Was nichts kostet, ist nichts wert. Dieser Merksatz gilt im gesamten Warengeschäfts- und Dienstleistungsbereich. Wir setzen uns beruflich ein, investieren unsere Arbeitszeit, um damit Geld zu verdienen. Geld, welches wir benötigen, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten und möglichst auch noch Reserven schaffen, also das Vermögen mehren.
Philanthropie, also Sozialunternehmertum im eigentlichen Sinne verstehen wir bisher immer als eine Pro-bono-Einrichtung, als ein Engagement für bestimmte Zwecke aus idealistischen Gründen. Wenn auch steuerlich begünstigt, haben Stifter und Spender dabei immer im Auge, der Gesellschaft von ihrem Geld etwas zurückzugeben, auf das sie verzichten können und den Ausgleich für Vorteile darstellen soll, die der Stifter oder Spender meist im realen Wirtschaftsleben erhalten hat. Wenn der Stifter oder Spender damit auf eigene finanzielle Vorteile verzichtet, sollen andere davon aber auch nicht profitieren.
Im philanthropischen Bereich gilt daher der Merksatz, dass das Projekt möglichst nichts kosten darf, aber trotzdem große Wirkung erzielen soll. Diejenigen, die sich in der Philanthropie engagieren, sollen sich bescheiden, keine großen Ansprüche stellen, ihre Tätigkeit in erster Linie ehrenamtlich begreifen. Das ist ein gesellschaftlicher Widerspruch, der aufgelöst werden muss, denn derjenige, der sich im philanthropischen Bereich engagiert, leistet ebensoviel oder oft sogar mehr, als derjenige, der im realwirtschaftlichen Bereich arbeitet oder mit Geld spekuliert. Es müssen daher für diese Menschen auch zur Stärkung der Effektivität der Philanthropie Leistungsanreize geschaffen werden, die es jedem als sinnvoll erscheinen lassen, sich in der Philanthropie zu erproben.
Der Realwirtschaftsverkehr ist entstanden aus dem Tauschhandel. D. h., jemand bietet einen Gegenstand oder eine Dienstleistung an, die ein anderer benötigt und für die er selbst ebenfalls seine Dienste anbietet. Da es unpraktisch ist, Jemandens Dienste entgegenzunehmen, wenn man sie nicht benötigt, wurde letztendlich ein Anrechnungsverfahren geschaffen, welches zum Geldverkehr führte. Damit ist aber die Grundidee des Tauschhandels nicht beseitigt, sondern es muss ein allgemeingültiges System entwickelt werden, in dessen Kategorien die Leistungen, die ein Mensch im Rahmen seines philanthropischen Engagement erbringt, kompensiert werden, und zwar in der Form einer gesellschaftlichen Anrechnung, die wiederum dazu führt, dass derjenige in der Lage ist, selbst Leistungen anderweitig einzufordern, sei es im Rahmen der Realwirtschaft oder auch der Philanthropie. Zum Beispiel so, dass derjenige, der fünf Jahre ältere Menschen gepflegt hat einen Anspruch darauf hat, dass er kostenfrei für ihn selbst wieder gepflegt wird oder die eigens erbrachte Pflegeleistung auf andere übertragen kann. Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens etwas für andere leisten und ein entsprechendes Zeit- oder Punktekontingent aufbauen, welches er zu gegebener Zeit wieder einlösen kann. Er ist so in der Lage, sich ein Vermögen zu verschaffen, dass ihm auch im Alter die Ruhe gibt, nicht geld- sondern leistungsbestimmt die Angebote derer anzunehmen, die ihrerseits etwas „verdienen“ wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird es erforderlich sein, Sozialbanken einzurichten, bei denen die Konten der Menschen geführt werden und die gewährleisten, dass die in der Philanthropie erbrachten Leistungen sorgfältig registriert werden und dafür zur Verfügung stehen, um einen gesellschaftlichen Ausgleich im Leben eines Menschen zu schaffen. In bestimmten Umfange sollen die Leistungen übertragbar sein und im Angebot das gesamte Spektrum von Wohnungen, kultureller Zuwendungen, altersgerechter Pflege, Hilfe bei der Kindererziehung, Krankenhausaufenthalt, Sterbehilfe etc. umfassen.
Vermittlungsagenturen für Angebot und Nachfrage müssen eingerichtet werden. Dabei ist es möglich, philanthropische Einrichtungen auch maßgeblich zu unterstützen und durch diese Unterstützungsleistung in den Genuss anrechenbarer Leistungen zu gelangen. Insoweit verschränkt sich Philanthropie und Realwirtschaft im Bereich der Nutzer ebenso wie in allen Bereichen der wirtschaftlichen Umsetzung.
Der Mensch ist interessengesteuert. Es ist zielführend, die Interessenslage nicht zu vernebeln, sondern aus dieser Interessensgebundenheit Vorteile für unsere Gesellschaft abzuleiten.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski