle menschliche Errungenschaft. Familie wird nicht durch die rechtsgestaltenden Akte des Staates begründet, sondern ist ein Naturrecht des Menschen, dessen Erhalt der Staat allerdings zu garantieren hat. Die Aufgaben der Familie kann der Staat nicht abnehmen oder ersetzend anderweitig regeln. Zu den Primäraufgaben der Familie gehört es, den menschlichen Fortbestand unserer Gesellschaft zu sichern, Bildung und Lebensregeln bei Kindern von Anfang an zu initiieren und solidarisch füreinander einzustehen. Das bedeutet, dass der Staat den Familien vor allem Eigenverantwortung überlassen und statt reglementierender Gesetze Perspektiven anbieten muss. Einer dieser Perspektiven ist die Unterstützung und Förderung von Eltern bei der künftigen Entwicklung ihrer Kinder bereits im pränatalen Bereich zum Beispiel durch Förderung der ehrenamtlichen Betreuung, Vorbereitung auf die Sprachentwicklung der Kinder und deren Bildungsmöglichkeiten sowie gesundheitliche Erziehung. Die Bereitschaft, Kinder in dieser Gesellschaft zur Welt zu bringen, ist für viele Paare heute nicht mehr selbstverständlich, weil Kinder nach dem Verständnis unseres Lebensmodells zur Alterssicherung nicht mehr familiär erforderlich zu sein scheinen. Man kann in dieser Gesellschaft ohne soziale Einschränkungen auf Kinder verzichten. Mehr noch, Kinder stellen in dieser Gesellschaft eine derart hohe finanzielle Belastung dar, dass viele potentielle Eltern genau überlegen, ob sie dieses Wagnis eingehen. Hier ist nicht nur gesellschaftliche Solidarität mit den Eltern gefordert, sondern darüber hinaus sollte der Staat finanzielle Leistungsanreize für diese durch massive Steuersenkungen und finanzielle Vergünstigungen schaffen. Es muss sich lohnen, Kinder zu bekommen.

Zur Familiengerechtigkeit zählt auch, dass Familien steuerlich entlastet werden sollten, die bereit sind, sich solidarisch bis ins Alter zu unterstützen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Familienfonds, entweder individuell oder durch Partizipation und internen als externen Versprechungen auf Wechselseitigkeit. Es ist notwendig, Kriterien für ein modernes solidarisches Familienverständnis zu analysieren und daraus Handlungsempfehlungen für den Staat abzuleiten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wissen ist Macht

Wissen ist Macht. So lautet der verzweifelte Aufschrei eines Mannes, der keinen Erfolg bei Frauen hat, kein Politiker ist und auch nicht über Geld verfügt. Unbeantwortet bleibt mit dieser völlig unqualifizierten Feststellung, ob der Postulant über das Wissen verfügt, welches die Macht ausmacht? Früher war das einmal anders. Heute ist unter diesem Aspekt der Computer das mächtigste Individuum, weil Wissen eine Frage der Speicherkapazität ist. In der Tat ist es für denjenigen, der Macht ausüben möchte, zuverlässig und ratsam, auf Wissen zurückzugreifen. Denn ohne dieses Wissen ist er kaum in der Lage, andere herauszufordern. Die Demokratisierung des Wissens hat jedoch zur Folge, dass es für den Einzelnen schwieriger wird, Anderen Wissen vorzuenthalten, weshalb damit sein Machtzuwachs gefährdet ist. Mit dem Verlust des Machtvorsprungs durch Wissen gerät etwas Anderes in die Ziellinie der Begehrlichkeit: Bildung.

Was ist heute darunter zu verstehen? Unter traditionellen Gesichtspunkten ist der Bildungsbürger derjenige, der mehr oder weniger geschickt Stichworte aus Oper, Theater, Konzert, Literatur und Naturwissenschaften zusammenklaubt, auf Abruf gegebenenfalls noch in verschiedenen Sprachen, diese verknüpft und bei dem Zuhörer den Eindruck einer genialen Geisteskraft hinterlässt. Dem Spötter ist der Bildungsbürger recht. Der Gebildete weiß um seine Fähigkeiten aber auch um seine Defizite. Er empfindet Freude und Lust an seinen vielfältigen Erfahrungen, seinen Fähigkeiten zu fabulieren und zu musizieren, den Überblick zu gewinnen und zu behalten. Der gebildete Mensch speist seine Erfahrungen aus Wissen und bereichert dieses Wissen durch die selektive Wahrnehmung und Verknüpfung mit anderen Wissenselementen.

Die Bildung ist nicht universal, sondern sehr persönlich und erfährt in jedem Menschen einen anderen spezifischen Ausdruck. Im Gegensatz zu Wissen ist Bildung weder demokratisch noch kompromissfähig. Bildung ist die Trägerschaft für Einsichten und der Nährstoff für unerwartete Gedanken und Empfindungen. Es bildet sich aus der Verknüpfung verschiedener Impulse etwas Ungewohntes, Neues. Dies wiederum ist allerdings nur ein Zerfallsprodukt bei der Entwicklung eines weiteren Produkts.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bildungsmacht

Die Kontinuität der Unterbreitung von Bildungsangeboten an Eltern und Kinder schafft die Voraussetzung dafür, auch künftige Krisen in unserer Gesellschaft auf allen Gebieten zu meistern. Bildung ist nicht das Privileg von Wenigen, sondern überlebensnotwendig. Bildung muss dort wirken, wo Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, d. h. schon bei den Eltern, die sich vorbereiten auf die Geburt ihres Kindes. Das noch nicht geborene Kind hat bereits einen Bildungsanspruch, der vom ersten Lebenstag an verwirklicht werden muss.

Bildung ist nicht nur Wissen, sondern beinhaltet vor allem die Fähigkeit der Erkenntnis, jenseits rationaler oder gefühlter Einschätzung von Situationen. Ohne die Erkenntnisfähigkeit wird auch in Krisen nur scheinobjektiv gehandelt und bleiben Fragen auf der Strecke, ob die jeweiligen Störungen systembedingt sind oder bereits Veränderungsprozesse in Gang setzen. Bildungsträger sind dazu geeignet, allen Menschen und den Märkten, auf denen sie tätig sind, das Handwerkszeug zu erklären, mit dem sie die jeweiligen Krisen meistern können. Die Krise als Chance. Im Rahmen dieses Diskurses muss auch das grenzenlose, nicht nur normative Denken zum Zuge kommen, um die daraus gewonnene Erfahrung dann konkret zu verwirklichen, und zwar durch den Menschen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

4. Von Anfang an Bildung

Bildung ist der menschliche Ausdruck für die Nutzung sämtlicher Fähigkeiten von Verstand, Gefühlen und Speicherkapazitäten für Wissen, Erfahrbares aufzunehmen, weiterzuverarbeiten,  weiterzuvermitteln  und zur Verbesserung  der eigenen  und fremden Lebensbedingungen einzusetzen. Bildung ist ein Zustand der Eigenverantwortung des Menschen gegenüber Anderen und seinem Leben. Ohne die Verantwortlichmachung jedes einzelnen Menschen ist Bildung daher undenkbar.

Unter Bildungsauftrag ist das Anliegen der Gemeinschaft zu verstehen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich der Einzelne von Kindesbeinen an in einem verantwortlichen Umfeld entwickeln kann und dabei die notwendige Unterrichtung  und  Impulse  erfährt, um  sein  eigenes  Anliegen  und  das  der Gesellschaft – und zwar Fähigkeiten weiter zu fördern – umfassend zu erfüllen.

Mit der Geburt des Kindes nehmen den Bildungsauftrag  zunächst die Eltern, Verwandte und Freunde wahr. Sie stehen in der allgemeinen Pflicht, dem heranwachsenden Kleinkind diejenigen Strukturen nahe zu bringen, die es ihm erleichtern, seinen eigenen Bildungsweg zu finden. Die sogenannte frühkindliche Erziehung ist von eminenter Bedeutung und kann nur bewerkstelligt werden, wenn die Eltern ebenfalls eine entsprechende Ausbildung erfahren, die sie in die Lage versetzt, Bildungsangebote an ihre Kinder weiterzugeben. Wichtig dabei ist insbesondere das Gespräch mit dem Baby, welches über Lalllaute und Wiederholung sinnloser Phrasen hinausgehen muss. Gerade auch in intensiven, ernsthaften Gesprächen akkumuliert das Kleinkind diejenigen Erfahrungen, die es später sprachgewandter, interessierter und bildungsoffener sein lassen.

Im frühkindlichen und kindlichen Erziehungsprozess spielen einerseits die verant- wortlichen Eltern, anderseits aber auch die im Kinde geweckte Verantwortung für sein eigenes Leben eine entscheidende und zielöffnende Rolle. Bildung und Ausbildung müssen darauf gerichtet sein, die Kontaktpersonen der Kinder so auszubilden, dass sie in der Lage sind, bildungsadäquat mit den Kindern zu kommunizieren. Dies gilt im Übrigen auch für frühkindliche Erzieher und Lehrer. Spezifische Bildungsangebote sollten frühzeitig unterbreitet werden, um von Grund auf die Voraussetzungen für entwicklungsfähige Bildungsinhalte zu schaffen. System Bildung beinhaltet eine Erfahrung der Öffnung der vermittelnden Personen und des Kindes durch die Einrichtung von:

  •  ƒSprach- und Sprechkreise für Kinder
  • ƒ Frühkindliche Musikerziehung
  • ƒ Tanz/Bewegung
  • ƒ Blick- und Beobachtungserziehung
  • ƒ Kontaktaufnahme mit anderen Bildungsforen

Ein Kleinkind wird niemals überfordert, weil es die Anforderung als Spiel begreift und gerne auf Herausforderungen reagiert. Nur die Unterforderung schafft Langeweile und dadurch eine Überforderung, die zur Ablenkung und schließlich auch zur Ablehnung von Bildungsangeboten führt.

Wichtig ist die Ausbildung der Lehrer, die fächerübergreifend sein muss und verstehen lehrt, welche psychischen und mentalen Voraussetzungen ein Schüler mitbringen muss,  um sich Bildungsangeboten  zu  öffnen.  Manche  Jugendliche  in  einer bestimmten Lebensphase  sind  den  praktischen  Erfahrungen  besonders  aufgeschlossen. Das Leben begreifbar zu machen, geschieht in erster Linie dadurch, dass man Kindern und Jugendlichen etwas zum Greifen gibt. Die „Spanischen Erbfolgekriege“ sind für die jugendliche Erfahrung weniger wichtig als Beispiele, die unser Leben in seiner Komplexität erfahrbar machen. Ist ein Jugendlicher über praxisnahe Vorgänge orientiert, ist er auch bereit, diese Erfahrung auf andere Gebiete,  z. B.  die  Literatur  etc.  zu  übertragen,  um  dadurch  sein  eigenes Bildungsinteresse zu weiten und die gewonnenen Fähigkeiten später sinnstiftend einzusetzen. Auch hier ist zu bedenken, dass zurückhaltende Angebote an Jugendliche eher dazu führen, dass diese sich zurückziehen und nicht mehr aus eigener Kraft für ihre Ausbildung sorgen werden.

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Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

3. Bildung als ganzheitliche Erfahrung des Menschen

Ich will aufzeigen, dass Bildung keine abstrakte Herausforderung der Gesellschaft gegenüber dem Menschen darstellt, deren einziger Zweck allein darin besteht, institutionell erfasst und verarbeitet zu werden. Bildung ist vielmehr eine konkrete Herausforderung, eine Chance für jeden einzelnen Menschen, der er sich in seinem Leben mit Genugtuung stellen kann. Bildung ist nicht Selbstzweck. Sie ist nicht bestimmten Menschen und bestimmten Schichten zugehörig. Sie erfreut und erbaut nicht nur, sondern ist entscheidend verantwortlich für Lebensmuster. Der gebildete Mensch muss sich nicht jegliche spirituelle und materielle Erfahrung selbst erarbeiten, sondern kann vielfältige Bezüge zu anderen Menschen und deren Gedanken schaffen und seine Möglichkeiten, ein sinnerfülltes Leben zu führen, dadurch verstärken. Unabhängig von diesem sehr individuellen Aspekt ist Bildung aber auch diejenige Matrix, die es den Menschen erlaubt, gemeinsam geistige Erfahrungen zu verarbeiten, d. h. gemeinsam davon zu profitieren, dass Philosophen, Sprachwissenschaftler, Kulturschaffende, Künstler, Theaterleute und viele andere Menschen einen Fingerzeig für neue Schöpfungen gegeben haben und diese bewahren.

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Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

2. Bildungsbewusstsein

Jeder Mensch ist an sich bildungsbewusst. Bildung ist kein Phänomen, welches der Mensch von vornherein ablehnt, sondern dies geschieht nur dann, wenn er den Eindruck hat, er könne nichts damit anfangen, sie sei ihm feindlich gesonnen, überfordere ihn oder bringe ihn nicht weiter. Die Öffnung der Bildung für alle Menschen beginnt daher nicht mit Bildungseinrichtungen, sondern mit der Feststellung, welche Voraussetzungen überhaupt geschaffen werden müssen, damit der Mensch von sich aus Bildung beansprucht.

Bildungsnachfrage jedes einzelnen Menschen kann dadurch stimuliert werden, dass dem einzelnen Menschen und der Gruppe insgesamt folgende Bildungsmerkmale nahe gebracht werden:

  •  Erweiterung der kreativen Freiräume
  •  Begreifen von Vorgängen
  • ƒ Erleichterung bei Problemlösungen
  • ƒ bessere Selbstverwirklichungschancen
  • ƒ Stärkung der Kommunikationsfähigkeit
  • ƒ Wissensverarbeitung als Ergänzung zur Wissensakkumulation
  • ƒ ständige Dialogfähigkeit mit gespeichertem Wissen und Erkenntnissen
  • ƒ erweiterte berufliche und gesellschaftliche Chancen
  • ƒ Anerkennung und Überlegenheit
  • ƒ Lehrfähigkeit und Übermittlung eigener Erkenntnisse
  • ƒ Genuss von Form und Inhalten.

Auch wenn die vorgenannte Liste nicht vollständig ist, signalisiert sie gleichwohl, dass jeder Einstieg in die Bildungsdiskussion  mit den Bedürfnissen  jedes einzelnen Menschen nach Bildung und der Bildungsverpflichtung unserer Gemeinschaft zu tun hat. Diese Herausforderung müssen wir neu definieren, entsprechende Bildungsanreize schaffen und das Notwendige konkret und kompetent in Bildungsangeboten mit geeigneten Einrichtungen und Fachleuten umsetzen.

Dies bedeutet die Schaffung des „Systems Bildung“.

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Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

I. ASPEKT BILDUNG

1. Bildungsprovokation
Was unter Bildung zu verstehen ist, wissen wir recht genau. Eine Neubewertung der Bildung halten wir gleichwohl für erforderlich, weil wir wissen, dass wir im Begriffe sind, in der Unbildung zu ertrinken. Deshalb erweitern wir den Bildungsbegriff auf all diejenigen Fähigkeiten des Menschen, die nicht unmittelbar mit den notwendigen täglichen Verrichtungen zu tun haben. Lesen, Schreiben, Rechnen, Bild-, Ton- und Wortaufnahme erklären wir zu Bildungsexponaten, obwohl sie diese Auszeichnung allein stehend nicht verdienen. Bildung ist die Fähigkeit, unter der Fülle von Wissensangeboten  eine Auswahl zu treffen, diese zu verbinden, Eindrücke zu gestalten und sie gegebenenfalls auch sinnstiftend einzusetzen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich mit mehr auseinanderzusetzen, als mit dem was z. B. Medien, Computer, Fernsehen aber zuweilen auch Erzählungen oder Theaterstücke vorrätig halten. Bildung beruht auf Erkenntnissen, seien diese geschichtlich, künstlerisch oder sprachlich bedingt. An dieser Hürde gemessen, sind wir inzwischen ein ungebildetes Volk, dessen Interesse mehr auf Konsum und Unterhaltung und weniger auf Erkenntnisse, d. h. das tiefe Eindringen in die Dinge, ausgerichtet ist.

Mit Lesen, Schreiben, Rechnen lässt es sich sicher komfortabel leben. Derartige Fähigkeiten sind auch unverzichtbar für die Aufrechterhaltung unserer Zivilisation. Sie reichen allerdings nicht aus, um unser Gemeinwesen unter Bildungsgesichtspunkten zu evaluieren. Es ist mehr vonnöten als das Pflichtpensum  an Schulen und „convenient living“. Wichtig ist es, einen Grundkonsens bezüglich des Lebens auszugestalten. Das Leben ist nicht Spaß, sondern Ernst. Das Leben bestimmt sich nicht nach Einschaltquoten, an denen gemeinhin auch Bildung gemessen wird, sondern an seiner Gegenwart, seinem Schöpfungsreichtum und seiner Vergänglichkeit. Das Beharrungsvermögen der Bildungsverweigerer mag an Anzahl der Personen und deren Hartnäckigkeit groß sein, jedoch ist es möglich, aufzuzeigen, dass die Wasser abfließen und eine ausgetrocknete Bildungslandschaft auch den Profiteuren der verantwortungslosen Spaßgesellschaft keine Lebensgrundlage mehr bietet. Wir müssen die Lyrik, die darstellende Kunst und das Theater, Opern und Konzerthäuser pflegen, damit die materielle Gier und die geistige Verwahrlosung diese letztendlich nicht selbst gefährdet. Ich setze darauf, dass eine Peripetie dadurch eingeleitet wird, dass infolge der Abflachung unseres Bildungsniveaus der Abstieg unseres Landes im internationalen Bildungsvergleich wahrnehmbar zu verzeichnen ist und daher der Wille zur Selbstbehauptung eine nachhaltige Umkehr bewirken wird. Statistiken sind nur dort verlässliche Gradmesser, wo sie Anhaltspunkte für eine sachorientierte Interpretation liefern.

Die Vermittlung von Bildung beginnt nicht erst im vierten Lebensjahr, schon gar nicht alleine durch sogenannte Bildungsinstitutionen. Der Bildungsauftrag kann weder an Schulen noch an Eltern delegiert werden. Bildung, die Vermittlung von Bildung an Kinder und junge Menschen ist eine Aufgabe unserer ganzen Gesellschaft. Dessen waren sich frühere Gesellschaften durchaus bewusst. Anregungen und Impulse bekamen Kinder und Jugendliche früher nicht nur aus dem eigenen Elternhaus, sondern auch von Dritten aus Erzählungen, Vorhaltungen usw. Ein potenzielles Korrektiv wäre wünschenswerterweise das Fernsehen gewesen. Dieses kann aber seiner Rolle nicht gerecht werden. Fernsehen vermittelt keinerlei Bildungsinhalte, sondern provoziert zum Abschalten. Konsumverhalten ist heute gefragt statt eigener kreativer Reaktionen. Es ist sicher richtig, dass eine große Verantwortung für die Bildung des Menschen bei den Schulen liegt. Es ist aber völlig irrig anzunehmen, dass hierbei wesentlich die Unterscheidung zwischen Privatschule und öffentlich-rechtlicher Schule eine Rolle spielt. Entscheidend ist die Lehrbereitschaft. Um Maßstäbe zu schaffen, haben wir Schule nicht nur zunehmend verrechtlicht,  sondern auch Standards festgelegt, die einerseits eine befriedigende Leistungsabgrenzung ermöglichen, zum Anderen aber gerade dasjenige vergesellschaften, was eigentlich evaluiert werden müsste, und zwar die Fähigkeit jedes Einzelnen, sich zu bilden.

Schule an sich institutionell ist völlig irrelevant. Relevant ist der ausbildungsfähige und ausbildungsinteressierte junge Mensch einerseits und der Lehrer andererseits. Beide müssen zusammenkommen. Üblicherweise wird dies heute so gestaltet, dass Kinder oft lange Schulwege auf sich nehmen, um in ein Schulgebäude einer Zentralschule zu gelangen. Welche verhängnisvolle Behinderung! Wäre es nicht eher sinnvoll, Bildungsangebote dort zu unterbreiten, wo Kinder und Jugendliche sind, damit sie sich in ihrem Gemeinwesen wohl fühlen, in ihrem Dorf oder ihrer Kleinstadt bleiben und dort ihr Leben führen? Was spricht dagegen, Lehrer auf die Wanderschaft zu schicken, ihnen Gelegenheit zu geben, mit Intensität Kleinst- oder Kleingruppen, gegebenenfalls auch im Schichtbetrieb auf dem Lande, in Dörfern oder Kleinstädten zu unterrichten, anstatt Kinder und Jugendliche von ihrem natürlichen Lebensumfeld zu entfremden? Offenbar sind wir nicht in der Lage, Bildung als ein umfassendes Menschenrecht und eine Verpflichtung zu begreifen, die nicht nur institutionell und zentral, sondern auch lebendig an den erforderlichen Stellen angeboten wird. Lehrer, die sich auf Wanderschaft begeben würden, könnten auch zusätzlich in mobilen Volkshochschulen ältere Menschen, gegebenenfalls auch für nicht berufsbezogene Ausbildungsinhalte, begeistern. Insgesamt glaube ich, dass wir zu den Anfängen zurückkehren und wieder neu und mit besserer Begründung unsere Schritte beginnen müssten.

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Hans Eike von Oppeln-Bronikowski