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Verständnis

Dank unserer Sprache sind wir dazu in der Lage, einander zu verstehen, ohne zwingend auch Verständnis füreinander haben zu müssen. Sprache lässt eine inhaltliche Entgrenzung allerdings nicht zu, sondern schafft eine Barriere, die bereits in ihrer Entstehung begründet ist. Wir haben die Sprache für unsere Kommunikation und unsere Erkenntnisgewinnung gewählt.

Ob wir sprechen, handeln, denken oder schreiben, stets ist Sprache unser konkreter Begleiter, befördert unsere Ausdrucksmöglichkeiten und hält diesegleichermaßen in Grenzen. Ohne Worte sinnieren, loslassen von Begrifflichkeiten, ohne jegliche Sinnvorgaben, schwer ist dies außerhalb eines Traums erlebbar. Das unsprachliche sich Gehenlassen, keine sprachlichen Instrumente bei der Erforschung des Lebens zu nutzen, sich auf Sinnsuche ohne Worte zu begeben, das ist schwer vorstellbar?

Vorhaben, die wir absichtlich voll angehen, werden stets an sprachliche Grenzen stoßen. Sind sprachlose Rufe möglich? Können wir die Sprache verlernen, um zu verstehen? Und wenn wir verstehen sollten, was würden wir dann erfahren? Wie könnten wir das, was wir dann erfahren, entschlüsseln? Welches Gespür haben andere Lebewesen, zum Beispiel Einzeller für sich und ihre Existenz ohne eine dem Menschen vergleichbare Sprache? Welches Wissen könnte jede Zelle preisgeben, wenn sie nicht so sprachlos von uns determiniert würde?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ohnmacht

Wenn wir dies in einem Wort ausdrücken wollen, sagen wir, dass uns im Falle einer Ohnmacht die Sinne derart verlassen, dass wir für die Dauer des Anfalls nicht mehr, zumindest kognitiv, wahrnehmungsfähig sind. Teilen wir das Wort in „Ohn“ und „Macht“, gibt es Auskunft darüber, dass ein bestimmter Zustand ohne Macht auskommen können muss. Generell gesprochen sind den Menschen beide Zustände geläufig. Manchmal ereignen sie sich gleichzeitig. Es kommt auf den Tatsachen- bzw. Sinnzusammenhang an. Ohnmächtig bin ich nicht, wenn ich mich meiner Machtlosigkeit bewusst bin.

Es könnte sogar sehr hellsichtig sein, wenn sich meine eigene Machtlosigkeit mit der auf der Welt bestehenden Machtfülle oder gar der absoluten Macht der Welten und Planten nicht in Wettbewerb begibt, sondern diese anerkennt. Der französische Philosoph Blaise Pascal hat – wie viele andere auch – festgestellt, dass der Mensch angesichts der allgemeinen Machtfülle ohne Macht sei, aber ihm zugebilligt, angesichts der allgemeinen Machtlosigkeit sehr mächtig zu sein.

Er drückt dies zwar in der Spiegelung von ´allem´ und ´nichts´ etwas anders aus, würde aber sicher meine Einschätzung teilen. Die Attribute der menschlichen Macht sind vielfältig, natürlich vor allem Geld, aber auch Sprache, Verstand, Durchsetzungskraft, Gestik und viele weitere Darstellungsmittel, die üblicherweise andere Menschen beeindrucken.

Zur äußeren Prägung der Macht kann sich allerdings auch das gesellen, was durch Demut, Zuwendung, Naivität und Verständnis bestimmt wird. Die Macht ist durchaus für unterschiedliche Lebensmodelle aufnahmefähig, seien diese real oder virtuell. Ohnmacht stellt sich allerdings dann ein, wenn sich der Mensch dazu entschließen sollte, die ihm anvertraute Macht verantwortungslos zu nutzen und daran heillos erkrankt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Trost

Bist du denn noch bei Trost? Bei dieser irritierenden Ansprache spielt der Begriff Trost zwar auch eine Rolle, aber eher in der Form der Entrüstung. Ein Mensch, der so angezählt wird, erfährt keine Zuwendung, sondern gerade diese wird ihm entzogen. Dabei könnte doch der auslösende Moment des Unverständnisses trostbedürftig sein.

Ein Mensch benötigt oft dann Trost, wenn der Grund des Kummers nicht augenscheinlich ist, überhaupt nicht geäußert wird und auch nicht geäußert werden kann. Trost ist nicht ein Signal des Einverständnisses, sondern des Verständnisses. Eine Zusicherung, dass das Geschehen nicht beseitigt, aber überwunden werden kann. Trost fühlt mit, aber bleibt auf Distanz.

Zuwendung überschreitet die vom Trost gezogene Linie und mischt sich ein. Der sich einem anderen zuwendende Mensch begreift das Anliegen in seiner ganzen Dimension und bietet Hilfe zur Überwindung schwieriger Zustände an. Der Zuwender wird Pate des Zuwendungsempfängers. Er hat eine Aufgabe übernommen, die erst dann endet, wenn der Zuwendungsempfänger selbst bereit ist, auf diese zu verzichten. Trost benötigt er dazu nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski