Als junger Mensch hielt ich mich für kurze Zeit in den USA auf, um an einer Schulung teilzunehmen, die sich „Completion Process“ nannte. Es ging einfach ausgedrückt darum, nicht nur die Souveränität über seine eigenen Gedanken und Gefühle zu erlangen, sondern auch eine Methode zu erlernen, das eigene Verhalten stets als Erfolg zu begreifen und dazu nicht passende Argumente anderer Menschen damit zu erledigen, dass man sie aufforderte, über das von ihnen selbst Gedachte und Gesagte selbst intensiv nachzudenken, um so zur richtigen Erkenntnis und Aussage zu gelangen.
Diese Methode wirkt und ich schwebte damals nach meiner Rückkehr aus den USA auf einer Wolke der Selbstzufriedenheit, bis ich feststellte, dass die verblüfften Mitmenschen, Familienmitglieder und Freunde nicht mehr mitmachen wollten. Was habe ich daraus gelernt: dass es notwendig ist, Methode und Inhalte voneinander zu trennen, um zu vermeiden, dass die Äußerung selbst, ob diese mündlich, schriftlich oder durch Handeln erfolgt, durch deren Inhalt so infiziert wird, als ob sie untrennbar und selbstverständlich miteinander verbunden seien.
Genau das, was ich vor 40 Jahren erlebt habe, verkörpert für mich heute die identitäre Bewegung. Es werden vielerlei Themen benannt, aber gleichzeitig vorgeschrieben, wie damit umzugehen sei und wer sich nicht daran hält, wird aufgefordert, sich über die Art und Weise des Umgangs mit dem jeweiligen Thema selbstkritisch auseinanderzusetzen. Diese Art des ´Ver-rücktseins` hat Methode, weil es selbst ´ver-rückt` ist.
Die Evolution, die Entwicklung unseres Menschseins fordert uns im Gegenteil geradezu auf, uns mit allen Aspekten unseres Daseins nicht nur kritisch auseinanderzusetzen, sondern auch perspektivisch, argumentativ, emotional, kulturell und in jeder Richtung beispielhaft. Wenn wir uns nur für einen Augenblick bewusst werden, dass wir trotz aller feststellbaren Unterschiede Vertreter einer Menschheit sind und in der gemeinsamen Weiterentwicklung eine große Chance liegt, implodiert sofort die ganze Aberwitzigkeit der Vereinzelung. Natürlich muss ich für jeden Menschen, jedes Tier und jede Pflanze reden können, weil es mir Freude macht, alles wahrzunehmen, zu lernen, Schlüsse zu ziehen und zur Entwicklung beizutragen.
Schlimm wird es aber, wenn ich mich mangels angeblicher Inkompetenz absondere und mich darauf zurückziehe, ein alter weiser Mann zu sein. Meine Weisheit lässt dies nicht zu.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski