Der Politiker Jens Spahn musste sich einiges anhören, nachdem er angemahnt hatte, dass in der Bundeshauptstadt Berlin auch in Restaurants wieder mehr Deutsch gesprochen werden sollte. Das hört sich zunächst so an, als ob wieder ein Politiker – wie seinerzeit Herr Thierse mit den Schwaben – einen Weckle-Streit entfache. Ist es aber so nicht. Wir leben in Deutschland.
Unsere Gesellschaft hat sich dazu verständigt, dass hier Deutsch gesprochen wird, anderenfalls müssten wir darüber abstimmen, ob wir das künftig ändern wollen. Dass Sprachen aussterben, ist nicht ungewöhnlich, vielleicht wollen dies einige von uns, dann müssen sie sehen, ob sie dafür eine Mehrheit bekommen. Ich glaube allerdings nicht, dass es hier um eine Grundsatzentscheidung geht, sondern um Konsumentenverhalten. Wenn der Konsument weltweit schon auf Linie gebracht wird, warum dann nicht auch in der Sprache.
Es ist einfacher, Werbebotschaften in Englisch zu schreiben, um die Wiedererkennung weltweit zu fördern, anstatt Einzelansprachen in den einzelnen Sprachräumen entwickeln zu müssen. Englisch ist nunmehr Lingua Franca. Wollen wir das, müssen wir das hinnehmen?
Ich bin nicht dazu bereit, auch wenn ich nicht verkenne, dass manche Sachverhalte im Englischen einfacher auszudrücken sind, als in der deutschen Sprache. Dort, wo Englisch und Deutsch schon Synthesen eingegangen sind, würde ich nicht dafür sorgen wollen, dass Begriffe mühevoll eingedeutscht werden. Jede verkrampfte Überführung von Begriffen ins Deutsche, wie dies zum Beispiel Franzosen mit ihrer Sprache pflegen, halte ich nicht für vernünftig. Aber dort, wo die deutsche Sprache zur Verfügung steht und keine Umstände dagegenstehen, sie auch zu nutzen, halte ich sie auch primär für verpflichtend. Es grenzt schon an Lächerlichkeit, wenn ich zu Vorträgen eingeladen werde und die Vortragssprache Englisch ist, obwohl der Vortragende selbst und sein Publikum weit mehr als überwiegend deutschsprachkundig sind.
Auch, wenn Dolmetscherdienste vorgesehen werden, ist zu beobachten, dass kaum einer es wagt, nach dem „Headset“ zu greifen in der Angst, als der englischen Sprache nicht mächtig erkannt zu werden. Diese Selbstverleugnung der deutschen Sprache hat nichts mit Souveränität zu tun, sondern ist Ausdruck von Unterwürfigkeit und Schwäche. Wenn wir uns aus dem deutschen Sprachraum zurückziehen und damit zum Ausdruck bringen wollen, dass wir über kosmopolitische Kompetenz verfügen, provozieren wir genau das Gegenteil. Das Vakuum, welches wir überlassen, wird zunächst sprachlich, dann aber auch inhaltlich besetzt.
Nach der Begrifflichkeit Convenience Food zum Beispiel bekommen wir als nächstes auch deren Inhalt serviert. Junge Menschen, mit denen ich spreche, erzählen mir gelegentlich, dass sie seit über 7 Jahren in Berlin wohnen, aber weiterhin Englisch sprechen. Auf meine Frage, warum sie dies tun, gibt es die einleuchtende Antwort: „Alle, auch meine deutschen Geschäftspartner sprechen Englisch und daher habe ich bisher keine Notwendigkeit gesehen, deutsch zu lernen. Man versteht mich überall.“
Als Notar wurde ich zuweilen gebeten, Englisch zu beurkunden, dann könne man sich die Kosten für einen Dolmetscher sparen. Wenn ich dann in einem solchen Fall die nächste Beurkundung in Deutsch ankündigte, dann stieß dies nicht auf Unverständnis, sondern oft auf ein Interesse, welches davor überhaupt nicht vorhanden war.
Und tatsächlich, es gelang mir manchmal, meinem Gesprächspartner zu vermitteln, dass er in Berlin und im ganzen Land viel mehr erleben würde, wäre er der Sprache mächtig. Wenn es geklappt hat, dann war die Freude des Entdeckens mit diesem neuen Sprachwerkzeug groß. Im Übrigen: Ich würde in Deutschland nie eine Restaurantbestellung in Englisch, Französisch oder Italienisch aufgeben. Ich halt´s halt mit Polt: Man spricht deutsch hier.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski