Archiv für den Monat: August 2017

Wahlen

Im September finden wieder Bundestageswahlen statt. Die Parteien fordern beständig dazu auf, wählen zu gehen. Es werden Wahlen analysiert und prognostiziert. Die Legitimität des französischen Präsidenten Macron wird dabei etwas in Zweifel gezogen, weil weniger als 50 % seine Partei „La République en Marche“ gewählt haben.

Wählen kann jeder, sobald er volljährig geworden ist. Das Kinderwahlrecht hat sich noch nicht durchgesetzt, jedenfalls nicht in allen Bereichen. Nicht wählen dürfen Ausländer, auch wenn sie schon immer hier gewohnt haben, aber solche, die Doppelstaatler sind. Die türkischen Deutschen helfen mehrheitlich Recep Tayyip Erdoğan beim Siegen in seinem Land. Wahlen sind keine Erfindung der Demokratie, sondern öffentlicher Ausdruck eines Verhaltens, das Legitimität verschaffen soll.

Der amerikanische Präsident Trump wurde gewählt, obwohl eine Mehrheit der amerikanischen Bürger nicht für ihn gestimmt hat. Das lag an dem sonderbaren US-Wahlsystem. Aber auch dort, wo es auf die absolute Anzahl der Stimmen ankommt, klafft zwischen Akzeptanz und Ablehnung nur ein zarter Spalt. Erdoğan hat mit gerade einmal 50 % der Wahlstimmen seine Verfassungsänderung durchgebracht.

Theresa May in Großbritannien wurde nicht gewählt, sondern gerade abgewählt. Und dennoch schafft sie es Dank Koalitionen, doch weiter zu regieren. Es kommt anscheinend also nicht darauf an, wie und wen man gewählt hat, sondern dass man gewählt hat. Dabei müssen aber die richtigen Gruppen gewählt haben, und zwar je nach Wahlprogramm und Anliegen der Bewerber.

Im Ergebnis ist es so, wie beim 11-Meter-Schießen im Fußball nach Verlängerung. Die siegreichere Mannschaft bleibt auf dem Platz, die andere geht. Was allerdings im Sport noch verschmerzbar ist, führt bei Abstimmungsverhalten im öffentlichen Raum leicht zu einer Fehleinschätzung des Wahlausgangs. Kandidaten, die ihre Absichten zur Wahl gestellt haben, gewinnen nicht etwa deshalb, weil sie die besseren auf dem Feld gewesen wären, sondern weil die Wähler erwarten, dass ihre Stimme Gewicht hat.

Gewicht sollte aber gerade auch die Stimme desjenigen Wählers haben, der sich entschieden hat, nicht zuzustimmen. Nicht gewählt zu haben oder die Stimme zu verweigern, ist eine programmatische Botschaft, die denjenigen, der mehrheitlich gewählt wurde, veranlassen sollte, das Anliegen des Verweigerers zu berücksichtigen. Anstatt Triumpfe auszukosten, sollten Trump und Erdoğan mit Bescheidenheit, Toleranz und Demut im Sinne ihrer Völker handeln und dabei auch auf die Stimme derjenigen achten, von denen sie gerade nicht gewählt wurden. Wahlen sind ohnehin nur Momentaufnahmen, gegenwärtig und nicht zukunftsorientiert. Alle diejenigen, die sich aufgrund von Wahlen ermächtigt sehen, für Andere zu handeln, sollten ihre Legitimitätsdefizite bedenken und darum ringen, auch ihre Nichtwähler und Gegner zu berücksichtigen.

In Deutschland sind wir diesen Vorstellungen schon sehr nahe. Wenn dann politischer Gleichklang und fehlende Opposition unter dem Gesichtspunkt der fehlenden politischen Gesamtvertretung behauptet wird, ist dies allerdings ein fehlerhaftes Wahlverständnis. Gerade dass man in Deutschland so schwerfällig und kompliziert um Alternativen ringen muss, macht deutlich, dass wir in einem der pluralistischsten, aber auch konsensfähigsten Staaten dieser Welt leben. Unsere Fähigkeit des gesellschaftlichen Ausgleichs macht uns einzigartig und erfolgreich. Weil wir es können, müssen wir die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft schaffen, den Hunger dieser Welt angehen und unseren Beitrag zur Rettung des Planeten leisten. Wir haben nicht nur die Wahl, sondern die sich aus unserer Wahlmöglichkeit abzuleitende Verpflichtung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verpackung

Neulich las ich, dass die Bürger Deutschlands Weltmeister im Verpacken seien. Es wird bei uns also gemessen an der Anzahl der Bürger das höchste Maß an Verpackungsmüll produziert. Die Ursachen sind Lieferdienste und Retouren, Einwegbecher, Flaschen und Transportmaterial. Das hätte ich nicht gedacht. Ich hätte den größten Anteil an Verpackungsmüll pro Kopf in den USA vermutet. Zugegebenermaßen, nicht jeder Müllanteil wird hier produziert. Wir erhalten Verpackungsmaterial aus der ganzen Welt, müssen es aber hier gleichwohl entsorgen. Ist das Müllproblem nicht aber eigentlich eine Steilvorlage für uns wohlmeinende Bürger, die wir etwas dafür tun wollen, dass sich das Müllproblem nicht ausdehnt?

Yes, we can. Fangen wir doch mit Coffee-Einwegbechern an. Diese in Mode gekommenen Einwegbecher – to go – sind aus meiner Sicht modische Nuckelflaschen für infantil gebliebene Erwachsene. Entsprechend unseres Bedürfnisses nach Geborgenheit, hat die Kaffeeindustrie Ideen entwickelt, die die Verbreitung des eigentlich simplen Produkts Kaffee optimiert.

Und überhaupt: Anstatt in Geschäfte zu gehen, können wir auf völlig überflüssige Weise uns sämtlichen Gegenstände, die wir glauben, haben zu müssen, nach Hause liefern lassen, um sie bei Nichtgefallen zurückzuschicken. Zukünftig sind wir auch nur noch mittelbar Dirigent unserer Ernährung. Alles wird uns wohl verpackt geliefert. Der Einkaufskorb hat dann ausgedient.

Abgesehen davon, dass wir bei Änderung unseres Verhaltens ein Zeichen gegen Vermüllung und für die Erhaltung der Umwelt setzen könnten, fällt es uns offenbar schwer zu begreifen, dass wir uns in eine Abhängigkeit von Distributoren gebracht haben, die schon jetzt für uns denken und handeln. Während wir uns in unseren Handlungsmöglichkeiten immer mehr reduzieren, wächst die Handlungsmöglichkeit der verteilenden Wirtschaft und des Staates.

Der Verpackungsmüll ist nur der signifikante Ausdruck einer Entwicklung, die uns in die völlige Abhängigkeit von anderen führt, die uns zuteilen, was sie für gerechtfertigt erachten. Irgendwann halten wir nur noch unsere Schnäbel auf und schlucken alles, es sei denn, wir protestieren. Wir könnten unseren Protest mit der Müllvermeidung beginnen und dabei auch noch etwas für die Umwelt tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Volkshochschule

Elternbildung schafft Kinderbildung. Damit dies funktioniert, ist Elternbildung unerlässlich. Gemeint ist damit aber kein gebräuchlicher Elternratgeber nach dem Motto: Wie erziehe ich mein Kind richtig? Vielmehr ist es erforderlich, dass auch Eltern sich kontinuierlich aus- und weiterbilden, und zwar jenseits des für das Erwerbsleben erforderlichen Umfangs.

Dafür stehen Volkshochschulen mit einem umfassenden Programm zur Verfügung, auch Arbeitgeber, Ge­werkschaften und sonstige Einrichtungen haben immer schon Bildungsangebote unterbreitet, die allerdings zunehmend weniger in Anspruch genommen werden. Dabei lassen sich nicht nur im analogen, sondern auch im digitalen Bereich Formate für unterschiedliche Bildungsbereiche entwickeln, die im Verhältnis Eltern-Kind unerlässlich sind bei der Bewältigung von schulischen Anforderungen und Weitergabe von kulturellen, sprachlichen und visuellen Angeboten.

Gefordert sind neben den oft kieznah gelegenen Volkshochschulen auch solche, die digitale Angebote kostenfrei oder gegen ein geringes Entgelt allen Menschen unterbreiten und damit Mütter, Väter, aber auch Großeltern erreichen. Korrespondierende Bildung im Volkshochschulbereich vermittelt nicht nur ein belebteres Bild unserer Gesellschaft, sondern gibt Menschen Bewährungschancen, spornt sie an zu mehr Leistung bei der Bildungsvermittlung an ihre Kinder. Dies fördert den familiären Zusammenhalt, stärkt Netzwerke und schafft auch ein gutes Gefühl für alle Beteiligten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Cum Ex

Cum Cum und Cum Ex. Begriffe, die sicher heute nur wenige verstehen und viel weniger begreifen, welche perfide Methode der Geldmehrung dahintersteckt. Mit Hilfe von Banken machen wohlgesittete Gangster Millionengeschäfte, indem sie steuerliche Vorteile, die ihnen allenfalls einmal zu stehen, gleich zwei Mal und mehr kassieren. Geschädigt wird damit nicht der Staat. Der hat dadurch etwas weniger Steuereinnahmen. Geschädigt werden wir Steuerzahler, die an Steuern dann mehr aufbringen müssen, um den Staat zufriedenzustellen.

Diese privaten Steuerraubmodelle könnten sogar legal sein, weil noch keine Vorsorge getroffen wurde gegen diese Form der Plünderung. Aber, was legal sein kann, ist noch lange nicht rechtens. Warum tun Menschen dies? Warum und mit welcher inneren Rechtfertigung nehmen Menschen etwas in Anspruch, das ihnen aufgrund eigenen Wissens gar nicht zusteht? Warum – und dies betrifft nun auch den Abgasskandal – manipulieren Menschen Autos bzw. ordnen an, um mit künstlich niedrigen „Abgaswerten“ bessere Umsätze zu erzielen, wohlwissend, dass damit die Abgase nicht verschwunden sind, sondern Menschen weiterhin mit Feinstaub erheblich belasten.

Es ist nicht erklärbar und kann rational auch nicht begründet werden. Einmal abgesehen von der pauschalen Verdächtigung, dass es sich hierbei wohl um Gendefekte handeln müsse, bleibt nur die Erklärung, dass innerhalb einer Zivilisation immer Grenzen ausgetestet werden und eher das Scheitern in Kauf genommen wird, als den Versuch der Grenzüberschreitung nicht gewagt zu haben.

Alle Handbücher über Good Governance und ehrbares Handeln können hier nicht helfen. Die Werte werden zwar beschworen, aber sobald die soziale Kontrolle versagt und Profitgier alle Bedenken zu beseitigen vermag, wird eine Beliebigkeit der Täterschaft und Ahndung geschaffen. Es wäre klug, wenn wir uns selbst noch anderen Werten als unserer individuellen und kollektiven Gier verpflichtet fühlten und bereit wären, diejenigen, die gegen unsere Regeln verstoßen, sozial zu isolieren. Das Beispiel dürfte dann Schule machen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verseuchung

Ein Film, den ich vor Kurzem im Fernsehen sah, handelte davon, dass eine junge Frau als erzwungener Drogenkurier unfreiwillig verseucht wurde. Eine Droge, die in einem Plastiksäckchen verpackt, ihr unter die Bauchhaut eingenäht wurde, platzte und setzte einen Stoff frei, der dazu führte, dass Zellen ihres und anderer Körper in schwindelerregendem Tempo miteinander kommunizierten und schließlich ihre kognitiven Fähigkeiten auf 100 % erweiterte. Dann war sie tot und was von ihr blieb, war ein Computerstick.

Eine interessante Parabel des menschlichen Lebens und Scheiterns die hintergründig aufzeigt, dass eine digitale Maschine 100%ige kognitive Leistungsfähigkeit erwerben kann, aber daran nicht scheitern wird. Unsere Zellen dagegen sind dem, was wir heute schon Reizüberflutung nennen, nicht gewachsen. Wir können es nicht sehen, fühlen oder schmecken, aber nicht nur kosmische Strahlen, sondern ein dichtes Netz an Informationen umgibt uns.

Wir können nur hören, was für uns bestimmt ist, nur abrufen über elektronischen Geräte, die Informationen zu entschlüsseln vermögen. Sind die Geräte ausgeschaltet, sind diese Informationen aber nicht weg, sondern und durchgeistern weiterhin alle Zellen unseres Körpers, kommunizieren mit uns jenseits der kognitiven Wahrnehmung. Wir sind verseucht und trauen uns dies nicht einzugestehen. Nirgendwo wird uns eine Möglichkeit gegeben, uns von der Verseuchung zu reinigen. Wir sind den von uns elektronisch ausgelösten Informationen auf Dauer ausgeliefert.

Die elektronischen Impulse sind nicht abhängig von unserer Wahrnehmung, sondern haben unseren Schutzbereich schon seit längerem verlassen und begonnen, den gesamten Weltraum mit Informationen zu verseuchen. Ist das schlimm? Diese Frage stellt sich meines Erachtens nicht mehr, da es keine Frage nachträglicher Einschätzungen sein kann, sondern wir nur noch wahrzunehmen haben, was geschieht. Nichts ist gut daran oder böse. Diese Art der Verseuchung war unabwendbar. Da intelligenten Geräten nunmehr weltweit Informationen zur Verfügung stehen, werden sie sich dieser bedienen und damit eine exklusive Einsicht in unser Leben erlangen, die uns mangels ausreichender kognitiver Fähigkeiten verschlossen bleibt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Künstliche Intelligenz II

Stephen Hawking soll der künstlichen Intelligenz dieselbe Bedeutung zugemessen haben, wie der Einführung der Elektrizität oder der Mobilität. In ihrem aktuellen Wahlprogramm verkündet die CDU/CSU, dass sie in der nächsten Legislaturperiode eine Vollbeschäftigung der Arbeitnehmer in Deutschland anstrebe. Allerorten werden vor allem jungen Menschen gefeiert, die in sogenannten Pitches neue Unternehmen, sogenannte Start-Ups vorstellen.

Menschen sollen disruptiv in ihrem Leben neue Wege gehen, kollaborativ mit anderen zusammenarbeiten und zukünftig vielfältig die Voraussetzungen für ihren Lebensunterhalt schaffen. Angesichts des sich statistisch vergrößernden Armutsbereichs in weiten Teilen der Bevölkerung wird über eine finanzielle Grundversorgung aller Menschen zumindest in Deutschland nachgedacht. Aber das passt nicht zusammen, wenn man der künstlichen Intelligenz die entscheidende Bedeutung bei der künftigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung auf dem Territorium unseres Planeten beimisst.

Wie soll trotz aller anderslautenden Beteuerungen vermieden werden, dass diese künstliche Intelligenz den Menschen verdrängt? Wie soll angesichts der Aufgaben, die die künstliche Intelligenz übernehmen kann, der Mensch mit seiner angesichts dieser Intelligenz vergleichbar eingeschränkten Fähigkeiten noch mit dieser konkurrieren können? Ist die Existenz des Menschen unter ökonomischen Gesichtspunkten noch gerechtfertigt?

Zu verhindern sein wird die Ausbreitung der künstlichen Intelligenz nicht. Sicher sollten und werden wir sie nutzen. Wir befinden uns aber in einer Konkurrenzsituation und müssen auf unsere Fähigkeiten pochen, die uns der künstlichen Intelligenz gegenüber überlegen machen. Die künstliche Intelligenz mag so intelligent sein, wie wir das initiiert haben, d. h. sie mag über mehr Wissen verfügen, als wir jemals akkumulieren können.

Wir aber sind bildungsfähig, d. h. in der Lage, nicht in der Form simpler Rechenfunktionen, sondern in sprunghaften, emotionalen, intellektuellen, also disruptiven Prozessen Vorgänge zu gestalten, was die künstliche Intelligenz wohl niemals vermag. Wir dürfen die Situationen, in die wir uns gebracht haben, nicht bedauern. Sie sind folgerichtig und vernünftig. Was in Zukunft geschieht, ist erwartbar, aber wir müssen uns stets vergegenwärtigen, dass wir nur dann konkurrieren können, wenn wir begreifen, dass alles von Menschen für Menschen gemacht werden soll: „Humans First“.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Abstumpfung

Noli me tangere. Berühr mich nicht. Das ist das Mantra einer an medialen Eindrücken überfütterten Gesellschaft. Die Reizschwelle des optischen Erlebens wird immer mehr angehoben. Hier ein Clip von verhungernden Kindern, dort ein mitgefilmtes Attentat, detonierende Häuser und verbrennende Menschen. Alles live, aber so wenig unterscheidbar von Killerspielen und Darbietungen in sensationellen Events der Virtualität.

Die Frage ist nicht, was ist noch real, sondern was geht uns noch das reale Elend dieser Welt an? Auch ich nehme eher nur beiläufig ein schlimmes Vorkommnis, ein Attentat oder Ähnliches wahr. Selbstverständlich finde ich die Grausamkeiten in dieser Welt empörend und bedaure alle Opfer eines Attentates oder Unglücks. Und doch bleiben meine Emotionen kalkuliert, der Verstand abwehrbereit. Einmal abgesehen von einem Umstand, der meiner Familie oder mir persönlich nahekommen würde, scheinen die Bilder mehr zu distanzieren, als Nähe zuzulassen.

Mit dem Schock stellt sich Abwehr ein und nach vielen Schocks ist der Erkenntnisprozess versiegt. Ich glaube, wir müssen nicht alles wissen. Ich glaube, es muss uns nicht alles vorgeführt werden, um uns begreifbar zu machen, dass bedrängte Menschen und Opfer einen Anspruch auf unseren Schutz haben. Wir sollten uns zurücknehmen in der Opulenz des Betrachtens, den Voyeurismus einschränken und aus der Fülle der Schreckensangebote nur das auswählen, was wir zu verarbeiten bereit sind. Verarbeiten heißt dabei nicht wegschieben, sondern mit Empathie und Engagement daran zu arbeiten, dass wir mitfühlende und helfende Menschen trotz Reizüberflutung bleiben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Geschwätz

Also, Hand aufs Herz. Wer ist nicht fast drauf und dran zu kapitulieren angesichts der Flut an schriftlichen Botschaften, stammen diese aus E-Mails, Fachzeitungen, Zeitschriften, Blogs, Bücher und sonstige schriftliche Äußerungen. Zu allem Schriftlichen gesellt sich das Mündliche aus Smartphone, Fernsehen und Rundfunk. Der Computer bietet das volle Programm und fordert dazu auf, auch noch Nachrichten wahrzunehmen, die unspezifisch Leser und Zuhörer erreichen.

Alles scheint wichtig zu sein. Das ist es aber nicht. Die Geschwätzigkeit hat Einzug gehalten in alle Medienbereiche, also auch in alles Optische, ob Kunst oder Film. Nichts bleibt von der Geschwätzigkeit verschont. Selten werden Filter angeboten, die das uns Wichtige oder uns Interessante aussondern, zum Denken anregen oder Empfindungen längerfristig bedienen. Die Rückbezüglichkeit auf andere Wortbeiträge oder Vorkommnisse macht es fast unmöglich, noch einen eigenen Standpunkt der Verfasser erkennen zu können.

So fängt allmählich das ganze öffentliche Wort- und Bildgeschehen an, sich in einen Brei zu verwandeln, der in seiner Klebrigkeit uns alle immunisiert gegen wirkliche Neuigkeiten aus der Philosophie, der Kunst und der Gesellschaft. Natürlich wird die Geschwätzigkeit in Allem noch zunehmen, aber sie wird zwecklos bleiben. Es ist zu befürchten, dass die allmähliche Abstumpfung gegenüber Worten dem Standard des Empfängers entspricht. Um künftig noch geneigte Zuhörer und Leser sowie Betrachter zu haben, sollten wir uns mit unserer Schwatzhaftigkeit zurücknehmen und bleibende Eindrücke provozieren.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

G 20

Endlich! Der Spuk ist vorbei. Hamburg ist wieder befreit aus der Geiselhaft von über 20 Staatenlenkern plus Anhang und Sicherungskräften. Hamburg ist wieder befreit von Chaoten, denen Politik völlig gleichgültig ist. Diesen geht es um Rabatz und Bestätigung ihrer kriminellen Energie unter dem Schutz der Demonstrationsfreiheit und klammheimlicher Solidarität notorischer Misanthropen.

Der G 20-Gipfel wird nicht als schön und auch nicht als besonders erfolgreich in Erinnerung bleiben. Wahrscheinlich kann sogar behauptet werden, er war im behaupteten Sinne überhaupt nicht erfolgreich, da er wenig gebracht, aber viel gekostet habe. Es ist völlig legitim, all dies zur Sprache zu bringen und schließlich auch, völlig zu Recht, darauf zu verweisen, dass es eine unerträgliche Zumutung ist, Hamburg für solche Formate zu beschlagnahmen.

In Hamburg leben Bürger, Menschen, die arbeiten müssen, einkaufen gehen wollen und flanieren. All dies war nicht oder nur eingeschränkt möglich. Nun ist ein Teil dieser Stadt zerstört und muss wieder aufgebaut werden. Was bleibt: Wut, Hass und Erleichterung. Es ist vorbei. Die Krawalle erfolgten auf Ansage, es verbarg sich schon in der Ankündigung, die Politiker des G 20-Gipfels in die „Hölle“ zu schicken und fand sich bestätigt in der puren Aggression eines schwarzen Blocks.

Es ist der Polizei und der Polizeiführung zu danken, dass es nicht weitere Eskalationsstufen, insbesondere Tote gegeben hat. Es gab auch richtige Demonstrationen. Deren Aussagekraft überdauerten leider den Gipfel nicht. Eindrucksvoll waren für mich allerdings Demonstranten, die mit Lehm verkleidet auf Zerstörung und Armut in der Welt hingewiesen haben. Sie haben uns vor Augen geführt, dass wir nicht nachlassen dürfen, um uns über das Elend der Welt Gedanken zu machen und Lösungen anzustreben. Diese Demonstrationen benötigen allerdings nicht den G 20-Gipfel, denn dort werden sie ohnehin nicht wahrgenommen. Bei dem Treffen der Staatenlenker geht es vor allem um das Austarieren von Chancen und Möglichkeiten, frei nach dem Dealgedanken: Gibt’s du mir, dann gebe ich dir.

Es ist illusorisch anzunehmen, dass irgendetwas ohne Gegenleistung funktioniert. Es geht darum, dass bei solchen Gipfeln Leistungsanreize geschaffen und die Möglichkeiten eröffnet werden, neue Verbündete zu suchen oder realpolitische Partnerschaften zu verfestigen. Wo sonst sollten sich Putin und Trump treffen? Wo sonst könnte Herr Erdogan erfahren, was andere Staatsoberhäupter von ihm denken? Begegnungen der Politiker untereinander macht nicht den gesamten Gipfel aus, aber prägen ihn nachhaltig.

Die, die behaupten, der Gipfel bringe überhaupt nichts, verkennen völlig ihre eigene Bedeutung und Stärke. Aber Demonstrationen können nur dann etwas bewegen, wenn sie integrativ als Richtschnur für eigenes und fremdes Handeln wirken. Nicht Andere müssen machen, sondern wir, sei es bei der Wahl unserer Politiker, sei es bei unserem Engagement für andere Menschen durch Tätigwerden vor Ort oder durch Spenden und tägliche Zuwendungen gegenüber Dritten. Nur geben gibt, nicht schreien und Schuldzuweisungen, so war auch dieser G-20-Gipfel wieder ein Lehrstück für uns. Wir sollten anfangen zu lernen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Start-Ups

Start-Ups. Man könnte auch sagen, neue deutsche Welle. An vielen Orten, und zwar nicht nur in Berlin, finden unzählige Veranstaltungen statt, bei denen Jungunternehmen in sogenannten Pitches ihre kreativ/wirtschaftlichen Vorhaben vorstellen. Das ist eine Art des Realitätschecks, der Selbstbestätigung, aber auch der Hoffnung, Unterstützung zu finden. Gemeint ist die Unterstützung durch Business-Angels, Investoren oder Kreditoren.

Durch Kooperationen können sich auch Vertriebswege auftun, Partner finden lassen oder Tipps für Änderungen bzw. Ergänzungen des Businessplans. Die Veranstaltungen sind hilfreich. Das ist nicht zu leugnen. Erstaunlich ist nur, dass heute noch mit Start-Up-Unternehmen in der Regel junge Menschen in Verbindung gebracht werden, also solche, die sich wirtschaftlich auf den Weg im eigenen Interesse gemacht haben.

Das ist nicht zwingend. Auch und gerade ältere Menschen, die mit 55+ ihren ersten Erwerbsprozess abgeschlossen haben, sind jung genug, erfahren genug und oft auch finanziell so ausgestattet, dass sie Ideen, die schon lange in ihnen reifen, nun auch unternehmerisch umsetzen könnten. Das setzt aber voraus, dass man älteren Menschen dies auch zutraut, ihnen ggf. auch Kredite gewährt und nicht mit veralteten Lebenserwartungstabellen ihren Exit berechnet.

Ältere Menschen fokussieren möglicherweise im Gegensatz zu jungen Menschen nicht nur eigennützige Projekte, sondern auch fremdnützige. Shareholder Value kann sich auch umsetzen in gemeinnützigen Trägerschaften. Für junge und alte Unternehmen stehen in der Kooperation zudem ganz neue Crossover-Erfahrungen zur Verfügung, die genutzt werden sollten. Um diese nutzen zu können, sollten junge und ältere „Start-Uper“ aber dringend rechtzeitig Expertise einholen, und zwar insbesondere dazu, was die Organisationsform des Unternehmens, den Abschluss von Kooperationsverträgen, Exit-Regelungen und Undiscloser-Vereinbarungen angeht.

Die erworbenen Rechte müssen geschützt werden, um bleibende Erfolge zu sichern. Die Nachfolge sollte ebenso bedacht werden, wie familiäre Erwartungen. Eine rechtzeitig in Anspruch genommene Beratung ist weitaus kostengünstiger als der Aufwand, langzeitig und mit mäßigem Erfolg enttäuschte Erwartungen wieder zu kompensieren. Damit Start-Ups nicht nur einen kurzfristigen Hype bieten, müssen sie getragen werden von echter unternehmerischer Verantwortung und langfristige Ziele im Auge behalten. Engagierte Unternehmer sind für Deutschland, Europa und unsere Gesellschaft ein Segen, ganz egal, ob sie jung oder alt sind.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski