Archiv der Kategorie: Kultur

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen kulturellen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Geschwätz

Also, Hand aufs Herz. Wer ist nicht fast drauf und dran zu kapitulieren angesichts der Flut an schriftlichen Botschaften, stammen diese aus E-Mails, Fachzeitungen, Zeitschriften, Blogs, Bücher und sonstige schriftliche Äußerungen. Zu allem Schriftlichen gesellt sich das Mündliche aus Smartphone, Fernsehen und Rundfunk. Der Computer bietet das volle Programm und fordert dazu auf, auch noch Nachrichten wahrzunehmen, die unspezifisch Leser und Zuhörer erreichen.

Alles scheint wichtig zu sein. Das ist es aber nicht. Die Geschwätzigkeit hat Einzug gehalten in alle Medienbereiche, also auch in alles Optische, ob Kunst oder Film. Nichts bleibt von der Geschwätzigkeit verschont. Selten werden Filter angeboten, die das uns Wichtige oder uns Interessante aussondern, zum Denken anregen oder Empfindungen längerfristig bedienen. Die Rückbezüglichkeit auf andere Wortbeiträge oder Vorkommnisse macht es fast unmöglich, noch einen eigenen Standpunkt der Verfasser erkennen zu können.

So fängt allmählich das ganze öffentliche Wort- und Bildgeschehen an, sich in einen Brei zu verwandeln, der in seiner Klebrigkeit uns alle immunisiert gegen wirkliche Neuigkeiten aus der Philosophie, der Kunst und der Gesellschaft. Natürlich wird die Geschwätzigkeit in Allem noch zunehmen, aber sie wird zwecklos bleiben. Es ist zu befürchten, dass die allmähliche Abstumpfung gegenüber Worten dem Standard des Empfängers entspricht. Um künftig noch geneigte Zuhörer und Leser sowie Betrachter zu haben, sollten wir uns mit unserer Schwatzhaftigkeit zurücknehmen und bleibende Eindrücke provozieren.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Also sind wir

Wir wurden geboren. Das entsprach nicht unsere Entscheidung. Wir sterben. Das beruht in der Regel nicht auf unserer Entscheidung. Unser ganzes Leben beruht nicht auf unserer Entscheidung. Das Leben wurde uns nicht geschenkt, sondern angeordnet, aufgezwungen.

Unsere Menschwerdung folgt zwar auch einer wesentlichen Entscheidung unserer Eltern, aber nicht nur. Wir wissen, dass es Menschen im Allgemeinen geben muss, damit das Leben auf diesem Planeten seinen ihm immanenten Sinn hat. Das in die Welt geworfen sein des Menschen hat also Sinn und bedeutet doch Last. Was können wir vermeiden, was sollten wir müssen? Was müssen wir ertragen und was wird von uns erwartet?

Das ist zum einen individuell zu beantworten, je nachdem, in welchen Umständen wir aufwachsen, zum anderen aber auch umfassend gesellschaftlich und menschlich. Wir müssen unserem Leben den Sinn zuordnen und uns dieses Vorgangs stets bewusst sein. Sinn zu erhalten, heißt sich zu vergegenwärtigen, dass unser Leben eine Grundlage hat und uns in Verantwortung nimmt für die Erhaltung der Menschheit auf diesem Planeten und aller seiner Lebewesen, der gesamten Natur.

Diese Verantwortung muss gelehrt werden, und zwar beginnend mit den Eltern als immerwährender Lebensunterricht bis zum Tode. Wird unser Lebenssinn und dessen Erhaltung nur einzelnen Aufpassern überantwortet, so stellt sich allseits eine Überforderung ein, sowohl bei den Wächtern als auch bei uns, die wir den Sinn von diesen getroffenen Maßnahmen in unserer kleinen Welt oft nicht begreifen können und ignorieren.

Das gilt für den Klimaschutz gleichermaßen, wie für nicht recycelbaren Müll, Verschwendung und in Kauf genommene Erkrankung infolge persönlicher Vernachlässigung. Da unser Leben sinnvoll ist, muss es der Verschwendung und Zerstörung widerstehen, sonst sind wir die Opfer einer existenziellen Selbstverleugnung. Die Unterweisung in den Fächern Lebenssinn, Menschenwürde und Erhaltung des Planeten sollte nicht nur auf dem Schulplan stehen, sondern auch in jedem Gespräch mit sinnstiftenden Eltern berücksichtigt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

In Berlin

Berlin. Berlin. Ich liebe meine Stadt. Es ist die Stadt, in der nicht nur viel los ist, sondern jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich zu verwirklichen, ob er ganz jung ist oder alt. Die Stadt ist schön und auch auf eine herrliche Art und Weise etwas anarchistisch. Was aber kaum jemals in dieser Stadt erfolgreich war, ist Politik und Bürokratie.

Die Obrigkeit ist irgendwie beschäftigt, aber vorwiegend mit sich selbst, peinlich darauf bedacht, preußisch pedantisch einfach Obrigkeit zu bleiben. Von Bürgernähe war und ist in dieser Stadt nichts zu spüren. Dabei geht es mir nicht darum, noch ein weiteres Klagelied auf die an sich völlig unterforderte Bürokratie anzustimmen, wohlwissend, dass Unterforderung immer Überforderung hervorbringt, sondern festzustellen, dass diese Bürokratie und ihre politischen Anführer offenbar weder einen Plan für diese Stadt haben, noch wissen, was die Menschen, die in dieser Stadt leben, eigentlich von ihr erwarten.

Zugegeben, kulturell sind wir auf der Höhe, nicht nur Kultursenatoren mischen sich in jeden Spielplan von Theater und Oper ein, sondern jedes gesellschaftliche Ereignis wird von politischen Claqueuren selbstbereichernd begleitet. Das betrifft insbesondere die Feiern im Sommer, quer durch diese Stadt und der Straße des 17. Juni bis Charlottenburg oder Alexanderplatz. Viele Menschen kommen aus der ganzen Welt zu uns, um diese einzigartige Feiermeile im Sommer zu bestaunen. Das ist einerseits gut so, aber es wird dabei wohl verkannt, dass es in dieser Stadt auch Millionen von Bürgern gibt, die hier leben und arbeiten wollen bzw. müssen, ob es Winter ist oder Sommer.

Die Straße des 17. Juni ist gefühlt während des gesamten Sommers gesperrt, eine der wichtigen Verbindungsachsen zwischen West- und Ostberlin. So bleibt getrennt, was zusammengehört. Kein Bus, kein Autofahrer vermag dann in geziemender Zeit dieses Hindernis zu überwinden und verzichtet lieber ganz auf Begegnungen, einmal abgesehen von den durch Stau und Sperrungen verursachten Umweltschäden.

Nicht alle Berliner sind Fahrradfahrer, zumal dies in der Stadt gefährlich und obwohl auch der Zustand öffentlicher Verkehrsmittel teilweise unerträglich ist. Was in dieser Stadt fehlt, ist Bürgersinn, und zwar nicht der Bürger selbst, die diesen durchaus haben, sondern der Obrigkeit. Der Bürger will Sicherheit, Ordnung, passierbare Wege und die Gelegenheit haben, seine Stadt ausgewogen zwischen seinen Interessen und den Interessen der Allgemeinheit zu nutzen. Also, schaut auf diese Stadt, ob das Bürokratie und Führung irgendwann hinkriegen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ich

Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich.  Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Du. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fremdheit

Das Fremde ist ein Anderssein, das diesen Status dadurch erlangt, dass es von irgendeiner Norm abweicht. Die Norm ist das Bekannte. Das Unbekannte ist fremd. Diese Eigenschaft kann objektiv, aber auch subjektiv begründet sein. Objektiv fremd ist etwas, was zu dem Anderen nicht passt. Objektiv fremd ist zum Beispiel eine Pflanze, die aus Venezuela eingeschleppt wurde und sich hier ausgebreitet hat. Subjektiv fremd ist etwas, was entdeckt werden muss, um seine Nähe und Nützlichkeit zu erkennen.

Man könnte hierbei zum Beispiel an die Kartoffel oder die Gewürze denken. Im weitläufigen Sinn sind Nähe und Fremdsein nicht der Wahrheit verpflichtet, sondern lediglich der Anschauung. Wir bestimmen, was fremd ist und implizieren dabei auch die Lüge, indem wir das dem Sein immanente, biologische und physiologische Fremdsein auf Behauptungen übertragen, deren Beweis in ihnen selbst zu wohnen scheint.

Das Fremde ist zudem oft auch angstbesetzt und entrückt. Die Lust auf das Fremde, die Neugier, das Unbekannte und Fremde kennenzulernen, scheitert an der mehrheitlichen Ablehnung a priori. Die schillernden Aspekte des Fremdseins durchmischen Wirklichkeit und Trug. Es ist an uns, Entscheidungen zu treffen, die Begriffe neu zu bewerten und Fremdheit zuzulassen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gelassenheit

Ich denke, um des Denkens willen. Ich denke prozessorientiert. Ich denke zielgerichtet, aber abstrakt. Ich denke als Anliegen. Ich denke ergebnisorientiert. Ich denke für Andere. Ich denke alles einschließend, also umfassend. Ich denke die Gefühle nutzend. Ich denke Gefühle. Ich denke fließend. Ich denke Blockaden. Ich denke vor. Ich denke nach. Gedankenlos.

Denken verboten. Denken langweilig. Ich denke vergeblich. Ich denke an den Empfänger der Gedanken. Ich denke an mich. Ich denke morgens, abends und nachts. Ich denke im Bett, auf dem Klo, im Bad. Ich denke Blödsinn. Ich denke Kluges. Ich denke, um zu denken. Ich denke zeitlos, sinnlos, entfernungslos, weit, nah, auf den Punkt. Ich denke frei. Ich denke verkrampft. Ich denke mit Vorurteilen. Ich schichte Gedanken ab. Ich baue Gedanken auf. Ich lasse mich von Gedanken treiben. Ich denke selbst. Ich lasse andere denken. Ich habe keinen Bezug zu meinen Gedanken.

Meine Gedanken haben sich verselbstständigt. Vom Denken wird es mir schwindlig. Vom Denken wird mir stumpf. Ich denke, also bin ich? Ich denke, dass ich bin. Ich bin auch ohne zu denken. Gibt es einen Sinn des Denkens? Gibt es einen sich selbst denkenden Sinn? Methodenlehre des Denkens ist die Philosophie. Der Zirkus des Denkens ist die Religion. Das Denken besitzt eine unendliche Spielwiese der Mutmaßungen. Das Denken weist eine Richtung, aber keine Ergebnisse. Durch das Denken werden Probleme nicht gelöst, sondern geschaffen. Fühlen, Denken und Handeln sind miteinander verwandt, aber nicht vertraut. Kann Denken hilfreich sein? Kann ich durch Denken Einfluss auf etwas nehmen?

Kann mir jemand oder ein Umstand beim Denken helfen? Denken als Zeitvertreib. Denken als Prozess – des Träumens – des Fühlens – des Empfindens. Denken als Synapsengeflunkere. Maschinendenken. Computerdenken. Internetdenken. Denken als gesellschaftliche Bereicherung. Gemeinsames Denken. Ich habe mal so gedacht… Denken als l´art pour l´art. Denken ohne Vorkenntnisse. Plötzlicher Denkeinfall. Denkfalle. Denkexzess. Denkblockade. Eine Maschine hat es gut. Sie ist vom Denken befreit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kochen (Teil 2)

Die Ergebnisse sind schon sichtbar und belasten nicht nur jeden von uns persönlich, sondern auch die ganze Gesellschaft. Di­abetes grassiert selbst bei jungen Menschen, Kreislauferkrankungen und Anfälligkeiten für andere Infekte sind auf der Tagesordnung. Abgesehen von steigenden Kosten der Krankenfürsorge steigen auch die Kosten der Umweltbelastung durch Ressourcenverschwendung und Verpackungsmüll.

Und dabei gibt es eine einfache Alternative: selbst kochen. Selbst kochen für sich selbst und die ganze Familie. Das ist viel einfacher, als die meisten Menschen denken, insbesondere dann, wenn sie noch niemals gekocht haben. Die Meisten meinen, ein Kochbuch, eine Anleitung sei erforderlich. Überhaupt nicht! Kochen muss nicht erlernt werden, Rezepte sind nicht nützlich. Es genügt etwas Mut, Wille und Kontrolle. Zutaten sind das Gemüse der Saison, ein Kochtopf – möglichst ein Dampfkochtopf – etwas Wasser und ca. 20 min. Geduld, bis die Zutaten gegart sind.

Überhaupt keine Hexerei! Alles schmeckt köstlich – auch den Kindern. Kochen geht fast ausnahmslos ohne Kochbuch, Reste lassen sich wunderbar verarbeiten und es lässt sich hervorragend experimentieren mit allen sonstigen Zutaten, die sich in der Küche so zufällig anfinden.

Für die tägliche Mahlzeit sind Sterneköche schlechte Ratgeber, sie zwingen zur ausführlichen Vorauswahl, zum Kochbuch und zur strikten Einhaltung der Vorgaben. Alles nicht wichtig, wenn man aus dem Handgelenk herausarbeitet und wunderbare Speisen zaubert, die immer wieder variieren, wegen ihrer Zutaten geheimnisvoll sind und natürlich gut schmecken. Kürbis mit roter Beete und Schafskäse in der Pfanne, Mohrrüben mit Kartoffeln und Erbsen, Bohnen in einer Honig-Paprika-Sauce, alles geht und wir wissen, was wir essen. Viel Vergnügen und guten Appetit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kochen (Teil 1)

Ich koche für Dein Leben gern! Es ist etwas erschreckend zu erfahren, dass überhaupt nur noch 1/3 der deutschen erwachsenen Bevölkerung kocht. Das ist erstaunlich, weil Kochsendungen einen hohen Anteil am Programmangebot des Fernsehens bieten. Kochbücher sind sehr beliebt und von den ausgeklügelsten Rezepten liest man querbeet durch alle Zeitschriften und Zeitungen. Und doch: Der moderne Mensch scheint nicht mehr zu kochen, sondern geht entweder ins Restaurant, lässt sich bekochen oder reißt zu Hause die Verpackungstüten von Fertiggerichten auf. Convenience Food ist das Stichwort für modernes Konsumverhalten in Sachen Essen. Es vermittelt die Vorzüge einer passgerechten Ernährung, die auf Zeit und Umstände reagiert, gut schmeckt und deren Überbleibsel schnell zu entsorgen sind. Die Verpackung dient als Teller, das Besteck wird oft schon mitgeliefert. Es entfällt der Abwasch. Der Mensch kann sich schnell wieder seiner Arbeit oder dem Vergnügen zuwenden. Auch Gäste können anstrengungslos bewirtet werden. Selbstmachen ist anscheinend nicht mehr in.

Wenn eine ganze Gesellschaft sich im Mainstream befindet, prüft sie auch nicht mehr nach, ob das Verhalten gesundheitlich noch tragbar und umweltverträglich ist. Die Bilanz könnte sich als erschreckend erweisen. Schon ein Blick auf die Zusammensetzung des Essens und seiner Begleitstoffe dürften die Menschen aufhorchen lassen. Die Zusammenstellung der Zutaten kommt nicht nur aus EU-Ländern. Der Weltmarkt steht offen für das, was wir essen sollen. Mohrrüben aus China oder Ägypten, Kohl aus Neuseeland und Salat aus Bolivien. Die ganze Welt als einziges Anbaufeld – Lieferanten der Essenszutaten handeln nur unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung. Das ist leider selbstverständlich geworden. Was die Zutaten ge­schmacklich nicht vermögen, wird durch Fettzugaben, Zucker und Aromen ge­schaffen. Wir täuschen so unseren Geschmackssinn und auch unseren Körper.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vollständigkeitswahn

Zuweilen nehme ich an Kongressen, Gesprächsrunden oder Seminaren teil. Die Meisten haben zeitliche Ausdehnungen von mehreren Stunden und Tagen. Nach Begrüßungen und Einführung in die jeweiligen Themenbereiche kommen dann mehrere Referenten zu Wort. Üblicherweise nennt man dies dann Podiumsdiskussionen.

Zu Veranstaltungen, bei denen ein bestimmter zeit­licher Rahmen nicht vorgegeben ist, gehe ich überhaupt nicht mehr. Aber selbst dann, wenn ein solcher Rahmen besteht, ist er oft nur Anhaltspunkt für die Länge einer Veranstaltung, scheint aber die Agierenden selbst nicht zu binden. Bei Veranstaltungen, die den selbst gesetzten Rahmen um mehr als 20 Minuten überziehen, verschwinde ich. Selbst der verlockende Hinweis, dass es anschließend noch Fingerfood gäbe, kann mich davon nicht abhalten. Mir ist keine Veranstaltung bekannt, bei der es darum geht, eher die Einschätzung des Publikums zu erfahren, als sich selbst möglichst ausufernd zu präsentieren.

Das Publikum ist natürlich wichtig, denn ohne das Publikum gäbe es diese Veranstaltungen nicht. Wenn die Referenten zu Beginn ihres Vortrages erklären, sich zu beschränken und das Thema eingekreist zu haben, dabei sogar ihre Armbanduhr auf das Pult legen, kann der Zuhörer davon überzeugt sein, dass selbst vorgegebene Zeitrahmen nicht eingehalten werden.

Bei vielen Referaten herrscht der Vollständigkeitswahn. Möglichst viele Detailinformationen werden in den Vortrag gepackt und den Zuhörern auferlegt. Dabei wird übersehen, dass auch ein umfassender Vortrag nicht beglaubigt, dass tatsächlich viel inhaltlich gesagt wird. Das inhaltliche Sagen korrespondiert mit dem Verständnis der Zuhörer, die oft mit der Fülle der Details überhaupt nichts anfangen können. Nach geraumer Zeit erlahmt ohnehin die Möglichkeit des kohärenten Zuhörens, d. h. einzelne bekannte Erinnerungsmomente strukturieren den gesamten Vortrag aus Sicht des Zuhörers.

Ich bin überzeugt, dass nach einem mehrstündigen Kongressgeschehen kein Kongressteilnehmer mehr genau weiß, was er gehört hat. Er könnte zwar nachlesen, aber das ist mühsam. Zudem gibt es die nächste und übernächste Veranstaltung und irgendwann bleibt nur noch die Reminiszenz an das vernommene Wort.

Von besonderer Heimtücke sind Podiumsveranstaltungen unter der Führung eines medial erprobten Moderators. Er hat sich mit einem umfassenden Fragenkatalog auf diesen Moment vorbereitet und wird nicht aufhören, alle seine Fragen abzuarbeiten und dabei auch seine Wertung mit einfließen zu lassen. Da die meist vielzähligen Podiumsteilnehmer – man möchte ja auch keinen übersehen – nur themenweise auf die Podiumsdiskussion vorbereitet wurden, ergeben sich ihre Antworten situativ und improvisiert. Die meisten sind davon überzeugt, dass sie das Thema ohnehin völlig im Griff haben, denn sie wurden ja als Experten geladen.

Wenn der Moderator irgendwann eine bestimmte Unruhe im Zuhörerraum festgestellt hat, leitet er über zur Fragerunde, wobei die Zuhörer ermahnt werden, nur Fragen zu stellen und keine Co-Referate zu halten. Das gelingt nicht immer, aber schnell ist es auch wieder zu Ende mit der Publikumsbeteiligung, um anschließend noch weitere Schlussrunden auf dem Podium zu drehen. Zuletzt fasst der Moderator noch einmal zusammen, was thematisch vorgegeben war. Eine Kakofonie von Wiederholungen, Meinungen und längst bekannten Umständen klärt nicht auf, sondern verhindern Erkenntnisse.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Augenblick der Betrachtung

„Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!“

So hat Goethe Faust sein Ende beschreiben lassen. Verweilen als Aufgabe der Unrast, Bereitschaft abzuschließen mit einem tätigen Leben. Diese Sichtweise ist zwar literarisch verbürgt, aber verweilen kann weit mehr implizieren, als die Beschaulichkeit der Endlichkeit. Verweilen ist auch innehalten, das Wägen und Prüfen eines Umstandes und Wahrnehmung des Augenblicks der Besinnung und des Resets.

Ein Weiler gewährt dem Reisenden Geborgenheit, beschützt ihn und lässt, bevor er weiterzieht, seine Kräfte erstarken. Wenn ich verweile, begegnet mir möglicherweise auch die Langeweile wieder, die unendliche Zeit des üppigen nichts tun müssen oder nichts tun können. Die Langeweile entspannt, entwickelt Empfindungen, Bilder und Gerüche, hat Einfluss auf die Zeit.

Wer verweilt, hat die Möglichkeit, sich körperlich, geistig und seelisch zu erholen, wird aber auch konfrontiert mit Sinneseindrücken, die die Geschäftigkeit des Alltags unterdrückt hat. Sehnsucht stellt sich ein, Sehnsucht nach dem, was unerreichbar erspürt wird. Ein Gefühl der Verlassenheit paart sich mit einer Ahnung des Möglichen, mahnt den Verweilenden zum Aufbruch nach einer Zeit des Innehaltens.

Das Verweilen ist dem Kind sehr nahe, geht aber im geschäftigen Leben abhanden. Um die Kraft des eigenen Seins wieder zu spüren und in der Erkenntnis, dass das Leben nicht durch die Hetze wertvoll gemacht wird, sollten wir uns auf das Verweilen einlassen, wieder mit uns selbst, unserer Familie und Freunden. Eine Gesellschaft, in der das Verweilen wieder Mode wird, kann ihre Lebenszeit auf erquickende Weise dehnen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski