Am 12.01.2018 fand das 2. Potsdamer Gespräch unter der Leitung von Bernhard von Mutius statt. Referenten und eingeladene Gäste versammelten sich im „Bayerischen Haus“ in Potsdam, um zum Thema „Industrie und Plattformen – wie entwickeln sich die Besitzverhältnisse der Zukunft?“ herauszufinden, welche Veränderungsprozesse die Wirtschaft und unsere Gesellschaft im Hinblick auf die Digitalisierung unserer Lebensverhältnisse erfahren wird. In der hochkonzentrierten und spannenden Veranstaltung wurde deutlich, dass der Vorsprung im digitalen Bereich der Anbieter aus Silicon Valley und auch China nicht aufzuholen ist.
Mir drängte sich allerdings die Frage auf, weshalb wir so bemüht sind, den Amerikanern und Chinesen gleichzutun, zu versuchen, deren Plattformmentalität auch für uns zu erschließen und nutzbar zu machen. Was würde geschehen, wenn wir sie nicht nachahmen würden, sondern unsere eigene Sprache fänden? Wenn wir uns darauf besinnen, dass alles von Menschen für Menschen gemacht wird, kommen wir dann nicht vielleicht zu einem anderen prozessualen Verständnis, das es uns erlauben würde, eine eigene Plattform für die soziale und auch wirtschaftliche Kommunikation zu entwickeln?
Was den Menschen von Geburt vor allem bewegt, ist Sicherheit. Er will sich seiner Nahrung versichern, seiner Beschäftigung und seiner Fortpflanzung. Wenn der eigene Raum gesichert ist, öffnet sich der Mensch den Möglichkeiten, bedenkt seine eigenen Fähigkeiten und wirft den Hut weit in den Ring. Nicht die Digitalisierung an sich bringt ihn weiter, sondern seine gesicherten Lebensverhältnisse erlauben ihm, ein gutes Leben anzustreben, Bildung, Glück, Genuss, Leichtsinn, Übermut und Wohlbefinden. Daraus leitet sich ab, was der Mensch wirklich will, was er von anderen Menschen, der Gesellschaft und auch der Wirtschaft begehrt. Er will mehr als ihm üblicherweise in der güterpassierten Wirtschaft geboten wird.
Auch die Digitalisierung an sich bietet keine Befriedigung. So übermächtig die Digitalisierung angekündigt wird und in unseren Köpfen Platz greift, sie ersetzt weder unsere Lebensgrundlage noch den Verstand und die Gefühle. Die Digitalisierung ist lediglich ein Tool, um Prozesse zu steuern. Alles darüber hinaus, Disruption und Kollaboration findet ausschließlich im menschlichen Gestaltungsbereich statt. Wenn unser Business Case, ausgehend von unseren Bedürfnissen nicht die Digitalisierung an sich ist, gesellen sich Werte hinzu, die den Menschen nach Zeiten warengestützten Wirtschaftens wieder ein adäquates Leben erlauben.
Der Mensch wird sich fragen: Was will ich? Er redet dabei nicht von seiner Freiheit, sondern will seine Abschaffung, seine soziale Amputation und die eigene Sinnlosigkeit vermeiden. Auf diesem Weg wird der Mensch Plattformen schaffen, die philanthropisch geprägt sind, wirtschaftliche Errungenschaften mittels analoger und digitaler Tools erreichen, aber neben der eigenen Lebensbefriedigung auch das Ganze im Auge haben, weil dies seiner Sicherheit dient.
Bildung, Beschäftigung, Pflege, Erhalt der Umwelt und Klimaschutz sind neben Lifestyle geeignete Business Cases, die den Wohlstand und den Fortbestand der Menschheit sichern. Es ist daher kurzsichtig, amerikanischen und chinesischen Erfolgen hinterherzulaufen und sinnvoll, sich von der reinen Warenwirtschaft zu verabschieden und neue Wege zu gehen. Besinnen wir uns auf unsere Sinnstifter und Philosophen. Wenn diese auch keine probaten Antworten zu allen Lebenssachverhalten zur Hand haben, so sind sie doch verlässliche Scouts, waren es schon immer.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski