Archiv für den Monat: Februar 2025

Sprachkult

Der Marquis de Posa fordert bekanntlich in Schillers Don Karlos von Philipp II. „Sire geben sie Gedankenfreiheit!“ Ähnliches war von Martin Luther zu vernehmen, zumindest zunächst, als er von der Freiheit eines Christenmenschen sprach, um diese Freiheitsgewährung später allerdings wieder einzusammeln, zumindest soweit es die Bauern betraf. Artikel 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte manifestiert die Meinungsfreiheit für alle, wie sie auch Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bürger unseres Staates festschreibt.

Ist damit alles Denken und Sagen legitimiert? Wie verhält es sich dann mit dem umfassenden Denken, Meinen und auch Ausdrücken, sprachlich und in der Schrift? Habe ich ein Recht, alles zu sagen, was mir in den Sinn kommt?

Zumindest nach dem Grundgesetz wohl schon, soweit das, was ich ausdrücke nicht mit den strafrechtlich sanktionierten Abwehransprüchen des Staates, die auch im Interesse anderer Menschen durchgesetzt werden, kollidiert. Jenseits der Strafbarkeitsgrenze stellt sich mir die Frage, ob ich denn auch immer erfahren will, was andere meinen und sagen? Sollte Sprache in Wort und Schrift nicht vor allem empfängerorientiert sein? Kann ich es nicht als Zumutung empfinden, mir stets anhören zu müssen, was andere auch medial als ihre Meinung verbreiten? Wo ist der Schutz meiner Wahrnehmungsbereitschaft im Empfängerhorizont? Dazu finde ich weder in den allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte, noch im Grundgesetz entscheidende Antworten, es sei denn, allgemeine Hinweise auf Strafgesetze, wobei diese nur im Einzelfall Relevanz aufweisen können.

Die Gedankenfreiheit ist keinem Menschen abzusprechen, auch Sprache, Bilder und alle sonstigen Medien als Verständigungsinstrumente sind willkommen, aber benötigen wir nicht den Schutz des Einzelnen vor der Meinungskakophonie? Also, jeder sollte denken, was er will und somit auch eine Meinung haben. Äußert er diese in seiner Blase, verstärkt sie sich sehr dynamisch in der Gruppe. Diffundiert sie dann aber auch durch die sie eingrenzende Hülle in andere Räume oder gerät gar in Abwehrscharmützel mit den sich dort ebenfalls bildenden Meinungen?

Meinungen sind unerbittlich wie auch unverbindlich, sie passen sich an oder zerstören, wenn man sie frei lässt. Wie jeder Organismus hat auch jede Gesellschaft die Möglichkeit, eine Kultur zu verabreden, die konstruktive Meinungen im Interesse der Entwicklung gesellschaftlicher Prozesse ermöglicht, aber unwillige Empfänger beliebiger Meinungen schützt.

Keiner muss sich alles bieten lassen, sondern die Möglichkeit haben, im Eigeninteresse Meinungsbeschallungen einzuschränken bzw. zu verhindern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Framing

Vielleicht schon das Ende der Philosophie?

Der Begriff „Framing“ ist begierig, unsere Gedanken zu rahmen, Zuordnungen zu schaffen, aber auch in Schranken zu weisen und Wahrnehmungen verbindlich einzuhegen. Im Framing werden unsere Absichten subjektiv und auch objektiv konditioniert, angepasst an ein Setting, welches bereits eine Anerkennung gefunden hat oder diese zu erlangen trachtet.

Was verspricht mir diese Art des Brandings? Sollte ich lieber zuschauen, abwarten oder gar handeln? Handle ich im selbst gewählten Maßstab oder werde ich gar selbst verhandelt, ausgesondert oder anerkannt? Von selbst passiert offenbar nichts, kein Grund ist grundlos. Alles Denken, Fühlen, Handeln wird auf die Probe gestellt, erfährt aber seine Bestätigung schließlich in der Zentrifuge all dessen, was allgemein gemeint, gefühlt und gesagt wird.

Die Anpassung, der vorgegebene Rahmen macht es! Er schafft verbindliche Inhalte und verleiht jeder Äußerung, sei diese schriftlich oder bildlich, ihre positivistische Bestätigung, eine Zertifizierung des jeweils Berechtigten. Wahr ist, was dessen Vorstellung genügt und so eine entsprechende Einordnung erfahren hat. Die instrumentalistisch angelegte sprachliche Rahmung verzichtet auf weitere Hinterfragung und Erkenntnistiefe.

Framing ist Zuweisung. Der passende Rahmen wird, soweit er noch nicht vorhanden ist, passgerecht geschaffen bzw. passend gemacht. So passt jeder passend in irgendein Bild, das Worte, Zeit und Umstände für ihn schaffen, wenn es klemmen sollte. Im konsequenten Framing erledigen sich sämtliche Fragen, die über eine Instrumentalisierung von Sprache und Bildern hinausgehen und dem Sinn des Lebens eine Unbegreiflichkeit abverlangen würde. Es genügt, dass ich mir ein Bild mache oder ein Bild von mir gemacht wird, Abweichungen nicht bestehen oder passgerecht gemacht werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Opus Magnus

Das ganz große Werk, das alles berücksichtigt, abwägende Erkenntnis beinhaltet und die Tatkraft seines Schöpfers erstrahlen lässt, ist sicher bedeutend. Seine Signatur besiegelt dessen Vollkommenheit. Sie verkündet, dass er das Werk geschaffen hat, immerwährend besungen in Kunst, Musik und Literatur, aber auch in der Politik oder auf dem Schlachtfeld.

Seht her, das ist mein Werk! Ob ich Türme baue oder sie zum Einstürzen bringe, den Planeten erblühen lassen oder ihn vernichte. Der Schöpfer unterwirft das Werk seinen Regeln, bevorzugt meist die Tat statt der Erkenntnis.

Was veranlasst ihn zum Handeln? Ihm unterbreitete Bedürfnisse, plötzlich Erleuchtung, Geistesblitze oder Anerkennung? Das ist nicht ausgemacht. Hat der Schöpfer sich aber einmal an sein Werk gemacht, gibt es kaum etwas, was ihn an dessen Vollendung hindern könnte. Ob zum Guten oder zum Schlechten, zum Schönen oder zum Hässlichen, die Aufschwünge zum ganz großen Werk sind deutlich spürbar. Es macht sich dann allerdings von seinem Schöpfer frei. Er selbst wird zum Amalgam seines Werkes. Das Werk selbst wird ihm zur Bürde, jedenfalls bleibt es im ewigen Gedächtnis der Menschheit.

Was kümmert es demnach den Schöpfer? Der ist zwischenzeitlich gestorben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Entgrenzung

Es ist etwas los in dieser Welt. Wir wollen uns schützen vor Trump, Musk und Weidel. Aufrufe, Appelle und Demonstrationen. Atomkraftgegner, Klimaschützer und Weltenretter. Es hat doch immer gut funktioniert. Hier die Anständigen angeblich in der Mehrzahl und dort die Bedrohung, irgendwie werden wir schon damit fertig und wenn nein, dann haben wir zumindest alles versucht, das Schlimmste zu verhindern.

Das Muster unseres Protestes ist geblieben, aber die Bedrohung hat sich angepasst, ist Dank Digitalisierung flexibel geworden. Es ist keine Geschichte von einem Elefanten und einer Mücke, sondern von einer grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse, in denen wir leben.

Wind of Change, Zeitenwende und welche Metaphern auch sonst noch verwendet werden, sie verschleiern eher, als dass sie deutlich machen, dass eine Disruption stattfindet, die alle bisherigen Gewissheiten oder Vorstellungen in Frage stellt, keine Rücksicht nimmt auf Befindlichkeiten, skrupellos oder konsequent, je nach Betrachtungsweise, unsere Welt so umgestaltet, dass sie keinerlei Kongruenz mehr mit unseren bisherigen Erwartungen, Erfahrungen und Lebensversprechen mehr aufweisen wird.

Es ist zwecklos, sich mit Protesten dagegen stemmen zu wollen. Der einzige Weg, diesen Umwälzungen gewachsen zu sein, ist, sich auf sie vorzubereiten, d. h. sie zu studieren und Schwachpunkte zu erkennen, die vielleicht zu nutzen sind, um der künftigen Entwicklung eine Richtung zu geben, die sich auch an den in der Vergangenheit erworbenen Werten orientiert. Zuversichtlich bin ich da überhaupt nicht, sondern meine nur, dass, wenn sich eine entsprechende Gelegenheit bietet, diese auch ergriffen werden sollte. Im Übrigen besteht hier ein Bildungsauftrag, d. h. nicht zu jammern, sondern resiliente Entwicklungen durch genaues Studium und flexible Reaktionen auf alle Zumutungen zu gestalten.

Die Menschheit begibt sich derzeit auf einen Schlingerkurs, der gefährlich sein kann, aber auch Gelegenheit bieten wird, bisherige Denk- und Verhaltensmuster nicht nur zu überprüfen, ggf. anzupassen, sondern auch über grundsätzliche Neufindungen in unserer Gesellschaft die Voraussetzungen für deren Existenzsicherung auch im digitalen Raum zu schaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zuversicht

Wird schon werden. „Heile, heile Segen, morgen gibt es Regen, übermorgen Schnee, tut der Finger nicht mehr weh.“ Eltern verstehen, ihre Kinder nicht nur zu trösten, sondern ihnen auch eine Perspektive aufzuzeigen, wenn sie sich zum Beispiel in den Finger geschnitten oder sich mit anderen Kindern gezankt haben.

Diese selbstverständliche Zuversicht scheint manchem in Bezug auf andere Menschen und das Leben abhandengekommen zu sein. Ständig werden zudem Gefahren beschrieben, die uns durch Klimawandel, wirtschaftlichen Verfall und Überbevölkerung drohen könnten. Die Welt ist voller Gefahren, aber kaum noch ein Tröster ist vorhanden, der mit „Heile, heile Segen…“ dafür sorgt, dass Menschen wieder Mut fassen, Schmerzen überwinden und hoffnungsfroh ihre Zukunft gestalten. Werden wir so mangels Perspektive zu Antinatalisten? Ich hoffe nicht.

Alle weltlichen und religiösen Schöpfungsverkündungen wimmeln seit Menschengedenken von gefährlichen Szenarien, die letztlich wieder eingefangen werden könnten durch Versprechen, wie, dass dies doch schon immer so gewesen sei, Veränderungen stets möglich und wahrscheinlich seien, objektive und subjektive Bedingungen sich änderten, Langeweile und Erschöpfung schließlich alles erledige. Niemals, so ist dies historisch bestätigt, wurde das letzte Wort gesprochen, sondern es fand sich stets ein weiterer Ausweg, gab es Gründe, wieder an Aufbruch und Neubeginn zu glauben.

Da seit dem Urknall nichts endlich sein kann, gibt es gute Gründe, die Zuversicht zu hegen und in Momenten der Verzagtheit, andere und sich selbst an später zu erinnern, an eine bessere Zeit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski