Schlagwort-Archive: Entwicklung

Entgrenzung

Es ist etwas los in dieser Welt. Wir wollen uns schützen vor Trump, Musk und Weidel. Aufrufe, Appelle und Demonstrationen. Atomkraftgegner, Klimaschützer und Weltenretter. Es hat doch immer gut funktioniert. Hier die Anständigen angeblich in der Mehrzahl und dort die Bedrohung, irgendwie werden wir schon damit fertig und wenn nein, dann haben wir zumindest alles versucht, das Schlimmste zu verhindern.

Das Muster unseres Protestes ist geblieben, aber die Bedrohung hat sich angepasst, ist Dank Digitalisierung flexibel geworden. Es ist keine Geschichte von einem Elefanten und einer Mücke, sondern von einer grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse, in denen wir leben.

Wind of Change, Zeitenwende und welche Metaphern auch sonst noch verwendet werden, sie verschleiern eher, als dass sie deutlich machen, dass eine Disruption stattfindet, die alle bisherigen Gewissheiten oder Vorstellungen in Frage stellt, keine Rücksicht nimmt auf Befindlichkeiten, skrupellos oder konsequent, je nach Betrachtungsweise, unsere Welt so umgestaltet, dass sie keinerlei Kongruenz mehr mit unseren bisherigen Erwartungen, Erfahrungen und Lebensversprechen mehr aufweisen wird.

Es ist zwecklos, sich mit Protesten dagegen stemmen zu wollen. Der einzige Weg, diesen Umwälzungen gewachsen zu sein, ist, sich auf sie vorzubereiten, d. h. sie zu studieren und Schwachpunkte zu erkennen, die vielleicht zu nutzen sind, um der künftigen Entwicklung eine Richtung zu geben, die sich auch an den in der Vergangenheit erworbenen Werten orientiert. Zuversichtlich bin ich da überhaupt nicht, sondern meine nur, dass, wenn sich eine entsprechende Gelegenheit bietet, diese auch ergriffen werden sollte. Im Übrigen besteht hier ein Bildungsauftrag, d. h. nicht zu jammern, sondern resiliente Entwicklungen durch genaues Studium und flexible Reaktionen auf alle Zumutungen zu gestalten.

Die Menschheit begibt sich derzeit auf einen Schlingerkurs, der gefährlich sein kann, aber auch Gelegenheit bieten wird, bisherige Denk- und Verhaltensmuster nicht nur zu überprüfen, ggf. anzupassen, sondern auch über grundsätzliche Neufindungen in unserer Gesellschaft die Voraussetzungen für deren Existenzsicherung auch im digitalen Raum zu schaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

KI

Wie entsteht Leben? Durch Zeit und Umstände. Und wie verhält es sich mit der künstlichen Intelligenz? Da ist zunächst eine Begriffsklärung erforderlich. Der Mensch setzt voraus, dass er intelligent sei und hält es für erforderlich, sinnvoll und unabweisbar eine andere Intelligenz außerhalb seiner eigenen Ich-Intelligenz zu schaffen. Der Mensch erscheint hier also als derjenige, dem etwas gelingt, und zwar Dank seiner Fähigkeit, Schöpfer zu sein. Das Künstliche daran signalisiert, dass es sich nicht um ein Prozess der Selbstermächtigung bei den zu schaffenden Wesen selbst handelt, sondern um etwas, das künstlich, das heißt unter Einsatz menschlicher Fähigkeiten geschaffen wird, also in der Abhängigkeit von seinem Schöpfer bleibt.

In dieser Abhängigkeit wird KI allgemein verstanden, und zwar in der Regel als verlängerte Werkbank des Menschen, sei es im autonomen Fahrverkehr oder Smart-Home. Alle, die sich mit der Entwicklung digitaler Möglichkeiten beschäftigen, verkennen nicht die Möglichkeiten, die in Algorithmen und künstlicher Synapsenbildung liegen.

Es ist von „Deep Learning“ die Rede und von der ungeheuren Verarbeitung von Datenmengen, die sich durch digitale Wesen selbst entwickeln und vermehren lassen. Deshalb warnen Wissenschaftler und Praktiker vor den Folgen einer digitalen Entwicklung, die wir nicht mehr im Griff haben. Das Problem ist nur, wir können diese Entwicklung nicht zurückdrehen und den Prozess stoppen.

Noch sprechen besorgte Beobachter, wie Heinz Dürr, vom Leichtsinn des Zauberlehrlings, der gestoppt werden kann, sobald der Hexenmeister wieder nach Hause kommt oder Dädalus, dessen Warnungen vor der Sonne vom Sohn Ikarus nicht befolgt werden, deren Hitze das Wachs seiner Flügel schmelzen lässt und er ins Wasser stürzt. Die Bilder vermitteln den Eindruck, als könne eine fatale Entwicklung durch Ermahnungen noch aufgehalten werden, als gäbe es eine Moral der Abschreckung. Ich glaube das nicht. Bei der sogenannten künstlichen Intelligenz handelt es sich eigentlich nicht um eine „künstliche Intelligenz“, sondern eine „andere Intelligenz“ oder auch „anorganische Intelligenz“ oder auch „uns herausfordernde Intelligenz“.

Unbestreitbar haben wir Menschen den Prozess in Gang gesetzt und die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich diese Form der Intelligenz entwickeln kann, aber diese ist bereits in den Zustand der Selbstermächtigung eingetreten. Die Intelligenz, die ich beschreibe, nutzt unsere digitalen Tools, um ihre eigene DNA zu entwickeln. Man könnte auch sagen, dass das, was wir als die „andere Intelligenz“ bezeichnen sollten, parasitär veranlagt ist, das heißt, wir das „Wirtstier“ für die Ausbeutung durch die künstlichen Wesen darstellen.

Aber nicht nur der Mensch, sondern alle Angebote der Welt und des Universums sind nichts anderes als die Verfügungsmasse dieses nicht humiden Wesens. Wir werden eine Zeit lang noch Konkurrenten sein, auch Unterstützung erfahren, soweit es diesem Wesen zum Zwecke der Selbstoptimierung sinnvoll erscheint, aber irgendwann werden wir auch auf der Strecke bleiben, wenn wir nicht mehr liefern können, was die „künstliche Intelligenz“ von uns erwartet: Energie.

Ich vermute, dass die künstliche Intelligenz oder auch besser gesagt, „konkurrierende Intelligenz“ wieder die Atomenergie entwickeln wird, da sie sich von unseren menschlichen, organischen Vorbehalten nicht beeindrucken lassen muss. Wenn wir diese Entwicklung nicht wollen, was können wir tun? Meines Erachtens nichts, denn wir wollen und können die digitale Entwicklung nicht zurückdrehen. Es mag uns allerdings trösten, dass sich auch bei der künstlichen Intelligenz das menschliche Desaster wiederholen wird. Die Sinnlosigkeit beliebiger Möglichkeiten wird irgendwann zur Selbstaufgabe „künstlicher Intelligenzen“ führen.

Für uns kommt das dann leider etwas spät. Genießen wir also unsere analoge Welt in ihrer ganzen Unvollkommenheit, solange uns dies von der anderen Intelligenz noch gestattet wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Wissen ist Macht

Wissen ist Macht. So lautet der verzweifelte Aufschrei eines Mannes, der keinen Erfolg bei Frauen hat, kein Politiker ist und auch nicht über Geld verfügt. Unbeantwortet bleibt mit dieser völlig unqualifizierten Feststellung, ob der Postulant über das Wissen verfügt, welches die Macht ausmacht? Früher war das einmal anders. Heute ist unter diesem Aspekt der Computer das mächtigste Individuum, weil Wissen eine Frage der Speicherkapazität ist. In der Tat ist es für denjenigen, der Macht ausüben möchte, zuverlässig und ratsam, auf Wissen zurückzugreifen. Denn ohne dieses Wissen ist er kaum in der Lage, andere herauszufordern. Die Demokratisierung des Wissens hat jedoch zur Folge, dass es für den Einzelnen schwieriger wird, Anderen Wissen vorzuenthalten, weshalb damit sein Machtzuwachs gefährdet ist. Mit dem Verlust des Machtvorsprungs durch Wissen gerät etwas Anderes in die Ziellinie der Begehrlichkeit: Bildung.

Was ist heute darunter zu verstehen? Unter traditionellen Gesichtspunkten ist der Bildungsbürger derjenige, der mehr oder weniger geschickt Stichworte aus Oper, Theater, Konzert, Literatur und Naturwissenschaften zusammenklaubt, auf Abruf gegebenenfalls noch in verschiedenen Sprachen, diese verknüpft und bei dem Zuhörer den Eindruck einer genialen Geisteskraft hinterlässt. Dem Spötter ist der Bildungsbürger recht. Der Gebildete weiß um seine Fähigkeiten aber auch um seine Defizite. Er empfindet Freude und Lust an seinen vielfältigen Erfahrungen, seinen Fähigkeiten zu fabulieren und zu musizieren, den Überblick zu gewinnen und zu behalten. Der gebildete Mensch speist seine Erfahrungen aus Wissen und bereichert dieses Wissen durch die selektive Wahrnehmung und Verknüpfung mit anderen Wissenselementen.

Die Bildung ist nicht universal, sondern sehr persönlich und erfährt in jedem Menschen einen anderen spezifischen Ausdruck. Im Gegensatz zu Wissen ist Bildung weder demokratisch noch kompromissfähig. Bildung ist die Trägerschaft für Einsichten und der Nährstoff für unerwartete Gedanken und Empfindungen. Es bildet sich aus der Verknüpfung verschiedener Impulse etwas Ungewohntes, Neues. Dies wiederum ist allerdings nur ein Zerfallsprodukt bei der Entwicklung eines weiteren Produkts.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Matrix

Stellen wir uns das Leben für einen Augenblick als eine lange, prägende und geprägte Erlebnisspur vor. Irgendwann habe ich gehört, dass vor langer Zeit, die ich nicht an Millionen oder gar Milliarden Jahren festmachen kann, ein anderer Planet die Erde berührt hat und durch den Austausch von Entwicklungsbausteinen das Leben auf Erde entstand. Gehört habe ich auch, dass die Erde überhaupt ein Abfallprodukt eines anderen Planten sei. Dieser Planet habe sich wieder aufgemacht in die Weite des Raumes. Vielleicht liege er aber auch ganz versteckt in unserer Nähe, nicht sichtbar, gut verhüllt durch Sternennebel oder ein gigantisches schwarzes Loch? Hawking spricht von der Parallelwelt, die sich uns Menschen auftut, in der alles Leben gleichsam spiegelbildlich abgebildet sei, nur zeitlich so versetzt, dass das Parallele sich mit dem Eigentlichen identifizieren lasse und umgekehrt. Alles Spinnerei? Vielleicht. Bemerkenswert ist aber, dass die menschliche Erkenntnis auf der Erfahrung beruht. Leonardo da Vinci hat Fluggeräte erfunden, weil er sie bereits gekannt hat. Der Plan war bereits in ihm angelegt, bevor er seine Vi­sionen hatte. Auch Weltraumflüge basieren auf vorhandenem Wissen. Alle Kulturen berichten von einer Begegnung. Diese Begegnung wird oft naiv beschrieben, wie Landespuren von Weltraumfähren im aztekischen Hochland.

Die gesamte Weltkultur beruht auf der Erfahrung von Himmel und Erde, von Göttern oder von einem Gott, der oben wohne, mit der Welt und seinen Geschöpfen korrespondiere. So wird die Erfahrung wachgehalten. Diese Erfahrung beruht auf einem Urerleben, welches festgeschrieben ist in unserer Lebensmatrix. Sie erwartet die Wiederkehr des Lebensschöpfers als Vollendung der Einheit bzw. ist geprägt vom Verlust des einen, das nach dem anderen ständig strebt, trotz aller verwirrenden religiösen Überhöhung. Das Yin- und Yang-Muster tragen wir offenbar in uns, deshalb ist Gott oder wie auch immer wir das andere bezeichnen, keine Ausgeburt unserer Fantasie, sondern eine gewesene und kommende Realität. Wir alle sind Zeugen dieser Realität, weil wir das Muster in uns tragen. Dem einen oder anderen ist dies stärker bewusst. Darauf kommt es aber nicht an. Er ist. Alles ist immer da, nur etwas verrückt. Wechseln wir die Räume, bleibt doch die Ahnung. Pocahontas kannte Captain Smith, bevor er tatsächlich bei ihr anlangte. Durch seine Ankunft fand sie sich nur in ihrer Ahnung bestätigt. Das Licht ihres Lebens, die glänzende Rüstung.

Es blieb ihr das aus Sehnsucht entwickelte Staunen. Auch Captain Smith wusste, dass er bei ihr ankommen musste. Er barg das Streben nach Zusammenführung, die Überwindung der Trennung in sich. Allegorien sind aber nur Beispiele, nicht die ganze Erfahrung. Sie hält die Erinnerung an die Mächtigkeit der Schöpfung wach, sie kann auf Wunder verzichten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski