Archiv für den Monat: Dezember 2016

Planlos

Wir stehen kurz vor dem Wahljahr 2017. Die Kanzlerin hat erklärt, dass sie alles reiflich be­dacht hätte und nun doch entschlossen sei, als Kanzlerkandidatin 2017 anzutreten. Sie scheint alternativlos zu sein, aber Freude kommt nicht auf. Unbestritten sind die Verdienste Angela Merkels um Deutschland.

Es ist nicht wichtig, ob ein Politiker alles richtigmacht, wichtig ist allein, dass er bereit ist zu handeln und dies verantwortlich. Ich meine, dass Angela Merkel dies in aller Unaufgeregtheit sehr gut für Deutschland getan hat.  Deutschland hat an Ansehen durch sie gewonnen und blieb wirtschaftlich erstaunlich stabil, trotz aller die Wirtschaft belastenden Entscheidungen, wie beispielsweise den Ausstieg aus der Atomenergie oder internationale Verwerfungen.

Keiner hat Grund, sich aufzuregen, insbesondere nicht darüber, dass sie angeblich Immigranten in unser Sozialsystem geholt habe. Das sind diese Sorten von Lügen, die heute als Wahrheit verpackt eine die Politik lähmende Kraft entfalten könnten. Vielleicht ist es so gewollt und die mehrheitlich sich Ereifernden können vielleicht noch Verstärkung aus den USA erhalten. Von den USA zu lernen, kommt anscheinend wieder in Mode, wer hätte das gedacht.

Würde ich jetzt „keiner“ behaupten, wäre dies falsch. Wir haben das alle so gedacht. Eine Gesellschaft kann gut oder schlecht verwaltet werden. Sie ist sicherungsbedürftig, aber nicht krisenfest. Da könnte ein Problem zu Tage treten: Wir haben keine Pläne. Wir haben keine Pläne, an denen sich eine Regierung orientieren könnte. Wir haben keine Pläne, die Grundlage unseres gesellschaftlichen Handelns insgesamt sein müssten. Es gibt noch nicht einmal Vorschläge für Pläne, die dann diskutiert und in einem Contrat Social mit der Gesellschaft festgeschrieben werden könnten. Wir haben allenfalls liquide Handlungsperspektiven, die je nach Opportunität wieder zur Disposition gestellt werden. Erscheint die dem Chamäleon verwandte Anpassungsfähigkeit der Politiker auch auf den ersten Blick als sehr attraktiv, kann doch nicht übersehen werden, dass bei einer Vervielfachung unterschiedlichster Meinungen und Proteste eine Kakophonie entsteht, die die Gesellschaft insgesamt lähmt. Wir müssen wissen, was wir wollen und dürfen, die Deutungshoheit hier nicht linken und rechten Gruppierungen überlassen, die wohlfeil Pläne vorlegen, deren Realisierung allerdings an der Wirklichkeit scheitern werden.

Der Austritt aus der Nato ist ebenso unsinnig, wie Ausländer wieder vor die Tür zu setzen und schon gar nicht reinzulassen. Eine Gesellschaft, die nur noch gefühlt lebt, aber nicht mehr wirklich, ertrinkt in ihrer Gefühligkeit, anstatt sich selbst durch planvolles Handeln herauszufordern. Geht nicht, gibt es nicht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Über dem Niveau

Auf Dauer ist das derzeitige Rentenniveau nicht zu halten. Darin sind sich Experten und Politiker einig. Statt die öffentliche Hand sollen Betriebsrenten richten, was der Generationenvertrag nicht mehr zu bieten vermag. Generationenvertrag? Dieses als sinnvolles Instrument der Rentensteuerung einmal erdachte Konstrukt taugt nicht mehr. Tatsächlich leeren sich die Rentenkassen und ein Versprechen in die Zukunft ist nicht mehr zu halten, sondern jeder ist sich selbst auch persönlich der Nächste, die Alten wie die Jungen, gesellschaftlich und privat.

Eine Solidargemeinschaft zu fordern, aber sie dennoch nicht zu bekommen, verschärft die ohnehin dramatische Situation. Worte reichen nicht. Gibt es tatsächlich Alternativen? Vielleicht die Einrichtung einer Generationenbank als Pflichtsparkasse. Das Programm lautet: Du bekommst, was Du zu Lebzeiten eingezahlt hast, sei es an erbrachten Eigenleistungen, sei es an Geld. Du kannst abheben, wenn Du Leistungen benötigst. Zum Beispiel hast Du Leistungen erbracht, die entsprechend bewertet werden und die als Rentenverstärkung nützen, wenn der Pflegeaufwand geringer ist als erwartet.

Ansonsten gilt: Wer Pflegeleistungen erbracht hat, bekommt ebenfalls Pflegeleistungen. Wer gegeben hat, dem wird gegeben. Eine Gesellschaft, die im Übrigen die Aufmerksamkeit wieder für sich entdeckt, wird auch Ehrenleistungen denjenigen nicht versagen, die sich um das Land, die Gesellschaft und ihre Bürger verdient gemacht haben. Dadurch werden Leistungsanreize auch für Menschen geschaffen, die sich mit eigenem Engagement sonst eher zurückgehalten hätten. Je selbstbewusster die Zivilgesellschaft dank der von ihr eingerichteten Generationenbank unter Solidargesichtspunkten selbst für eine würdige Alterssicherung sorgt, desto mehr entlastet dies nicht nur den Staat, sondern kräftigt auch die Bürgergesellschaft.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Unterforderung

Unterforderung schafft Überforderung. Neulich las ich, dass Menschen krank werden, wenn sie nicht genug zu arbeiten haben. Ein Arbeitnehmer hat sogar seinen Arbeitgeber wegen dessen Unterforderung bei der Arbeit verklagt. Auf den ersten Blick wirkt dies lächerlich, angesichts der zur Schau gestellten Neigung, die Freizeit zu feiern. Es ist aber keineswegs lächerlich.

Wir wissen ganz genau, dass im Ausbildungsprozess unterforderte Kinder daran scheitern, sich sprachlich, intellektuell und emotional zu entwickeln. Aus der Unterforderung entstehen Versagensängste, Frust und Gewalt. Der unterforderte Mensch trägt diese Bürde sein ganzes Leben lang. Er ist meist unsicher, befürchtet, dass sich die Umstände ändern könnten und er dann gefordert werde. Mit dieser ungewissen Forderung kommt er nicht zurecht.

Um sich seine Unterforderung nicht eingestehen zu müssen – meist erkennt er sie noch nicht einmal – beugt er der Forderung vor, indem er seine Überforderung behauptet. Diese scheinbare Überforderung ist der Maßstab seiner gesamten Reaktionsweise als kranker und nicht hinreichend versorgter Mensch und endet schließlich im Hass auf alle Anforderungen, die an ihn gestellt werden, und zwar auch dann, wenn sie ihn selbst nicht direkt betreffen. Der unterforderte Mensch fühlt sich übervorteilt, ausgenommen, ungerecht behandelt und schließlich auch noch ausgenützt. Seine Projektionsfläche sind alle anderen Menschen. Sich selbst will er die ihn umgebende Leere, in der er sich eingerichtet hat, nicht eingestehen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Inter-Journey

Krank sein ist das zweitwichtigste Thema neben dem Wetter. Wir kommunizieren Krankheit und körperlichen Schmerz wie Urlaubserlebnisse. Wir hoffen, dass sie uns zuweilen als etwas Besonderes erscheinen lassen. Wir gehen zum Arzt oder in die Heilbehandlung, weil wir uns mit Krankheiten und Schmerzen in der Regel nicht auskennen. Es gibt da Fachleute, so sind wir überzeugt. Wenn sie nicht helfen können, dann schaffen sie doch zumindest Linderung.

Eigentlich ist es überflüssig, über diese menschlichen Eigenschaften zu sprechen, denn kein Wort verändert irgendetwas am Zustand des Menschen. Und doch gibt es vielleicht eine Näherung an Schmerz und Krankheit, die Erleichterung schaffen könnte. So absurd das klingen mag, so lautet doch ein Weckruf: „Willkommen Schmerz!“ Warum sollten wir aber den Schmerz willkommen heißen?

Mir erscheint das wichtig, um zunächst einmal festzustellen, dass wir ihn ausfindig gemacht haben und ihn studieren können. Wenn wir den Schmerz willkommen geheißen haben, ist der erste Schritt zur Kontaktaufnahme vollzogen. Und eine gute Gelegenheit, mit dem Schmerz zu kommunizieren, ihn aufzufordern, uns zu benennen, was plagt. Jeder Körperteil ist begeistert, wenn er erfährt, dass wir uns ihm zuwenden, nicht um ihn weiter zu belasten, sondern etwas von ihm zu erfahren.

Das über das Befinden geführte Gespräch ist vielschichtig und aufschlussreich, erlaubt Handlungsoptionen. Diese könnten dann wiederum im Rahmen einer Inter-Journey dadurch geschehen, dass nicht nur ich mit meinem Bewusstsein, sondern alle von mir aktivierten Organe sich auf den Weg machen, um dem schmerzbefallenen Organ zu helfen. Nachdem ich erfahren habe, woran es liegt, dass es mir schlecht geht oder meine Gesundheit eingeschränkt ist, kann ich nun alles unternehmen, um den Schmerz zu lindern und gar abzustellen, dies oft durch eigene Willenskraft und Unterstützung des Arztes bei der Behandlung meines Schmerzes oder meiner Krankheit, die ich bereits kennengelernt und lieb gewonnen habe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Nahostkrieg

Dieser barbarische Krieg in Syrien verstört uns alle. Wir können die Bilder der Zerstörung, der fliehenden Menschen, des Terrors und des Todes nicht mehr sehen. Der Krieg und das Morden des IS soll endlich aufhören. Wir wünschen uns eine friedliche Welt in gesicherten Grenzen. Wir wünschen uns Anstand und Wohlstand. Wir sind besorgt über das Engagement der Russen und der Amerikaner in diesem Krieg und wollen auf keinen Fall mit hineingezogen werden.

Wir Europäer, nein wir Deutsche, sagen Schluss mit diesem Krieg, der uns Flüchtlinge beschert und Konsequenzen für uns haben kann. Es ist naheliegend, dass wir unsere Sicht auf die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten haben, aber unsere Sichtweise korrespondiert nicht unbedingt mit den Perspektiven der Menschen in den Kriegsgebieten und der Konfliktparteien.

Wir können uns gar nicht klarmachen, dass unsere Mentalität eine andere ist. Familienclans nehmen in diesen Ländern großen Einfluss und wollen ihre Macht erhalten. Es geht um wirtschaftliche Verteilungskämpfe und religiöse Führerschaft. Es geht aber auch um Menschen, denen oft ihr Stolz mehr bedeutet als Barmherzigkeit. Das Narrativ arabischer Völker ist mit Sicherheit kein europäisches, sondern eine solches, das in den Konfliktgebieten zu Hause ist. So furchtbar dies für unsere Ohren klingen mag, diese Geschichten müssen zu Ende geschrieben bzw. zu Ende gelebt werden.

Wir haben durch unsere Einmischung schon unendlich viel gestört und zerstört und können uns durch Perpetuierung unserer Einmischung nicht entlasten, sondern nur weiter schuldig machen. Einen europäischen, einen amerikanischen oder russischen Friedensplan wird es für die arabischen Länder niemals geben. Wir sind es, die mit unseren Strategien den Krieg immer weiter befeuern, mit Waffenlieferungen und Einmischung dafür sorgen, dass Israel geschützt – was richtig ist – aber Frieden aussichtslos bleibt.

Der Iran, Saudi-Arabien und Ägypten erkennen bereits jetzt, dass die Zerstörung keine weiteren Vorteile mehr bringt und werden den Krieg beenden, wenn wir uns aus ihm ebenfalls zurückziehen. Der Preis, den wir für unsere Einmischung bereits gezahlt haben, ist hoch. Er fällt noch höher aus, wenn wir so weitermachen, wie bisher. Einen Assad zu verhindern, ist menschlich verständlich, aber politisch absurd. Mit unseren Vorstellungen von Demokratie, Freiheit und Staatlichkeit haben diese Konflikte überhaupt nichts zu tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Der Mensch, das unbekannte Wesen

Kennen wir uns? Ich habe da mein Zweifel. Es scheint mir, dass in uns etwas steckt, was wir selbst nicht erkennen bzw. nicht erkennen wollen. Hat sich nicht jeder Mensch schon einmal dabei ertappt, dass er nicht nur schlecht über andere gedacht hat, sondern Menschen auch beschädigen wollte?

Ja, natürlich gibt es die soziale Kontrolle, die das Schlimmste verhindert. Wie sieht es aber mit der persönlichen Kontrollmöglichkeit aus? Bin ich, wenn ich etwas Schlechtes denke, ein schlechter Mensch? Kann ich, wenn ich einem anderen Menschen, die Pest an den Hals wünsche, noch harmlose Lieder mit meinen Kindern singen. Die öffentliche Wahrnehmung entspricht nur eingeschränkt dem Sein. Dieser Erkenntnis muss ich mich stellen, aber vermeiden, daraus falsche Schlüsse auf andere Menschen zu ziehen.

Jeder Mensch, auf den wir uns einlassen, weist die selbe Ambivalenz wie wir selbst auf und ist gerade deshalb – wie wir – auch darauf angewiesen, dass wir ihm Vertrauen schenken, damit er uns vertrauen kann. Was den Menschen in seiner Unberechenbarkeit ausmacht, ist nicht nur seine Erscheinung, sein physiologisches System, sein Verstand und sein Gefühl. Jede Zelle, jede genetische Botschaft, jede chemische und mechanische Irritation bestimmt den ganzen Menschen und sein Verhalten.

Das Schlimme ist wie das Gute, nicht das Ergebnis eines Gedanken- oder Empfindungsprozesses, sondern ein Aggregatzustand, der von äußerst komplexen Vorgängen gesteuert wird. Das mag nicht entschuldigen, aber erklären, weshalb Menschen oft auf eine für uns völlig unvorstellbare Weise reagieren, vor allem, wenn sie grausam sind. Auch, wenn wir das nicht verhindern können, hilft die Erkenntnis, die nicht moralisch belastet ist, mit der Bedrohung umzugehen, die dieser Mensch für uns alle und für sich darstellt. Die Erkenntnis entschuldigt nichts, da sie auf Vernunft beruht. Sie schafft Handlungsoptionen, die uns nachhaltig vor den Tätern in und außer uns schützen sollten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Bananenrepublik

Es wäre ein grotesker Fehler, Trump mit Putin, Erdogan oder irgendeinem Fürsten einer Bananenrepublik zu vergleichen. Die Genannten sind bis auf Trump Machtpolitiker, die ausschließlich ihre Vorteile im Visier haben. Das ist ein bekanntes Phänomen und begleitet uns durch die ganze Menschheitsgeschichte. Trump kommt es nicht auf die Macht, sondern auf die Wirkung an. Sein Ego lässt es nur zu, dass er bewundert und anerkannt wird und niemand den Finger hebt und sagt: You are fired.

Anders bei den Traditionalisten unter den Populisten. Sie nutzen gesellschaftliche Trends, um ihre Machtansprüche zu befriedigen und zu ihrer politischen Bedeutung und ihrem wirtschaftlichen Wohlstand beizutragen. Indem man den Gegner definiert, ihn als Feind oder Hassfigur stilisiert, funktioniert diese Vorgehensweise bisher recht gut. Doch Trump zeigt, dass dies veraltet und nicht mehr zeitgemäß ist. Er und seinesgleichen erwarten mehr: emotionales Engagement statt politisches Kalkül, Entertainment statt nationalistisch ernst gemeinte Parolen.

Die Traditionalisten unter den Populisten sind immer noch versucht, die Welt glauben zu machen, sie gehörten der gleichen politischen Kaste an. Ihre Lügen sind nicht subversiv, sondern konstruktiv, um politischen Konsens dort vorzuspielen, wo er schon längst nicht mehr vorhanden ist. Die politischen Überlebenschancen solcher Populisten sind außerordentlich gering. Zwar leugnen sie das Faktische auch, aber sie leugnen ferner, überhaupt irgendetwas gesellschaftsfeindliches im Schilde zu führen. Sie gebärden sich als harmlos.

Trump tut das nicht. Er bestätigt jede Gemeinheit gegenüber Andersdenkenden, Frauen, Ausländern, allen Menschen, die nicht bereit sind, mit ihm zu kooperieren. Eigentlich müssten sich Putin und Erdogan gegen einen solchen opportunistischen Usurpator verschwören, wenn sie nicht klanglos untergehen wollen. Wahrscheinlich haben sie Angst vor der ungreifbaren Komik.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

11/9

Nach der Wahl Trumps zum Präsidenten bekam ich von meinem Sohn, der in Nordamerika studiert, folgende Nachricht: „Jetzt hat der Putin wieder einen amerikanischen Freund, ist er nicht mehr so alleine.“ Weiter: „Also, mal sehen, jetzt wird alles great again. Ich hoffe, du fühlst dich great, Avocados wurden aber schon einmal günstiger.“ Ich darauf: „Was ist mit Suppengemüse?“ Er darauf: „Neues Suppengemüse ist teuer, nur Avocados wurden günstiger, in vier Jahren kann man jemanden für Suppengemüse wählen.“ Ich darauf: „This is really great.“

Spaß, so er einer ist, beiseite. Am Morgen, nachdem der Wahlsieg Trumps feststand, fuhr ich mit der U-Bahn und ging durch die Straßen Berlins und hatte die gleiche Wahrnehmung wie bei 9/11. Es war ruhiger als sonst. Die Stadt schien gleichsam in Watte verpackt. Die Menschen wortkarg und ernst, in sich gekehrt mit Gefühlen und Gedanken beschäftigt. Was war dieses Mal passiert? Keine Flugzeuge sind in das World Trade Center gestürzt und haben so nicht nur New York, sondern die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt und doch ist 11/9 etwas geschehen, was in seiner Konsequenz Angst und Schrecken für unsere Welt bedeuten wird.

Kein wahnsinniger, kein verrückter und religiöser Fanatiker ist Präsident geworden, sondern eine Kunstfigur, die zwischen Realität und Virtualität unter opportunistischen Gesichtspunkten hin- und hertrudelt. Ob er vom politischen Establishment weltweit erst genommen wird, ist dieser Kunstfigur völlig gleichgültig. Es passiert, was in einer virtuellen Realityshow stets passiert: Man spielt anderen etwas vor. Den Spielverlauf bestimmt aber nicht die Kunstfigur Trump, sondern das zappende Publikum, welches unterhalten oder abgelenkt werden möchte vom tristen unerfreulichen und wirtschaftlich oft sehr eingeschränktem Leben.

Eine Wirtschaft, die im Wesentlichen auf Konsum beruht, hat dabei sehr wenig Spielräume und muss den Verbraucher bei Laune halten. Also wird sich Trump immer wieder etwas Neues einfallen lassen, damit die Menschen sein Programm gut finden. Es spielt dabei keine Rolle, ob Senat, Repräsentantenhaus oder die Gerichte irgendwelche Einfälle wieder einkassieren. Das sind die Zuschauer gewohnt. Sie warten dann einfach auf den nächsten Coup und der kommt bestimmt.

Es kann sein, dass die amerikanischen Zuschauer sich auch langweilen oder sich an irgendwelche Versprechungen erinnern, die er im Wahlkampf gemacht hat, aber nicht umsetzt. Vielleicht murren sie auch und werden ansatzweise unzufrieden. Kein Problem für diesen Präsidenten. Er weiß ja bestens, wie er diesen Unmut umlenken kann. Er will ja alles, was er versprochen hat oder verspricht umsetzen, wenn da nicht die Europäer, die Chinesen, die Eskimos, die Sudanesen oder die Umweltschützer wären.

Das Sündenbockprojekt funktioniert immer. Werden wir alle die kommenden vier Jahre überstehen? Ich hoffe. Ich hoffe sehr, dass die Menschen in den USA nicht zu den Waffen greifen und einen Bürgerkrieg anzetteln. Ich hoffe auf die Vernunft der übrigen Welt und ihre Politiker. Ich hoffe, nicht auf die Moral dieser Kunstfigur, sondern darauf, dass beherzte Menschen ihn davon abhalten können, den roten Knopf zu drücken, indem sie sein Programm beizeiten abschalten. Eine solche Taste befindet sich auf jedem Fernsehmonitor.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski