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Familie

Die Familie ist eine vorkonstitutionelle menschliche Errungenschaft. Familie wird nicht durch die rechtsgestaltenden Akte des Staates begründet, sondern ist ein Naturrecht des Menschen, dessen Erhalt der Staat allerdings zu garantieren hat. Die Aufgaben der Familie kann der Staat nicht abnehmen oder ersetzend anderweitig regeln. Zu den Primäraufgaben der Familie gehört es, den menschlichen Fortbestand unserer Gesellschaft zu sichern, Bildung und Lebensregeln bei Kindern von Anfang an zu initiieren und solidarisch füreinander einzustehen. Das bedeutet, dass der Staat den Familien vor allem Eigenverantwortung überlassen und statt reglementierender Gesetze Perspektiven anbieten muss. Einer dieser Perspektiven ist die Unterstützung und Förderung von Eltern bei der künftigen Entwicklung ihrer Kinder bereits im pränatalen Bereich zum Beispiel durch Förderung der ehrenamtlichen Betreuung, Vorbereitung auf die Sprachentwicklung der Kinder und deren Bildungsmöglichkeiten sowie gesundheitliche Erziehung. Die Bereitschaft, Kinder in dieser Gesellschaft zur Welt zu bringen, ist für viele Paare heute nicht mehr selbstverständlich, weil Kinder nach dem Verständnis unseres Lebensmodells zur Alterssicherung nicht mehr familiär erforderlich zu sein scheinen. Man kann in dieser Gesellschaft ohne soziale Einschränkungen auf Kinder verzichten. Mehr noch, Kinder stellen in dieser Gesellschaft eine derart hohe finanzielle Belastung dar, dass viele potentielle Eltern genau überlegen, ob sie dieses Wagnis eingehen. Hier ist nicht nur gesellschaftliche Solidarität mit den Eltern gefordert, sondern darüber hinaus sollte der Staat finanzielle Leistungsanreize für diese durch massive Steuersenkungen und finanzielle Vergünstigungen schaffen. Es muss sich lohnen, Kinder zu bekommen.

Zur Familiengerechtigkeit zählt auch, dass Familien steuerlich entlastet werden sollten, die bereit sind, sich solidarisch bis ins Alter zu unterstützen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Familienfonds, entweder individuell oder durch Partizipation und internen als externen Versprechungen auf Wechselseitigkeit. Es ist notwendig, Kriterien für ein modernes solidarisches Familienverständnis zu analysieren und daraus Handlungsempfehlungen für den Staat abzuleiten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ferien vom Ich (Teil 2)

In der Erziehung spielt die Auseinandersetzung mit den Ansprüchen des Kindes eine entscheidende Rolle. Mit seinen Ansprüchen tastet es sich in das Leben vor. Aufgrund seiner Anlage tut es das aber nur mit dem einen Ziel, über Erfahrungen die Sicherheit zu erlangen, selbst zu gestalten. Hier ist die entscheidende Weichenstellung für künftiges Verhalten. Es ist zu beobachten, dass Eltern ihren Kindern diese Ansprüche rauben, indem sie ihnen jegliche Eigeninitiative abschneiden. Auch ist zu beobachten, dass Eltern ihren Kindern aus Bequemlichkeit oder aus Kalkül in jeder Weise nachgeben und somit dafür sorgen, dass der kindliche Anspruch die Dimension eines aufgeblasenen Luftballons erreicht. Ansprüche sind aber nicht nur dafür da, befriedigt zu werden, sondern schaffen auch Lebensmuster für spätere Daseinsgestaltung. Wenn ein Anspruch nicht befriedigt wird, führt das oft zu einer Klage darüber, die Eltern hätten dies in ihrer Kindheit auch nicht gehabt. Das setzt sich dann fort in einem Jammern darüber, wie schlecht es einem doch ginge und dass es daher eine Unverschämtheit wäre, wenn jetzt nicht die Dinge zu ihren Gunsten geändert würden. Das Kind, welches die Zusammenhänge nicht zu erkennen vermag, lernt daraus, dass es eine Alternative im Leben gibt: nicht an der Selbst- verwirklichung zu arbeiten, sondern klageweise all das zu erzwingen, was einem scheinbar vorenthalten wird. Klagen muss aber nur derjenige, der passiv ist. Der aktive Mensch kommt überhaupt nicht auf die Idee zu klagen, denn dies würde offenbaren, dass er nicht dazu fähig wäre, sich zu organisieren, mit Anderen zu gestalten und sich in seinem Leben zu verwirklichen. Wer nicht klagt, hat Mut. Er arbeitet an der Beherrschung seines Lebens, bleibt gesund und freut sich jeden Tag. Wer gestaltet und verändert, schwimmt gegen den Strom und hat mächtige Schwierigkeiten: Zum einen sind sämtliche Regularien, Gesetze und Verordnungen in der Regel nicht seine willkommenen Wegbereiter, jedenfalls soweit sie seine Selbstinitiative abschneiden. Aber auch Menschen, die klagen und Ansprüche stellen, können ihn nicht leiden, können nichts mit ihm anfangen und bezichtigen ihn des Verrats. Unter Klagenden und Leidenden ist man gerne einer Meinung und versucht, weitere Verbündete zu gewinnen. Jede Freude am Leben ist verdächtig, jeder Jauchzer ein Verrat an der gemeinsamen Misere.

Unsere Gesellschaft ist deshalb krank, weil sie auf Anspruchsdenken beruht. Diejenigen, die das System verteidigen, führen an, dass eine im Unglück solidarische Gesellschaft eher legitimiert sei, als eine Gesellschaft von Idealisten, die nach Selbstverwirklichung streben. Eine derartige Ansicht unterstellt, dass diejenigen, die sich im Leben verwirklichen wollen und auch daran arbeiten, grenzenlose Egoisten seien. Ich glaube, dass dies nicht der Fall ist. Ich bin davon überzeugt, dass diejenigen, die sich verwirklichen, vor allem geben und nicht nehmen. Sie warten nicht auf den nächsten Schritt anderer, sondern geben permanent, weil dies ihrem Lebensmuster entspricht. Sie sind überhaupt nicht daran interessiert, sich stets selbst zu betrachten, sondern schauen darauf, welche Möglichkeiten sich ihnen bieten, um ihren Tatendurst zu stillen. Es gibt nur ein großes Problem: In jeder Gesellschaft müssen sie kooperieren mit denjenigen, die kollektiv oder individuell Ansprüche stellen, die nur klagen und die Teilhaberschaft an ihrem Unglück einfordern. Dies stellt eine enorme Belastung dar, raubt Kräfte und führt oft zur Lähmung und zum Stillstand auch der interessantesten Projekte. Selbst dort, wo engagierte Menschen selbstlos tätig sind, begegnen ihnen Misstrauen und Unverständnis. Eine Gesellschaft, die in erster Linie klare Kompensationsrituale hat, vermag nicht zu verstehen, dass Einzelne gerne geben und nichts dafür wollen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Die Erfahrung des Singens

„Nun singet und seid froh.“ So lauten Ermunterungen, die mit dem Singen zu tun haben. Und in der Tat, Singen bereichert unser Leben, erreicht unser Herz und unsere Sinne, fördert zudem unsere Empfindungen und unser Sprachvermögen. Alle Menschen singen oder haben zumindest das Bedürfnis, es zu können. Meist scheitern sie an der fehlenden Ausbildung. Und diese Ausbildung sollte bereits im frühkindlichen Stadium beginnen. Wenn die Eltern singen können und einigermaßen liedfest sind, überträgt sich diese Fähigkeit auch auf ihre Kinder, die später das ganze Potenzial ihrer Möglichkeiten, ebenfalls zu singen, ausschöpfen können. Deshalb hat die Ruck – Stiftung des Aufbruchs mit dazu beigetragen, dass Kurse eingerichtet werden, in denen erfahrene Musik- und Gesangspädagogen Eltern das Singen beibringen. Dabei erlernen Eltern nicht nur Liedtexte, sondern gewinnen Selbstsicherheit im Umgang mit ihrer eigenen Fähigkeit zu singen, werden angeleitet, diese Fähigkeit ihren Kindern weiterzugeben, indem sie diesen das Singen ebenfalls beibringen usw. Eltern werden in diesem Prozess begleitet, ihnen werden Ratgeber an die Hand gegeben und sie haben jederzeit auch Gelegenheit, mit erfahrenen Experten Rücksprache zu nehmen, um das Erreichte und Erlernte nicht zu verlieren, sondern ggf. auch noch weiter zu formen und zu bestätigen.

Die von der Ruck – Stiftung des Aufbruchs initiierten Kurse finden im Umkreis von Entbindungsstationen statt, werden aber auch in besonderen ausgewählten Heimen und Begegnungsstätten angeboten. Damit soll die Sing- und Erzählkultur wiederbelebt werden und Eltern sollen an Sicherheit im Umgang mit ihren Kindern gewinnen. Der sprachliche Austausch zwischen Eltern und Kindern, auch über das Singen, ist nicht zu ersetzen, weder wohlmeinend durch eine CD mit Kinderliedern noch gar durch Fernsehen. Bis etwa zum Eintritt des dritten Lebensjahres sind Kinder bezüglich der Medien nicht aufnahmefähig, sondern auf eine ständige Interaktion mit ihren Bezugspersonen angewiesen. Das Kind ahmt nach, unter anderem auch die Mundstellung seiner Eltern. Diese Vorteile können bei der rein mechanischen Wiedergabe von Liedern und Musik z. B. auf CD nicht genutzt werden.

Auch ist es wichtig, Lieder ständig mit dem Kind zu wiederholen, damit es Gelegenheit hat, sich alle Einzelheiten zu merken und einzuprägen. Der Volksmund sagt: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Der Volksmund hat recht: Wenn die Eltern beharrlich dabei bleiben, ihre Kindern das Singen zu lehren, haben sie selbst viel Spaß dabei und natürlich die Kinder auch. Das ist dann ein starkes gemeinschaftliches Erleben.

Das Singen stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl bis spät in die Pubertät und darüber hinaus, vielleicht bis ins Alter.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski