Archiv für den Monat: September 2016

Hauptsache, wir haben Spaß

Was uns internatio­nal und national inzwischen angeboten wird, scheint den Rahmen des verständlichen Irrsinns zu sprengen. Aber dennoch schauen wir interessiert zu und warten auf immer neue unterhaltsame Varianten. Ein dazu passender Werbespruch lautet: Hauptsache, ihr habt Spaß. Ja, mit Pokemon, IS und Erdogan lässt sich viel Spaß haben. Dann dieser Spaßvogel Trump aus den USA und unser neuer britischer Außenminister Johnson.

Ein Zirkus und es scheint mir, als wäre es verwerflich, überhaupt noch einen Gegenentwurf zu entwickeln. Allenthalben Beschwichti­gungen und Appelle: Die Rechtsstaatlichkeit muss gewahrt bleiben, die Wirtschaft dürfe nicht leiden und auch weder Schnecken noch Fledermäuse. Überhaupt scheint sich die traditionelle Demokratie der Repräsentation und der Gewaltenteilung auf dem Rückzug zu befinden, be­gleitet vom nächtlichen Applaus der Bürger und verunsicherten Politikern.

Erdogan ist sich sicher, die Mehrheit seiner Türken steht hinter ihm. Na klar, jetzt sind sie dran und dürfen mit präsidialer Ermächtigung losziehen, um es anderen so richtig zu besorgen, insbesondere den Intellektuellen und Weintrinkern. Der Kater dann irgendwann, wie in Venezuela. Next Generation! Gibt der Minderheit gar keine Rechte mehr. Das ist türkische Politik. Verbau der Mehrheit künftig alle Möglichkeiten und Rechte. Das ist britische Politik, auch sehr demokratisch. 35 % alter Män­ner in Großbritannien schaffen an einem Donnerstag flux die Errungenschaften von Jahr­zehnten ab und lassen die Zukunft überhaupt nicht zu Wort kommen.

Ich bin für die Einfüh­rung des Kinderwahlrechts. Hätten die Eltern in Großbritannien Gelegenheit gehabt, verant­wortungsvoll die Stimmen ihrer Kinder wahrzunehmen, ein Brexit wäre niemals geschehen. Wie doof müssen wir eigentlich noch werden, ohne Policies zu entwickeln, die eine eigene strategische Handschrift aufweisen. Ob dies die Türkei betrifft, Russland oder die USA? Ja, es geht uns gut und feiern ist ja auch sehr schön. Noch.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zumutung als Herausforderung

(…)
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
(…)

So heißt es im „Abendlied“ von Matthias Claudius. Schlaf als Bitte für sich und andere. Ver­ständlich, wenn man bedenkt, was Schlaf zu bewegen vermag. Schlaf erfrischt, schlaf heilt, schlaf verarbeitet Erlebtes zu handhabbaren Mustern, behütet den Erwachenden von den glei­chen Fehlern des Vortages und schont damit andere auch.

Finde ich nicht mehr in den Schlaf, fürchte Strafen nicht und ist mir auch mein Nachbar völlig gleichgültig, dann lebe ich in der Zumutung einer Freiheit, die Konsequenzen hat. Ich darf mich auf Kosten anderer bereichern, ohne eine soziale Stigmatisierung befürchten zu müssen. Bedenklicher ist, dass auch der schamloseste Missbrauch der mir anvertrauten Macht Bewunderung auslöst. Ich fördere künftig nur denje­nigen, der mir nützt und investiere auch nur dort, wo ich mit einem Gewinn rechnen kann. Von wegen Gier. Ich bin doch nur Realist.

Es ist so einfach, sich vor sich selbst zu rechtferti­gen ohne abwägen zu müssen zwischen eigenem Verhalten und mitmenschlicher Herausfor­derung. Es ist so einfach, anderen die Schuld für ihr missglücktes Leben allein zuzuweisen, wie von den Schwächeren die Stärkeren oft für ihr eigenes Missgeschick verantwortlich ge­macht werden.

Es ist leicht zu durchschauen, wenn wir nur so tun, als ging uns das Leid ande­rer Menschen etwas an. Es ist ein geringes Opfer und zeugt oft von großer Eitelkeit, etwas zu spenden, dies zu publizieren und dabei zu verschweigen, dass es doch eher um steuerliche Vorteile geht. Gesellschaftliche Verantwortung kann man nicht erzwingen, auch nicht durch angeordnete Umverteilung. Der Weg dorthin führt nur über Patriotismus und die Bereitschaft, Vorbild zu werden, um mit Demut sich zuzumuten, anderen Menschen den Schlaf zu ermög­lichen und sie dabei vor Schlimmem zu behüten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

In sich selbst verreisen

In sich selbst verreisen, geht das? Was ist damit gemeint? In der Regel reisen wir gerne, erkunden auch fremde Länder, fremde Kontinente. Was sollte uns dann daran hindern, uns selbst zu bereisen, uns selbst kennenzulernen? Warum sollten wir dies aber tun, da wir uns in der Regel nicht als fremd empfinden, sondern als bekannt und jederzeit für uns selbst zugänglich. Wir erfahren über Umwege, dass die Selbstwahrnehmung nicht mit der übereinstimmt, wie andere uns wahrnehmen. Wir sind daher dazu geneigt, uns zu erklären, anderen es so zu vermitteln, als seien wir mit uns selbst eins. Wir können damit einigermaßen gut leben, denn jeder behauptet von sich, das Eine, das Andere werde unterschlagen.

Kann ich mich denn aber selbst kennenlernen, um mehr über mich zu erfahren und dadurch zu verhindern, dass ich mir meiner überhaupt nicht sicher bin? Ja, das geht. Ich bin in der Lage, in mich selbst zu verreisen, in jeden Teil meines Körpers, um mit Schmerzen und Krankheiten zu sprechen, sie kennenzulernen und Hilfe anzubieten, wo es erforderlich ist.

Wie ich meinen Körper bereisen und inspizieren kann, kann ich dies auch mit meinen Gedanken und Gefühlen handhaben, sie auch als Fremder betrachten, kennenlernen, Erfahrungen sammeln und Entscheidungen treffen. Dieser Prozess kann bewusst gestaltet werden, ohne stete Selbstvergewisserung, denn unser Geist ist ständig bei der Arbeit, ob wir dies wahrnehmen oder nicht. Wenn wir darauf vertrauen, lohnen sich unsere Reisen zu uns selbst. Wir lernen aufregende Neuigkeiten kennen und können uns schließlich unserer Identität versichern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Tyrannis

Einmal unterstellt, jeder Leser kennt die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern. Er ist nackt, aber der Schneider hat ihm eingeredet, die feinste Kleidung zu tragen, so dass er das nicht nur selbst glaubte, sondern seine Vorstellung, angezogen zu sein, auch als Gebot verkündete, damit auch keiner daran zu zweifeln gedenke. Wer es dennoch tat, musste mit schlimmsten Konsequenzen rechnen. Was hat diese Geschichte mit uns zu tun?

Alles. Jeder von uns Menschen ist nackt und bloß, ob Arbeiter, Handwerker, Intellektueller, Politiker oder Künstler. Der Unterschied ist nur, ob wir uns zu unserer Nacktheit bekennen oder behaupten, bekleidet zu sein und andere dazu zwingen, dies ebenso zu sehen. Gemeint ist natürlich nicht die Nacktheit im tatsächlichen Sinne, sondern metaphorisch. Um unsere Nacktheit zu verbergen, hängen wir uns Mäntel um, von denen wir behaupten, sie seien Schutzpanzer. Ihre Beschaffenheit ist jedoch das Gefühl von Angst, Trostlosigkeit, Unruhe, Allmachtsfantasien, Kleinmut und Überlegenheit.

Der Zuschnitt der Mäntel geht mit der Mode, aber was immer wir anziehen, wir versuchen nur, unsere Blöße zu bedecken. Natürlich wird kein gewiefter Politiker, Autokrat oder Schurke sich zu seiner Nacktheit bekennen, aber es bedarf nur des spontanen Ausrufs eines Kindes: „Mensch, du bist aber nackt!“ und schon wird alles ganz klar. Er ist wie ich, deshalb müssen wir uns nicht fürchten. Wir sind der Tyrannei unserer Vorstellung entronnen, also frei.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Künstliche Intelligenz

Das Schlagwort künstliche Intelligenz hört sich an wie Kunstblume, also die wirkliche Blume nachahmend, aber niemals erreichend und übertreffend. Verhält es sich bei der künstlichen Intelligenz – auch kurz KI genannt – tatsächlich so? Ich glaube nicht. Die künstliche Intelligenz ahmt die Intelligenz des Menschen nicht nach, ersetzt diese auch nicht, sondern ist etwas ganz anderes, eine Alternative. Es ist daher falsch von künstlicher Intelligenz zu sprechen, besser spräche man von alternativer Intelligenz, also kurz AI genannt.

Wenn wir von künstlicher Intelligenz sprechen und dies dabei auf uns selbst beziehen, bringen wir damit zum Ausdruck, dass wir etwas entwickeln, was uns eines Tages selbst in Frage stellt. Schaut man auf die Beispiele, insbesondere im spielerischen Bereich, dass Computer heute Weltmeister im Go und Schach besiegen, könnte man annehmen, die Angst sei berechtigt. Computer, so sagen Wissenschaftler, sind aufgrund der verarbeiteten Datenmenge bald auch in der Lage, Fehler zu erkennen, sich selbst zu programmieren und algorithmisch weiterzuentwickeln.

Die darin eingebettete Furcht lautet: Die Computer brauchen uns nicht mehr. Wähnen wir uns aber zu Recht in einer Konkurrenzsituation zum Computer? Billigen wir der durch Deep Learning entstehenden Intelligenz eine Alternative zu der unsrigen zu, können wir sie nutzen, ohne uns selbst zu belasten. Mag sein, dass das sich selbst programmierende Programm schon in ein paar Jahren eine intellektuelle Fähigkeit entwickelt hat, die der unseren bei weitem überlegen ist. Doch kein Programm wird in der Lage sein, echte Tränen zu vergießen, Verluste und Versagen als echten Schmerz wahrzunehmen und darauf gleich wieder eine ermutigende Antwort zu geben. Keine Maschine kann uns Gott erklären, sondern allenfalls religiöse Exegese betreiben und beschließen, was richtig oder falsch ist.

Kein Computerprogramm ist im wahrsten Sinne des Wortes unberechenbar, chaotisch und suizidal. Kein Roboter der Zukunft wird selbst dann, wenn er sich selbst erschafft, ein Ziehen im Bauch verspüren und sich erklären wollen oder können, dass er glücklich oder unglücklich verliebt ist. Da alles im Computer nicht stattfindet, was uns Menschen im Geist und Wesen auszeichnet, bleibt die Alternative. Eine Intelligenz, deren Bedeutung wir in Gang gesetzt haben und die uns herausfordern wird. Sie kann uns diese Welt verstehen helfen, sogar unseren Planeten retten, weil diese Intelligenz logisch ist und Argumente liefert, statt waghalsige Gefühle. Letztlich müssten wir aber als Menschen doch entscheiden, wem wir verpflichtet sind, dem Computerprogramm oder uns selbst.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Was bleibt

Bei jeder mir bekannten Trauerfeier fällt irgendwann der Satz: Der Verstorbene wird ewig in unserem Gedächtnis bleiben, wir werden ihm ein dauerndes Andenken bewahren und seine Taten bleiben uns Vermächtnis. Das hört sich gut an, stimmt es aber auch?

Ich habe da meine Zweifel. Zwar mag ein Großteil der Menschen sich wünschen, ihre kleine Welt oder auch die große Welt möge sie im bleibenden Gedächtnis behalten, aber tatsächlich ist dies nur wenigen vorbehalten. Es handelt sich dabei fast ausnahmslos um Persönlichkeiten aus der Kultur im weitesten Sinne, Wissenschaftler, namhaft, historisch, wichtige Politiker und Verbrecher. Nicht unerwähnt bleiben darf allerdings das höchst persönliche Erinnern innerhalb der Familie, welches aber eine Generation meist auch nicht überdauert.

Wenn die postmortale Anerkennung fast umgehend erlischt und doch die Anerkennung anderer Menschen und in der Gesellschaft eines unserer wichtigsten Anliegen überhaupt ist, lohnt sich dann angesichts der Todesprognose überhaupt der Aufwand, mit großem Engagement für sich und auch für andere Menschen zu leben?

Ich meine, ja. Zwar ist jede Geburt zunächst und vor allem ein höchst persönliches familiäres Ereignis, aber auch ein gesellschaftliches. Jedem von uns, der in die Welt kommt, wird bereits mit der Geburt eine Aufgabe zugewiesen, die im Laufe des Lebens zu erfüllen sein wird. Die Rolle, die wir spielen, mag auf den ersten Blick nebensächlich wir­ken, sie ist es aber nicht. Eine Gesellschaft kann nur so funktionieren, dass alle an ihr teilhaben, jeder seinen Beitrag leistet und damit andere und sich selbst in den Lebensbildungsprozess mit einschließt. Ohne diese Leistung jedes Einzelnen von uns, kann das Menschenwerk nicht gelingen, wobei allerdings auch eine Vollendung niemals zur Debatte steht. Wir spielen un­sere Rolle und wenn es dann an der Zeit ist, übernimmt ein anderer. Die Übergänge sind nicht abrupt, sondern fließend.

Wissen und Erfahrung werden weitergegeben, prägen die genetische Matrix, um auch künftigen Generationen Gelegenheit zu geben, ein sinnerfülltes Leben zu führen. Aber, gerade weil die Bedeutung jedes einzelnen Menschen für unsere Gemeinschaft von so herausragender Bedeutung ist, dürfen wir nicht nachlassen, jedem Menschen bereits zu Lebzeiten ein solch hohes Maß an Anerkennung und Respekt zu erweisen, dass Nachrufe nur das Echo unserer Wertschätzung sind.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Rücksichtslosigkeit

Hand aufs Herz. Wer ärgert sich nicht über rücksichtslose Radfahrer, die einen auf Gehwegen fast umnieten, rücksichtslose Autofahrer, die sämtliche Verkehrsregeln ignorieren oder ge­dankenlose Reisende im öffentlichen Nahverkehr, die unmittelbar nach dem Aussteigen erst einmal stehenbleiben und den Weg versperren. Die Liste ist unendlich lang und jeder kennt sie.

Wir alle sind oft fassungslos über das Verhalten anderer, stellen aber bei uns selbst eine Neigung dahingehend fest, es den Anderen heimzuzahlen und sich zu rächen, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Die sich so perpetuierende Rücksichtslosigkeit wird in ihrem ganzen Wirkungsausmaß bisher unterschätzt.

Rücksichtslosigkeiten werden nicht nur durch mangelnde Erziehung geschaffen, sondern sie entsprechen offenbar auch dem Zeit­geist. „Ich muss mich wehren, ich muss mich durchsetzen, ich muss mich verteidigen.“ Eine Fülle von Imperativen scheinen uns zu zwingen, jeglicher Form des Mit- und Füreinanders zu widerstehen. Diese Grundaggressivität kann durch beliebige Inhalte aufgeladen werden, seien diese weltanschaulich, politisch oder rein persönlich. Da es sowohl im eigenen Kiez als auch weltweit täglich ausreichend Anschauungsmaterial gibt, ist es nicht fernliegend zu unterstel­len, dass auch ein leichter Funke, ein banaler Anlass Verhaltensweisen auslösen kann, die sich in übersteigerter Aggression und Zerstörungsdrang äußern.

Ich meine damit durchaus drama­tische Verletzungs- und Tötungshandlungen mit Messern, Pistolen, Schubsen vor einfahrende Züge oder Autos. Zunächst gibt ein Wort das andere. Aus verbalen Auseinandersetzungen werden Handgreiflichkeiten. Wenn wir den aggressiven Zeitgeist einfangen wollen, müssen wir Ent­spannungsübungen für unsere Gesellschaft einrichten, das Gefühl vermitteln, dass es darauf ankommt, rücksichtsvoll miteinander umzugehen und jeder, der das berücksichtigt, auch et­was davon hat: Dank, Anerkennung, gutes Selbstgefühl, ein Lächeln und ewiges Gedenken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Tatsachen

Tatsachen sind unbequem. Sie lassen sich nur schwer ignorieren. Sollte man dies dennoch versuchen, dann machen Tatsachen wieder auf sich aufmerksam. Tatsachen sind Vorkommnisse, die abgeschlossen sind und dazu zwingen, auf sie zu reagieren, ohne sie jemals wieder beseitigen zu können. Solche Tatsachen stellt jedes historische Ereignis dar.

Wie wir im Einzelnen die Tatsachen bewerten, beseitigt sie nicht, sondern gestaltet nur ihre Wirkung. Die Tatsache ist aber keine Wirkung an sich, sondern ruft sie erst hervor. Es ist in jüngster Zeit eine feststehende Tatsache geworden, dass in Großbritannien von Wählern der Brexit beschlossen wurde. Das ist eine Tatsache, die auch dann nicht beseitigt werden kann, wenn eine weitere Volksbefragung zu anderen Ergebnissen führen würde.

Auch die Tötung unzähliger Armenier in der Türkei stellt eine Tatsache dar, die nicht erst geschaffen wurde, weil der Bundestag beschlossen hat, es handele sich hierbei um Völkermord.

Auch die Tötung von Millionen Menschen in Deutschland während der Nazizeit ist eine feststehende Tatsache, ohne dass der Bundestag jemals das Vorhandensein des Holocaust oder des Völkermordes beschlossen hätte.

Tatsachen sind in ihrer Eindeutigkeit auf Interpretationshilfen nicht angewiesen. Sie müssen nur als solche benannt werden. Tatsachen werden gerne verschwiegen, ummantelt oder so interpretiert, dass sie in ihrer Bedeutung kaum mehr wahrgenommen werden. Tatsache war, dass alle Gründe, die seitens der USA vorgebracht wurden, um den Einmarsch im Irak zu rechtfertigen, frei erfunden waren. Tatsache ist die Besetzung der Krim durch Russland.

Tatsachen sind alle Vorkommnisse, ob sie sich in unserem privaten Bereich oder im öffentlichen Bereich befinden, es ist an uns, deren Wirkung zu begreifen und weitere Tatsachen zu schaffen, die wir verantworten können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verkrampfung

Höher. Schneller. Weiter. Ein Mantra in der Leistungsgesellschaft, die sich mit dem Erreichten niemals arrangieren kann. Die Steigerung des Erreichten ist menschliche Hybris. Doch was erreichen wir damit? Genugtuung und Freude?

Kaum jemand würde dies bejahen. Eher sind wir der festen Überzeugung, dass Fortschritt nicht anders zu erreichen ist und der damit verbundene Kollateralschaden unvermeidbar. Was wird beschädigt?

Zunächst unsere Sicherheit. Bei allem, was wir tun, müssen wir damit umgehen lernen, dass sie in Frage gestellt wird. Diese Unsicherheit schafft Aggressionen, wehrt das zu Schaffende ab und relativiert seinen Nutzen. Dem Fortschritt werden Fußangeln angelegt, und zwar nicht wegen fehlender Erkenntnis des Sinns und des Nutzens, sondern weil sämtliche Etappenerfolge in Frage gestellt und neue Leistungsziele vorgegeben werden.

Dem Fortschritt fehlt die Leichtigkeit. Er bietet sich nicht durch seine Chance an, das Erreichte zu überdenken, sondern als Gebot es in Frage zu stellen. In dieser Verkrampfung kann Fortschritt auch Ängste auslösen, die selbst dort, wo Veränderungen sinnvoll sind, Verhinderungen provoziert. Ein das Ergebnis bedenkendes Fortschreiten ermöglicht allerdings Entwicklungen, denen sich viele Menschen öffnen können, ohne zu verkrampfen. Das könnte ein Gewinn sein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski