Schlagwort-Archive: Nachrichten

Authentizität

Wir werden überschwemmt von Nachrichten, Botschaften politischen und wissenschaftlichen Inhalts, werden informiert über Erkenntnisse in der Biowissenschaft, der Klimaforschung, der fortschreitenden Digitalisierung unserer Welt.

Eine Fülle von Informationen bemächtigen sich unserer Gedanken und Gefühle, erfahren eben genau durch unsere Wahrnehmung ihre Authentizität. Ohne uns und unsere Wahrnehmung wären alle Informationen völlig nutzlos, es sei denn, wir favorisierten den Informationsaustausch künstlicher Intelligenzen unter gleichzeitigem Verzicht auf jede menschliche Einmischung.

Ich bin allen medialen Formaten dankbar, die zwar meist nicht zielgerichtet, aber opulent im Angebot meine Wahrnehmungsbedürfnisse zu stillen versuchen. Auch wenn der Hunger nach noch mehr Informationen ständig wächst, vernetze ich mich so mit allem Wissen, das wiederum meine Zellen in Schwingungen versetzt, das Feuer in meinem Gehirn so zu entfachen vermag, dass ich den Wunsch verspüre, Blogbeiträge zu schreiben. Diese Blogbeiträge sind bereits Verarbeitungsprodukte meinerseits aus vorgekauten und verarbeiteten Produkten Anderer.

Primäre Informationsbedürfnisse werden durch meine Blogbeiträge nicht gestillt, aber möglicherweise Informationen aus der Aufbereitung von Gedanken und Gefühlen weitergegeben, die geeignet sein können, einen potentiellen anonymen Adressaten seinerseits zu Erkenntnissen zu verhelfen. Wenn ich von Organoiden höre und von Optogenetik lese, verstehe ich natürlich nur das, was ich lesen und begreifen kann, aber meine Einschätzungen sind dennoch Botschaften der Begeisterung oder der Angst, die beeinflussend wirken können.

Deshalb scheint es mir wichtig zu sein, das Leben als Lernprozess zu begreifen und sich zuweilen auch in Blogbeiträgen auszudrücken, und zwar selbst dann, wenn man davon ausgehen muss, dass die meisten Beiträge von Suchmaschinen angeklickt werden. Aber selbst dann, wenn niemand meine Beiträge lesen würde – was offenbar nicht stimmt – bleibt festzustellen, dass jeder – also auch jeder nicht offensichtlich wahrgenommene Gedanke – das gemeinsame menschliche Gedächtnis zu bereichern in der Lage ist. Deshalb werde ich weiter schreiben, aus Pflichtgefühl.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Nachrichten

Informationen, Tatsachen und Nachrichten, all dies wurde bereits abgeschafft. Wie? Das glauben Sie nicht? Dann hören Sie doch einfach einmal bewusst in die „Nachrichtensendungen“ von Claus Kleber oder Marietta Slomka rein. Sie haben es da nicht etwa mit dem Trump-Propagandasender „Fox News“ zu tun, sondern um staatlich finanzierte Formate der Bürgerunterhaltung.

In den sogenannten Nachrichtensendungen auch des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens wird regelmäßig eine Nachricht bei ihrer Weitergabe durch den/die Sprecher(in) bewertet. Dies geschieht sprachlich, ironisch, abweisend oder in einem Zusammenhang, der den Inhalt der Aussage unglaubwürdig erscheinen lässt. Das Ganze wird begleitet durch eine Mimik, die scheinbar Objektivität signalisieren soll, aber gerade das Gegenteil ahnen lässt. Ich, der Nachrichtenverkünder bin der Nachricht weit überlegen, kann und darf bewerten, was jemand tut oder sagt. Und das hat durchaus Erfolg.

Emotional verführt kommt der Zuschauer oder Zuhörer kaum mehr auf den Gedanken, sich eine eigene Meinung zu bilden, sondern lässt auf sich wirken, was ihm vorgesetzt wird. Da es keine objektivierbaren Nachrichten mehr gibt, sondern Meinungen vorherrschend sind, entwickelt sich allmählich ein Raum der Beliebigkeit und Verantwortungslosigkeit. Dies zunächst vor allem in politischen Zusammenhängen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis unsere Gesellschaft insgesamt von diesem Virus der Beliebigkeit infiziert wird. Jeder Fakt wird verhandelbar und bewertbar. Wie soll es dann noch möglich sein, Kinder strukturell entscheidungssicher auf das Leben vorzubereiten?

Wie sollen sie bei dem Vorbild, das wir inzwischen selbst abgeben, begreifen, dass es darauf ankommt, kritisch mit Mitteilungen aus dem sozialen Netz umzugehen, wenn „storytelling“ unterhaltsamer ist, als überprüfte Fakten? Durch Geschichtenerzählen verlieren wir das Vertrauen der Menschen in die Wirklichkeit. Misstrauen ist erst der Anfang, dann folgt Aggression und schließlich zerfällt unser gesamtes Weltbild in Spekulationen und Verschwörungsüberzeugungen. Wenn wir dies nicht wollen, müssen wir unsere Echoräume verlassen und uns darauf besinnen, überprüfbare Nachrichten neutral weiterzugeben, und zwar kurz, knapp und informativ.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski