Im Zusammenleben zwischen den Menschen, den Menschen mit Gruppen, Gruppen untereinander, in staatlicher Gemeinschaft und supranational gibt es eine Fülle von Problemfeldern, die kriterienorientiert untersucht werden sollten, um Lösungsansätze für Regelungen zu schaffen, die geeignet sind, die Gesetzgebungstätigkeit zu beeinflussen.
Um dies zu erreichen, ist es erforderlich, alle Erfahrungs- und Ereignisfelder der vorgenannten Gruppen zu formatieren, die Problemfelder zu extrahieren, die dadurch sichtbaren Herausforderungen mit Werkzeugen zu bearbeiten, um Veränderungen herbeizuführen, die Lösungscharakter aufweisen. Dabei ist ein kybernetisches Modell zu entwickeln, das schnittstellenorientiert ist und die Erfahrungen aus anderen Fachbereichen mit einbezieht. Erst das grenzenlose Denken erlaubt es, Probleme zu erkennen, die anschließend normativ bearbeitet werden können. Im Folgenden einige Beispiele:
maßgebliche Lebenssachverhalte
– Gesundheit
– Familie
– Kindheit und Jugend
– Alter
– Arbeit/Erwerbsleben
– Bildung
– Sicherheit
– Freiheit und Selbstverwirklichung
– soziale Sicherung
– Umwelt
– Bürgerbeteiligung/Gemeinsinn
– Demokratie
– Heimat
– Mobilität
– Europa
– Rest der Welt und Kosmos
Problemfelder der Lebenssachverhalte
– zu wenig Ärzte und Pflegekräfte, zu wenig Gesundheitsprophylaxe
– Auflösung gewachsener Familienstrukturen,
– Kinder als finanzielle Belastung
– Jugend und Verantwortung
– Veränderung traditioneller Beschäftigungssysteme
– Alterspyramide, Auflösung traditioneller Sicherungssysteme
– finanzielle Alterssicherung
– Belastung durch CO2, Kernkraftwerke, Überbevölkerung etc.
– Internet, Google, Facebook
– Migrationsbewegungen
– staatliche Verschuldungen und Deckung
der Schuldenlast durch Steuerzahler
– supranationale Rettungsschirme
– Geldmengenvermehrung und Entwertung
– Gewalt und Verrohung der Städte
– Verrechtlichung des Lebens und fehlender Rechtsbeachtungswille
Wünsche/Herausforderungen
– mehr Kinder zur persönlichen Bereicherung und Zukunftssicherung
– solidarische Familien und Gemeinschaften
– weniger Analphabeten; Bildung von Anfang an
– gesicherte Altersversorgung
– Ausbau des Stiftungswesen und „giving pledge“
– Förderung der Selbstverantwortung und der Familienverantwortung
– Erhöhung des Ausbildungsniveaus
– Abschaffung von Kernkraftwerken
– Entwicklung neuer Energietechnologien
– Subsidiarität staatlichen Handelns und Bürgerprimat (Bürgergesellschaft)
– Respekt vor dem Recht
– Erhaltung unserer natürlichen Umwelt
– mehr Gelassenheit und Muße, Harmonie zwischen Menschen und Völkern
– Verhinderung von Kriegen, gewalttätigen Auseinandersetzungen jeder Art
– Chancengerechtigkeit
Werkzeuge
– die Akteure, Menschen und Gruppen
Bedingungen:
– Raum, auch Internetraum
– Nachfrage
– Angebote
– finanzielle Ausstattung
– systemische Einordnung
– Kommunikation/ Disput
– das gesprochene und geschriebene Wort im wissenschaftlichen, philosophischen, wirtschaftlichen, religiösen Bereich
Substanz
– Grundlagen im historischen, soziologischen und juristischen Kontext
– Volksbefragung
– Parlament
– Regierung und Einzelgewalt
– Polizei
– Streitkräfte
– Staat, Gemeinde, Gebietskörperschaften
– Verbände; Stiftungen
– Banken, Versicherungen, Wirtschaftsunternehmen
Schnittstelle zwischen verschiedenen Aufgabenfeldern
– Familie und Schule
– Alter und Ehrenamt
– Natur und Ökologie
– Altersforschung und Pflegedienst
– Gesundheit und Ärzte
– Staat und Banken
– Bürger und Staat
– Eigentum und Gemeinwohl
– Sicherheit und Freiheit
– Persönlichkeitsschutz und Öffentlichkeit
– Individuum und Gesellschaft
Auf allen vorgenannten Themenfeldern besteht Handlungsbedarf. Eine Auswahl:
- Verrechtlichung des Lebens
Um den Schutz unserer Grundrechte zu gewährleisten, ist der Staat dazu berufen, insbesondere seine Volksvertreter, unser individuelles und kollektives Zusammenleben so zu regeln, dass wir im Wesentlichen freiheitlich unser Leben verwirklichen können. Aus dieser Aufgabenstellung bzw. Ermächtigung leiten die das Volk vertretenden Politiker vielfach das Recht, möglich detailliert und umfassend durch Gesetze dies mehrheitlich zu regeln und dadurch unseren Verhaltensmöglichkeiten auch ihren politischen Stempel aufzudrücken. Ergänzt werden die parlamentarischen Gesetzgebungsakte durch Rechtsverordnungen, Verfügungen und Erlasse der Exekutive; die erlangen zumindest teilweise auch materielle Rechtskraft und sorgen dafür, dass das Korsett des Rechts immer enger geschnürt und somit unser Leben im weitesten Sinne verrechtlicht wird.
Diese Verrechtlichung ist einerseits durchaus sinnvoll, schafft Orientierung, schützt Menschen, Bürger und seine Einrichtungen, andererseits führt sie aber auch dazu, dass das normale gesellschaftliche Zusammenspiel von Einzelnen und Gruppen gestört oder sogar gänzlich beseitigt wird. Vertrauen, Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns, Integrität, von Menschen selbstverfasste ethische Grundsätze werden dadurch zuweilen gefährdet. Zwar haben nicht Politiker und Gesetzgeber die Kriterien für Good Governance und Corporate Social Responsibility entwickelt, sondern verantwortungsvolle Unternehmen und Menschen, die erreichen wollen, dass auch in wirtschaftlich organisierten Einrichtungen wieder ein Wertekodex verankert wird. Dennoch gibt es auf Seiten der Politik Bestrebungen, die Grundsätze von CSR, Good Governance und Transparency gesetzlich auszuformulieren. Damit ist natürlich einerseits wieder die Orientierung für alle gewährleistet, andererseits müssen aber immer weitere Vorschriften entwickelt werden, weil es sich um dynamischen Prozess handelt, der sogar durch Gesetzgebungsakte behindert werden könnte. So erscheint die Verrechtlichung kontraproduktiv und führt zur einer eher resignativen Haltung des Menschen unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Müssens, statt des freiheitlichen Bejahens und Wollens bei der Gestaltung unseres Zusammenlebens.
Es ist daher zu untersuchen, ob es nicht sinnvoll ist, einem dynamischen Entwicklungsprozess in unserer Gesellschaft den Vorrang vor der Aufstellung immer weiterer Rechtsregeln zu geben und diese sogar an der einen oder anderen Stelle zurückzubauen, um dadurch das Verantwortungsgefühl des Bürgers als Souverän zu stärken und seine Freiheit zu erhalten.
Der Schutz des Opfers ist in der Bundesrepublik Deutschland kein integraler Bestandteil der Strafrechtsordnung. Dies ist historisch bedingt und beruht unter anderem darauf, dass im Strafprozessrecht das Inquisitionsprinzip und nicht die Verhandlungsmaxime gilt. Im Strafprozess wird die Täter-Opfer-Beziehung nur unter Schuldgesichtspunkten untersucht und prinzipiell nicht darauf geachtet, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich stattfindet. Die Tat wird gesühnt als ein Anspruch des Staates gegenüber dem Täter. Vorteil einer solchen Betrachtung ist es, dass Vergeltungs- und Rachegedanken des Opfers keine Rolle spielen bei der strafrechtlichen Würdigung, andererseits bleibt der Verlust an Lebensqualität und Schmerz des Opfers erhalten, wenn es nicht seine persönliche Genugtuung alleine im möglichen hohen Strafmaß verwirklicht sieht. Aber auch das ist problematisch, weil das Opfer in der Regel keinerlei Einfluss auf das Strafmaß hat. Aus prozessualer Sicht ist daher zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Position des Opfers zu stärken, zum Beispiel in einem Ausbau des Schadensersatzrechts im Nebenklageverfahren. Unsere prozessuale Strafrechtsverordnung insgesamt aufzugeben zugunsten von Opferausgleichsregelungen, wie sie zum Beispiel mit bei der Scharia gegeben sind, wird in Deutschland kaum Anklang finden. Aber, die Genugtuungsfunktion des Strafrechts auch als Befriedungsmoment des Opfers mit dem Täter in unserer Gesellschaft sollte verstärkt werden.
Opferschutz muss auch bereits vor der Tat einsetzen, und zwar schon im sprachlichen Umgang mit dem Wort Opfer. Jugendliche stellen Opfer in ihrer Umgangssprache als Verlierer dar und selbst die Gesellschaft hat ein zwiespältiges Verhältnis zu den Opfern. Das Opfer hat irgendwie auch immer eine gewisse Schuld. Das gängige Motto lautet: „ohne Ruß kein Feuer“, also irgendeine Provokation muss das Opfer mit der Tat verbinden. Wichtig erscheint es daher in der Gesellschaft selbst, eine Opferdebatte zu führen, die nicht die bereits begangene Tat in den Vordergrund stellt, sondern die Gefahr benennt, jeder könne Opfer werden und wir sollten uns bei Zeiten gegen diesen potentiellen Opferstatus wehren. Opfer sollten zur Bekräftigung der gesellschaftlichen Solidarität aus einem Gemeinfonds entschädigt werden. Der Fonds holt sich anschließend vom Täter aus eigenem Recht den erbrachten Aufwand wieder zurück. Damit wird jedem Bürger unserer Gesellschaft deutlich, dass er selbst sozusagen einen eigenen finanziellen Beitrag gegenüber dem Opfer erbracht hat, dass er schließlich selbst auch einmal sein könnte. Vielleicht ließe sich dies durch eine Sonderabgabe in den Opferfonds gestalten.
Um Opfer nachhaltig zu schützen, ist schließlich Gewaltprävention und überhaupt Tatprävention erforderlich. Sicherheit und Ordnung wird geschaffen einerseits durch die dafür zuständigen Polizei- und Sicherungsorgane, andererseits aber auch durch Verstärkung der Aufklärungsprozesse und Verhinderung der Verharmlosung von Gewalt, zum Beispiel das Anzünden von Autos begüteter Mitbürger und Straßenkämpfe, seien es in Berlin-Kreuzberg, Paris oder London. Hierfür gibt es zwar immer dargestellte und teilweise auch nachvollziehbare Ursachen, aber es sind dennoch klare Reaktionen unserer Gesellschaft erforderlich, die eindeutig auf die Provokation unseres Rechtsstaats reagieren und für derartige Vorkommnisse kein Verständnis zeigen und verhindern, dass schlimme Beispiele Schule machen.
Der Staat und weiteren hierzu berufenden Organe erlassen Gesetze und Rechtsvorschriften, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch beachtet werden sollen. Um diesen Beachtung herbeizuführen, ist Mehrfaches erforderlich:
– Verständlichkeit der Rechtsvorschrift
– Bereitschaft, die Rechtsvorschrift anzunehmen
– für den Fall, dass diese Bereitschaft nicht besteht,
die entsprechenden Machtmittel einzusetzen,
um der Rechtsvorschrift Geltung zu verschaffen.
Es ist festzustellen, dass der Rechtsbeachtungswille in unserer Gesellschaft merklich schwindet. Viele Menschen können den Sinn und Nutzen von Rechtsvorschriften heute kaum mehr nachvollziehen, weil sie in Sprache, Inhalt und Abstraktion sehr kompliziert sind und oft einer anderen Welt entstammen. Zudem steht oft ihr eigenes Judiz nicht in Übereinklang mit etlichen Vorschriften und Gesetzen, die in der Retorte entworfen zu sein scheinen. Damit schwindet auch die Bereitschaft, Rechtsvorschriften zu beachten. Sie erscheinen lästig und provozieren dazu, Schlupflöcher zu finden oder sie insgesamt zu ignorieren bzw. im eigenen Sinne und Interesse zu interpretieren. Wer Gelegenheit hat, dies zudem ungestraft zu tun, nützt häufig auch seine Möglichkeiten, weil es ihm nicht nur Vorteile verschafft, sondern sogar auch eine gewisse Anerkennung in unserer Gesellschaft. Dabei spielt dem Rechtsbindungsunwilligen in die Hände, dass Gesetze und Rechtsvorschriften meist schwerfällig und lebensfremd daherkommen, wogegen Lebenssachverhalte einer steten Veränderung ausgesetzt sind. Diese Veränderungen sowohl im kleinen privaten Bereich, als auch im Staat und im EU-Raum führen dazu, dass nicht nur Bürger, sondern Staaten selbst sich oft nicht mehr an ihre eigenen Gesetze oder gemeinsam mit anderen zum Beispiel im EU-Raum geschaffenen Rechtsvorschriften halten, sondern diese nach Tagesopportunität ignorieren bzw. übertreten. Das Große ist hier Beispiel für das Kleine, denken wir zum Beispiel an den Verkehr auf unseren Straßen, das permanente Ignorieren sämtlicher Rechtsvorschriften durch Radfahrer auf Überwegen und Bürgersteigen. Was der eine kann, kann ich schon lange und „führt zur schleichenden Erosion unserer Rechtsordnung“.
Es sollte untersucht werden, zu welchen Konsequenzen dies in unserer Gesellschaft führt und welche Möglichkeiten ergriffen werden könnten, um den rechtlichen Selbstbindungswillen der Bürger und der weiteren staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen wiederherzustellen und zu festigen.
Die Gestaltungsmacht leitet der Staat vom Bürger als seinen Souverän ab. Die Würde des Menschen und sein eigenes Selbstbildnis beweist dessen Einzigartigkeit und gewährleistet, dass er als Individuum und in der Gemeinschaft seine persönliche Freiheit leben kann, soweit er nicht mit den Rechten anderer, Gesetzen und Rechtsvorschriften, kollidiert und bereit ist, die Würde anderer Menschen ebenfalls zu respektieren.
Die Freiheit des Denkens und Handelns eröffnet dem Bürger einen allumfassenden Gestaltungsraum und verweist den Staat insoweit in eine subsidiäre Position. Es ist erforderlich, dass unsere Gesellschaft in einen Diskurs über den weiteren Ausbau bürgerschaftlicher Verantwortung eintritt und dabei auslotet, welche Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft dafür geschaffen werden sollten bzw. müssten, um die Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements zu erweitern und zu stärken. Dabei geht es einerseits um die staatliche Förderung durch Steuerentlastungen philanthropischer Einrichtungen, die sukzessive staatliche Aufgaben übernehmen, Patenschaften und Ehrenämter, andererseits aber auch sozusagen parallel zur wahren Wirtschaft darum philanthropische Produkte zu entwickeln, für die schon heute Nachfrage und Absatz optimiert werden müssten.
In Bereichen, in denen sich der Staat zurückzieht, ist der Bürger gefragt. Sein Engagement ist zwar schon heute beträchtlich, aber eine Optimierung durch staatliche Anerkennung und soziale Implementierung in der Gesellschaft steht noch aus. Dieser Diskurs muss verstärkt werde. An geänderte Lebenssachverhalte angepasste Entwicklungsprozesse in unserer Gesellschaft sind nicht neu, sondern selbstverständlich. Allerdings verlaufen diese nicht linear, sondern im gleichen Maße, wie sich zum Beispiel die Weltbevölkerung potenziert, stellen sich die Herausforderungen an unsere Gesellschaft auch einer neuen Dynamik. Die Haltung des Menschen bei der Beurteilung des Richtigen und Falschen darf dabei nicht vernachlässigt werden, aber die Ausgestaltung stellt Bürger, Staat und auch die supranationale Gemeinschaft vor Aufgaben, die viel komplexer sind als sie jemals waren und daher auch nur in einer umfassenden Betrachtung aller Chancen und Möglichkeiten gelöst werden können. Jedes Regelwerk muss konsequent das umfassende Ziel mitberücksichtigen und die Zukunft als Vision benennen.
Die dann folgende Ausarbeitung umfassender rechtlicher Rahmenbedingungen für künftige Lebensgestaltung stellen nicht nur in Deutschland staatliche und supranationale Einrichtungen vor große, nur interdisziplinär und auch nur in einem „Vertrag mit dem Bürger“ zu lösende Herausforderungen.
Ergebnis eines komplexen Untersuchungsprozesses soll es sein, Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, an welcher Stelle mit welcher Richtungsweisung politische Einrichtungen Impulse setzen können, um Gesetzgebungsinitiativen im nationalen und supranationalen als auch im europäischen Raum auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten. So kann die rechtspolitische Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung sach- und zielorientiert weiterentwickelt werden und Grundlage sein für einen gesellschaftlichen Diskurs, der weit über augenblickliche politische Rahmenbedingungen und systemerhaltende Gesetzgebungsvorhaben hinausreicht.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski