Vom Vermögen ist die Rede. Was vermag der Mensch? Oder was vermag das Geld? Vermag der Mensch mit dem Geld oder vermag das Geld mit dem Menschen etwas zu bewegen? Irgendwelche Wechselbeziehungen scheinen zu bestehen. Diese drücken sich in der Verfügbarkeit des anderen aus, landläufig in der Verfügbarkeit des Geldes. Geld bewegt die Welt. Aber stimmt das denn? Für ein Teil der Geldmengen sicher ja, denn Geld wird benötigt, um den Lebenskreislauf in Bewegung zu halten. Vermögen ist allerdings in erster Linie dafür da, vermehrt zu werden. Dieses Vermögen ist mit seiner Gegenwart meist nicht für den Verzehr bestimmt, sondern soll weitere Gewinne ermöglichen, meist durch die bloß abstrakte Gegenwart des Geldes.
Dieses Vermögen wird nicht bewegt, sondern es verharrt unerschütterlich im Hintergrund. Ein Garant des Wohlstandes. Vermögen als die gezähmte Kraft des Möglichen. Im Vermögen sind sämtliche Phänotypen der Gestaltungsmacht angelegt. Ein Hinweis auf das Vermögen genügt, schon kann der Inhaber des Vermögens die Puppen tanzen lassen, ohne dass er sein Vermögen selbst in irgendeiner Form antasten muss. Mit den Erträgen des Vermögens lassen sich steuerliche Vorteile, geschäftliche Zusatzerfolge und vor allem soziale Anerkennung erwirtschaften. Der Vermögensstock selbst bleibt unangetastet. Vermögensverluste, das heißt die Partizipation anderer am geschaffenen Vermögen, würden zur Sinnkrise des Vermögenden führen. Die Erkenntnis des Vergeblichen und dass er trotz aller Mühen nichts mehr oder nicht mehr so viel, wie er sich vorgestellt hat, vermag, wäre der Anfang vom seinem Ende, sein Tod.
Vermögensverlust bedeutet Verlust der Lebenskraft, Ansteckungsgefahr, nicht nur im Sinne des schwindenden Geldes, sondern auch der schwindenden Gesundheits- und Lebensfreude. Lebensfreude? Denkbar. Vermögen bedeutet vielleicht auch Freiheit, Unabhängigkeit und Erkenntnis. Erkenntnis ist mit Argwohn verwandt. Die Wahrheit des Vermögenden ist: Ohne mein Vermögen bin ich nichts oder noch unbeholfener gegenüber dem Leben als diejenigen, die niemals Vermögen besessen haben oder Vermögen besitzen werden. Die Konkurrenz schläft nicht. Diejenigen, die über kein finanzielles Vermögen verfügen, müssen ein anderes Vermögen entwickeln. Ein Vermögen an körperlicher oder geistiger Potenz, ein Vermögen der Lebensbejahung und des Natursinns. Ein Vermögen der Gaumenfreuden, der Zuwendungen gegenüber anderen Menschen und der Liebenswürdigkeit. Dieses andere Vermögen ist sicher auch vermehrbar und sicher auch gefährdet durch Neid, Missgunst und Ausnutzerei. Was bleibt, ist aber die Fähigkeit, dieses Vermögen entsprechend seiner Anlage immer wieder neu aus sich selbst heraus entstehen und wachsen zu lassen. Es ist nicht inflationsgefährdet, keinem wirtschaftlichen Zusammenbruch ausgeliefert. Dieses Vermögen ist beständig, aber zuweilen nicht so attraktiv wie das abstrakte finanzielle Vermögen. Das ist verständlich. Denn dieses Vermögen wächst, einmal in Gang gesetzt, nicht von alleine, sondern bedarf der ständigen Erneuerung und Fürsorge. Der finanziell Vermögende ist gelangweilt, denn welchen Anteil hat er noch am Zuwachs seines Vermögens? Um seinen Einfluss zu komplettieren, versucht er, auch das Vermögen von Künstlern und Intellektuellen noch unter seine Fittiche zu bekommen. Er lässt deren wahres menschliches Vermögen an Kreativität und Lebenssinn für sich arbeiten und verspricht Belohnung aus den Erträgen seines Vermögens. Dabei stellt er die Dinge auf den Kopf, denn die Fähigkeiten eines Menschen stellen das wahre Lebensvermögen da, die finanzielle Entsprechung ist dabei eher nebensächlich und sollte ausschließlich dazu dienen, den herz- und verstandvermögenden Menschen das Leben zu erleichtern.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski