Was unter Dataismus verstanden werden soll, muss noch geklärt werden. Was Dadaismus ist, wissen inzwischen etliche Menschen, die sich mit Geschichte und Kultur befassen. Eine der Hauptmerkmale des Dadaismus ist die Dekonstruktion, d. h. die planmäßige oder mutwillige Zerlegung vertrauter Vorgänge, um Bilder zu erzeugen in den Bereichen Kunst, Literatur und Musik, damit sie sich einer geänderten Betrachtung erschließen.
Wie verhält es sich mit dem Dataismus? Auf welcher Dekonstruktionsgrundlage bewegt sich dieser Ismus? Vermögen wir vom Dataismus zu sprechen, weil die Daten die Zerlegung vertrauter Sprache, Bilder und Musik in elektronische Impulse ermöglichen? Aber selbst, wenn man dies bejahen würde, kämen dann nicht Zweifel auf, ob Dadaismus und Dataismus sich vertragen, denn während Dadaismus die Dekonstruktion von Systemen propagiert, beruft sich Dataismus notwendigerweise auf Regeln, sprich Algorithmen.
Dadaismus reflektiert die Form und schafft dort Brüche und Veränderungen, die sich auf die Inhalte auswirken, während Dataismus sich formstreng gebärdet und inhaltlich verwaltet, was an Daten angeboten wird. Allein die technische Dekonstruktion schafft nichts Neues, ist aber in seiner Wirkung weit mehr, als ein reflektiver Dadaismus zulassen konnte.
Die Absurdität des Dataismus beruht in der unendlichen Verfügbarkeit von Daten, die sich systemisch kontrolliert in unermesslicher Vielfalt verbünden, auseinandergehen, sich vertrauen und verraten, Wahrheiten technisch behaupten oder liefern, ohne daran Anteil zu nehmen. Im Sinne einer Entgrenzung des Denkens und Fühlens kommen sich Dadaismus und Dataismus allenfalls asymptotisch nahe.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski