Archiv für den Monat: August 2016

Sein oder nicht sein, das ist die Frage

Philosophen und Wissenschaftler arbeiten sich an der Frage ab, wie es geschehen konnte, dass Materie entstand, ohne gleich wieder durch Antimaterie verschlungen zu werden. Der ewige Dualismus von Sein und Nichtsein, von Etwas und Nichts, beschäftigt uns.

Dieser Dualismus, dieses Wissen darum, dass man das, was man eingeschaltet hat, auch wieder ausschalten kann, hält unser Gemüt im Gleichgewicht. Und nun zu uns selbst? Unsere Erde, alle Planeten des Weltraums, alles wurde irgendwann vorhandengemacht, eingeschaltet und der Ausschalter verloren?

Dieser verlorene Ausschalter ist die Antimaterie, die in der Beschleunigungsanlage Cern auftaucht, aber auch in unseren Spekulationen und sich möglicherweise in den Weiten eines unvorstellbar großen Weltraums verloren hat. Im Urknall ist uns die Antimaterie abhandengekommen. Für immer? Vielleicht, ausdenken können wir uns dabei alles. Wir können zum Beispiel bedenken, dass die Antimaterie sich in der Materie spiegelt, sozusagen seitenverkehrt oder voneinander abstoßend, wie Magneten, die gleichgepolt sind.

Jeder Turnaround von Materie in Antimaterie würde uns dann vernichten. Es ist so einfach, sich diese Welt und die Ungeheuerlichkeit des Weltraumes auszudenken und mit der Vorstellung zu leben, dass jede Implosion nach dem Urknall alles verschwinden lässt und dem Nichts keine Erkenntnisfähigkeit des Etwas überlässt. Bis zum nächsten Urknall und den Folgenden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußball

Aus, aus, das Spiel ist aus! Deutschland ist nicht Europameister des Jahres 2016. Ach herje, schlimm, aber eigentlich auch nur Nebensache. 90 Minuten lang spielen 22 Spieler mit einem Ball, den sie ohne Hände über das Spielfeld treiben und in der Regel nicht mehr als ein bis zwei Tore schießen. Langweilig? Nein, keineswegs.

Das ist kein Spiel. Das ist Kampf und der Rasen das Schlachtfeld. Es geht um Verteidigung und Angriff. Manchmal gibt es Sieger und Verlierer, oft Beides. Richtige Schlachten sind zu unübersichtlich, als dass man immer genau weiß, woran man ist. Bei Schlachten, die auf 90 Minuten getaktet sind, sowie noch eine Erfrischungspause zur Halbzeit aufweisen, ist das genau das Gegenteil. Jeder Stratege auf der Zuschauertribüne oder vor dem Fernseher kann mitreden und Vorschläge machen. Würden sie aber berücksichtigt, wäre das Chaos groß.

Es wird die Zeit kommen, dass sekundenschnell über Spielzüge per Twitter abgestimmt und die Kommandos der größeren Mehrheit an Zuschauern an die Spieler weitergegeben werden. Dann erfährt das Fußballspiel seine ultimative demokratische Legitimation.

Fußball spielen, ist keineswegs ungefährlich. Es gibt Blessuren, aber wenn nach 90 Minuten alles vorbei ist, können Wunden wieder heilen, die körperlichen und auch die seelischen. Das dauert seine Zeit. Wenn Deutschland im Halbfinale gegen Frankreich trotz des besseren Spiels verliert, ist das zwar keine Schande, aber unendlich schmerzlich. Erst etwa 1 ½ Stunden zuvor erklang noch die Nationalhymne, war die Überlegenheit des Weltmeisters greifbare Realität, dann diese Niederlage. Ein Tor und das Aus.

Berlin blieb ruhig und versank in Wehmut. Verzweifelte Ruhe breitete sich im ganzen Land aus. Wenn schon die weniger enthusiastischen Fußballgelegenheitszuschauer sich eintrüben lassen, wie geht es dann denjenigen, denen Fußball alles bedeutet? Ihre Trostlosigkeit kann nur mit dem Versprechen weiterer glanzvoller Spiele und damit kompensiert werden, dass auch ein gnädiger Fußballgott aus jeder Niederlage einen Sieg zu zaubern vermag. Versprochen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sprache

Sprache ist eine Ausdrucksform. Jede Geste ist auch Sprache. Sprache ist an Worte nicht gebunden. Sie erleichtern aber zuweilen die Kommunikation im gleichen Ausdrucksbereich. Kein Sprachausdruck ist eindeutig. Die Sprache ist ein Wahrnehmungsmoment des Sprechenden und des Empfängers. Die Resonanz zwischen Sprechendem und dem Hörenden sind Näherungen, aber keine Übereinstimmungen. Der empfängerorientiere Sprechende hofft, dass dieser ihn verstehen möge.

Den selbstverliebt Sprechenden oder Gestikulierenden entgeht jede Resonanz, zumal dann, wenn der angebliche Empfänger selbst nur Sender ist. Sprache und Gesten können so ihren Sinn verfehlen, zum Austausch beizutragen und ein Ergebnis des Dialogs zu erarbeiten.

Je einfacher die Sprache, desto überschaubarer die Wirkung. Komplexe sprachliche Aussagen schärfen zwar zum einen Aufmerksamkeit, provozieren aber auch Missverständnisse, die dann geklärt werden sollten, um den falschen Eindruck zu korrigieren. Falscher Eindruck? Korrekturmöglichkeiten nach Opportunität und Belieben? Viele von uns wünschen sich dies. Keine Eindeutigkeiten, sich nicht festlegen zu müssen, ist oft gewünscht. Sprache ist bekanntlich nicht nur das Phänomen eines Kulturkreises.

Es ist daher oft versucht worden, das weltweit Verbindliche auch in der Sprache darzustellen. Doch Esperanto ist noch Wunschdenken. Bei den vielen Völkern, die inzwischen zu uns gekommen sind, leiden wir zwar einerseits wechselseitig unter der mangelnden Verständigungsmöglichkeit, andererseits erfahren wir aber eine Ausweitung unseres Sprachvermögens nicht nur begrifflich, sondern als steten Zufluss von Gesten und Verhaltensweisen, die unsere Sprache positiv verändern werden. Das haben andere Sprachen auch getan, das Französische, das Holländische, das Polnische, das Jüdische, das Englische und jetzt die globale sprachliche Herausforderung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Die Sicht der Dinge

Alle Ereignisse dieser Welt ereilt das gleiche Schicksal. Sie werden beschrieben. Die Ereignisse erhalten ihre Körperlichkeit durch ausführliche Schilderung ihres Volumens, ihres Charakters, ihres Geschmacks, ihres Duftes oder Gestanks.

Die multimediale Reproduktion des Ereignisses geht folgendermaßen vonstatten. Jedes Ereignis hat in der Regel eine emotionale Seite, die verbunden mit den Adjektiven der Sympathie oder Antipathie einen Kokon um das Ereignis spinnt. Schließlich werden mit jedem Ereignis Menschen in Verbindung gebracht als handelnde Personen, die positiv oder negativ konnotiert sind. So wird das eher landläufige Ereignis medial veredelt, damit es sich für jede Bühne eignet. Von Sympathisanten und/oder Kritikern wird das Ereignis mit Fragen und Antworten gedehnt, beschossen, vielfältig dargestellt, abgebildet, abgelichtet und eingeordnet.

Dem Ereignis wird meist die Frage nach dem Grund und seinen Ursachen versagt. So ist es z. B. erklärbar, dass die Einen als Kriegstreiber bezeichnet werden, die Anderen als Friedensbewahrer. Einige halten einen Krieg nicht für opportun, die Anderen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht für gerechtfertigt. Es werden Befürworter aufgeboten und Gegner. Sie tauschen ihre geschliffenen oder plumpen Argumente aus, Gründe für und wider einen Krieg werden ausdrücklich genannt und dabei verschleiert, was es zu untersuchen gilt bzw. was nicht untersucht werden kann, weil die Fähigkeiten hierzu fehlen. Weshalb ereignet sich ein bestimmtes Ereignis? Worauf beruht es, dass der Mensch einen Krieg führen will und hierfür Vorwände schafft? Worauf beruht es, dass andere einen Krieg verhindern wollen? Um in der Tiefe eine Antwort zu erfahren, müssten die Menschen eine Reise ins „Ich“ unternehmen. Diese ist beschwerlich und problematisch. Wäre die Antwort denn so verheerend, dass Krieg zu uns gehört wie unsere täglichen Bedürfnisse nach Essen und Trinken? Wäre es nicht besser, tief in unserem Innersten zu wühlen, um das ganze Ausmaß unserer Verdrängungen festzustellen und daraus dann die richtigen Schlüsse zu ziehen?

Wir sind leider nicht suchend, sondern stets nur findend. Ein schnelles Ergebnis ziehen wir jederzeit einem komplexen Gedanken vor.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

I have a dream

I have a dream, so beschwor Martin Luther King 1963 seine amerikanischen Landsleute, damit sie sich bewegen, einen Ruck geben in Richtung Gleichheit, Freiheit und Würde aller Menschen, ganz egal, wie sie aussehen und woher sie kommen. Martin Luther King wurde ermordet und mehr als 40 Jahre später wird in den USA weiter gemordet, die andere Hautfarbe genügt.

Der Aktion auf der einen Seite folgt die Reaktion auf der anderen Seite, ermordete Polizeibeamte und dann wieder dunkelhäutige Menschen usw. Der amtierende Präsident Obama ruft zur Versöhnung auf und sein zukünftiger potenzieller Nachfolger Trump kündigt an, alle diejenigen aus den USA zu vertreiben und mundtot zu machen, die nicht seiner Meinung sind.

Da findet er sich in guter Übereinstimmung mit weiteren Autokraten dieser Welt, die Demokratie als Rekrutierungsveranstaltung für ihre eigenen Gefolgsleute sehen. Wenn diese die Todesstrafe wollen, dann führen wir sie halt ein. Richter weg, Staatsanwälte weg. Die große Säuberung ist allenthalben angesagt. Auf ein paar Tote kommt es dabei nicht an. Die sind doch nur Kollateralschaden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Unternehmensführung

Neulich las ich in der „ZEIT“ in einem Interview des russischen Schriftstellers Dmitry Glukhovsky den bemerkenswerten Satz, dass Putin Russland wie seine Firma leite. Das glaube ich nicht. Russland ist kein KMU und Putin allenfalls ein Patriarch der alten Schule.

Heute funktioniert Unternehmensführung eher so, dass Unternehmensziele definiert werden und einer Prüfung durch den Aufsichtsrat unterzogen werden müssen. Die hierarchischen Strukturen  sind in der Regel eher flach und es wird das Leistungsvermögen sämtlicher Mitarbeiter in das unternehmerische Kalkül mit einbezogen.

Wir wissen natürlich sehr wenig von Russland und dessen unternehmerischen Verwaltungsstrukturen, müssen aber befürchten, dass wie auch bei anderen Unternehmen weltweit die die Rendite erzeugenden Prozesse undurchsichtig sind. Dies ist im Übrigen in vielen Unternehmen festzustellen und beruht auf Folgendem: Auch wenn viele Unternehmen Tochterfirmen haben und die unterschiedlichsten Produkte entwickeln, ist es innerhalb des jeweiligen Unternehmens so, dass das einzigartige Projekt im Vordergrund steht und sich die gesamte Anstrengung darauf richtet, dieses zu entwickeln, herzustellen und zu vertreiben.

Da dies als ein einziger Prozess angesehen wird, versäumen die Verantwortlichen meist, die verantwortlichen Abteilungen so voneinander abzugrenzen, dass sie die Kosten preiswahr und klar an die nächste Stufe weitergeben und transparent machen, was das Produkt, dessen Nutzen noch nicht einmal gesichert feststeht, das Unternehmen kostet. Würde Kostentransparenz und planvolles Vorgehen die Unternehmensagenda bestimmen, so würde manches ehrgeizige Projekt auch in staatsunternehmerischer Sicht vielleicht frühzeitiger beendet. Wenn es brenzlig wird, ist schon mancher Vorstand mit der Firmenkasse durchgebrannt oder hat sich fürstlich abfinden lassen. VW ist reich. Da mag das noch gehen. Das Unternehmen wird den Skandal überleben. Russland auch.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Grundeinkommen

Neulich las ich, dass sich Arbeitnehmer in den USA aus dem Arbeitsleben dadurch verab­schieden, dass sie gezwungen werden, ihren preisgünstigeren Nachfolger einzuarbeiten, um alsdann gefeuert zu werden. Inzwischen habe ich gehört, dass diese Arbeitnehmereliminie­rungsstrategie nicht nur in den USA, sondern auch in Europa praktiziert wird.

Für eine Zeit werden sich immer Optimierungsprozesse zu Lasten der Arbeitnehmer finden lassen. Dann sind zuletzt die Optimierer dran. Ja, es wird soweit kommen. Die Mehrzahl der potenziell arbeitsfähigen Menschen auf dieser Welt kann dann weder durch Verstand, noch durch den Einsatz ihrer Hände zu ihrem Einkommen beitragen. Es fehlt an Arbeit und zudem ist es für jedes Unternehmen günstiger, keine Arbeitnehmer mehr zu beschäftigen, die sich gewerkschaftlich organisieren oder sonst irgendwie zur betrieblichen Unruhe beitragen.

Da aber Produkte entstehen und diese vertrieben werden müssen, Renditen wachsen und das vor­handene Geld wieder ausgegeben werden soll, bleibt ein gesellschaftlicher Plan der Neu­verteilung von Geldmengen unausweichlich. Jeder, der sich angepasst und ruhig verhält, könnte künftig einen Anspruch auf eine Zuwendung haben, die staatlich kontrolliert ihm Gele­genheit gibt, seine Überlebensbedürfnisse zu sichern.

Dieser Deckungsbeitrag wird heute schon unter dem Gesichtspunkt des Grundeinkommens diskutiert. Derjenige, der Grundein­kommen bezieht und sich unauffällig verhält, muss nichts befürchten, solange er bereit ist, das Eingenommene auch wieder auszugeben. In diesem System ist der Mensch sozusagen der Durchlauferhitzer für Wirtschaft und Staat und schafft die beruhigende Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaft störungsfrei weiter wachsen kann und der Staat die Verteilungsoberhoheit behält.

Aber selbst dann, wenn diese Macht nicht missbraucht wird, bleibt eine andere bisher nicht beantwortete Herausforderung für unsere Gesellschaft. Diese besteht darin, dass der arbeitslose Mensch keine Beschäftigung mehr hat und sich in Ermangelung und Selbsterpro­bung zur Sicherung des Lebensunterhalts in kämpferische, religiöse oder nihilistische Aben­teuer stürzt. Ob dann die Rechnung für unsere Gesellschaft noch aufgeht, ist sehr fraglich. Möglicherweise wäre es besser gewesen, dem Menschen die Gelegenheit zu erhalten, zu sei­nem eigenen Lebenseinkommen mit beizutragen, anstatt nur lästig zu werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Theatergespräche

Neulich nahm ich an einer Theaterveranstaltung im Deutschen Theater in Berlin teil. Der Name des zur Aufführung gebrachten Stückes lautet: „Ein Gespräch über Kürbisse“. Die Zuschauer saßen im Kreis um eine Drehscheibe. In der Mitte der Drehscheibe war ein Teleskop installiert. Zwei Frauen nahmen an dem Tisch Platz, unterhielten sich zunächst über Reiseziele und später über die persönliche Vergangenheit und Zukunft. Um was es dabei genau ging, konnte ich allerdings nicht mitbekommen, weil die Drehscheibe etwas knarrte und quietschte und die Frauen auf der Drehscheibe sich entweder entfernten oder sich wieder annäherten. Waren sie weg, konnte ich sie nicht verstehen, kamen sie wieder, hatte ich den Zusammenhang ihres Gesprächs vergessen.

Gerade auch deshalb bemühte ich mich, noch eindringlicher zu begreifen, was der Sinn des Ganzen sein sollte. Vielleicht war es so, theatralisch zu verdeutlichen, dass es völlig egal ist, was die Menschen sagen. Theater halt. Dabei erinnere ich mich an eine Information aus einem anderen Theaterbereich des Lebens: Gesprächsbedarf zwei junger Menschen, die zwar im selben Ort, aber nicht im gleichen Haus wohnen. Telefonieren sie etwa miteinander? Nein. Sie schicken sich wechselseitig Sprachnachrichten.

Ist das die Zukunft? Sitzen dann nicht einmal mehr zwei Frauen am Tisch, erleben die Zentrifugalkraft der Drehscheibe und entwickeln aus dem gesprochenen Nichts einen Skandal? Die Zukunft sieht so aus: Sie sitzen in verschiedenen Theatern und schicken sich Sprachnachrichten, die natürlich auch missverstanden werden können und Empörungen hervorrufen.

Aber, wenn es zum Schlimmsten kommt: ein Klick und der Andere ist weg. Spiegelneuronen? Gestik, Mimik, Umarmung und Tränen? Alles nicht die Zukunft. Eher programmierte Sprachmaschinen, die wissen, worauf es ankommt und was der Andere hören will bzw. stellvertretend mit diesem abrechnet, wenn das gewünscht ist.

Jeder Nutzer dieser Sprach-Apps ist fein raus. Jederzeit lässt sich sagen, der Rechner habe sich selbstständig gemacht oder sei falsch programmiert. Alles ist möglich, man muss es nur nicht mehr selbst wirklich tun. Was für eine Leichtigkeit, die sich mühelos auf die menschliche Begegnung insgesamt übertragen ließe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Horizonterweiterung

Wir sind, wer wir sind. Mit unseren Nöten, Sorgen, Befürchtungen, Neid, Angst und Hoffnungen. Es ist naheliegend, dass wir mit dem, was uns zur Verfügung steht, unsere Welt basteln. Die große Welt soll dann unserer kleinen zumindest ähneln. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Wir wissen, dass das Menschenzeitalter nur mit Veränderungen zu bestehen ist und wir die Überschreitung selbstgezogener Grenzen als wichtige Voraussetzung für unser Weiterleben ansehen. Wir sind „wir“ und vermögen mehr, als wir gelegentlich vorgeben, um Überforderungen zu vermeiden. Ja, feige sind wir auch und delegieren Aufgaben lieber an andere, als uns selbst anzustrengen. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Wir greifen ein, um uns zu schützen, zuweilen greifen wir an, um unsere Möglichkeiten zu erweitern. Wir sind nicht auf eine Rolle festgelegt.

Wir können lieben und hassen, uns verständigen oder streiten. Alles steht uns zur Verfügung und wir nutzen das Angebot nach Maßgaben, deren Sinn uns oft im Augenblick des Handelns noch verborgen ist. Wir erweitern unseren Horizont aus Neugier oder Zwangsläufigkeit.

Es gibt in diesem Menschenalter nichts, das uns unmöglich erscheint, sondern ganz im Gegenteil. Erschreckenderweise haben wir festgestellt und stellen immer wieder fest, dass es keinerlei Tabus gibt. Wir stellen auch fest, dass unser Vorstellungsvermögen im Hinblick auf das, was wir anrichten, wächst. Wir stehen in einer ständigen Überprüfung und müssen uns rechtfertigen vor den Regeln, die dafür gelten, dass dieses Menschenzeitalter gelingt. „Hinterm Horizont, da geht es weiter“, so heißt es im Lied. Es sind nur Vorläufigkeiten, die unsere kurzen Lebensabschnitte prägen, für die wir aber Verantwortung tragen, um das Gelingen des Ganzen auch in der Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder zu gewährleisten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Organismus

Bei Gesellschaften heißen die handelnden Persönlichkeiten Organe. Einzelne Körperteile des Menschen werden ebenfalls als Organe bezeichnet. Für unser Zusammenleben haben wir den Begriff Organismus geprägt. Organe organisieren im Mikro- und Makrokosmos.

Selbst in der winzigsten Zellstruktur organisieren sich Moleküle und sorgen für deren Erhalten, kommunizieren aber mit den Organen anderer Zellen zum wechselseitigen Nutzen. So verhält es sich wohl auch in den Gehirnzellen der Menschen, wobei das Produkt der Zellen nicht nur geordnete Bewegungsabläufe produzieren, sondern auch Entschlüsse, Entscheidungen und Irrtümer.

Die in den Gehirnzellen operierenden Organe benötigen Informationen, die es ihnen erlauben, möglichst nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. Deshalb ist zur Ausbilanzierung der Gehirnaktivitäten Heilung und Erneuerung, Zuführung von Energie, Erholung, Regeneration, Stärkung des Selbstvertrauens, Verantwortung, Zuversicht, die Ausgewogenheit emotionaler und rationaler Argumente von großer Bedeutung.

Der Mensch muss sich auf sich, d. h. auf die Organe bis in seine kleinste Zelle hinein verlassen können. Der Makrokosmos spiegelt sich im Mikrokosmos. Auch hier gilt, dass handelnde gesellschaftliche Organe mit anderen kooperieren, für Erneuerungen und Zufuhr von Energie sorgen, um ausgewogene Entscheidungen zu treffen, die dem ganzen Körper, heißt dem Volke und letztlich der Menschheit dienen. Planwidriges Agieren einzelner Organe führt zur Isolation und zur Entwicklung eines Krebsgeschwürs, welches alles wieder austrocknet oder den Patienten sterben lässt. Davon hat dann final keiner mehr etwas.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski