Archiv der Kategorie: Kultur

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen kulturellen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Zumutung als Herausforderung

(…)
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
(…)

So heißt es im „Abendlied“ von Matthias Claudius. Schlaf als Bitte für sich und andere. Ver­ständlich, wenn man bedenkt, was Schlaf zu bewegen vermag. Schlaf erfrischt, schlaf heilt, schlaf verarbeitet Erlebtes zu handhabbaren Mustern, behütet den Erwachenden von den glei­chen Fehlern des Vortages und schont damit andere auch.

Finde ich nicht mehr in den Schlaf, fürchte Strafen nicht und ist mir auch mein Nachbar völlig gleichgültig, dann lebe ich in der Zumutung einer Freiheit, die Konsequenzen hat. Ich darf mich auf Kosten anderer bereichern, ohne eine soziale Stigmatisierung befürchten zu müssen. Bedenklicher ist, dass auch der schamloseste Missbrauch der mir anvertrauten Macht Bewunderung auslöst. Ich fördere künftig nur denje­nigen, der mir nützt und investiere auch nur dort, wo ich mit einem Gewinn rechnen kann. Von wegen Gier. Ich bin doch nur Realist.

Es ist so einfach, sich vor sich selbst zu rechtferti­gen ohne abwägen zu müssen zwischen eigenem Verhalten und mitmenschlicher Herausfor­derung. Es ist so einfach, anderen die Schuld für ihr missglücktes Leben allein zuzuweisen, wie von den Schwächeren die Stärkeren oft für ihr eigenes Missgeschick verantwortlich ge­macht werden.

Es ist leicht zu durchschauen, wenn wir nur so tun, als ging uns das Leid ande­rer Menschen etwas an. Es ist ein geringes Opfer und zeugt oft von großer Eitelkeit, etwas zu spenden, dies zu publizieren und dabei zu verschweigen, dass es doch eher um steuerliche Vorteile geht. Gesellschaftliche Verantwortung kann man nicht erzwingen, auch nicht durch angeordnete Umverteilung. Der Weg dorthin führt nur über Patriotismus und die Bereitschaft, Vorbild zu werden, um mit Demut sich zuzumuten, anderen Menschen den Schlaf zu ermög­lichen und sie dabei vor Schlimmem zu behüten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Tatsachen

Tatsachen sind unbequem. Sie lassen sich nur schwer ignorieren. Sollte man dies dennoch versuchen, dann machen Tatsachen wieder auf sich aufmerksam. Tatsachen sind Vorkommnisse, die abgeschlossen sind und dazu zwingen, auf sie zu reagieren, ohne sie jemals wieder beseitigen zu können. Solche Tatsachen stellt jedes historische Ereignis dar.

Wie wir im Einzelnen die Tatsachen bewerten, beseitigt sie nicht, sondern gestaltet nur ihre Wirkung. Die Tatsache ist aber keine Wirkung an sich, sondern ruft sie erst hervor. Es ist in jüngster Zeit eine feststehende Tatsache geworden, dass in Großbritannien von Wählern der Brexit beschlossen wurde. Das ist eine Tatsache, die auch dann nicht beseitigt werden kann, wenn eine weitere Volksbefragung zu anderen Ergebnissen führen würde.

Auch die Tötung unzähliger Armenier in der Türkei stellt eine Tatsache dar, die nicht erst geschaffen wurde, weil der Bundestag beschlossen hat, es handele sich hierbei um Völkermord.

Auch die Tötung von Millionen Menschen in Deutschland während der Nazizeit ist eine feststehende Tatsache, ohne dass der Bundestag jemals das Vorhandensein des Holocaust oder des Völkermordes beschlossen hätte.

Tatsachen sind in ihrer Eindeutigkeit auf Interpretationshilfen nicht angewiesen. Sie müssen nur als solche benannt werden. Tatsachen werden gerne verschwiegen, ummantelt oder so interpretiert, dass sie in ihrer Bedeutung kaum mehr wahrgenommen werden. Tatsache war, dass alle Gründe, die seitens der USA vorgebracht wurden, um den Einmarsch im Irak zu rechtfertigen, frei erfunden waren. Tatsache ist die Besetzung der Krim durch Russland.

Tatsachen sind alle Vorkommnisse, ob sie sich in unserem privaten Bereich oder im öffentlichen Bereich befinden, es ist an uns, deren Wirkung zu begreifen und weitere Tatsachen zu schaffen, die wir verantworten können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sein oder nicht sein, das ist die Frage

Philosophen und Wissenschaftler arbeiten sich an der Frage ab, wie es geschehen konnte, dass Materie entstand, ohne gleich wieder durch Antimaterie verschlungen zu werden. Der ewige Dualismus von Sein und Nichtsein, von Etwas und Nichts, beschäftigt uns.

Dieser Dualismus, dieses Wissen darum, dass man das, was man eingeschaltet hat, auch wieder ausschalten kann, hält unser Gemüt im Gleichgewicht. Und nun zu uns selbst? Unsere Erde, alle Planeten des Weltraums, alles wurde irgendwann vorhandengemacht, eingeschaltet und der Ausschalter verloren?

Dieser verlorene Ausschalter ist die Antimaterie, die in der Beschleunigungsanlage Cern auftaucht, aber auch in unseren Spekulationen und sich möglicherweise in den Weiten eines unvorstellbar großen Weltraums verloren hat. Im Urknall ist uns die Antimaterie abhandengekommen. Für immer? Vielleicht, ausdenken können wir uns dabei alles. Wir können zum Beispiel bedenken, dass die Antimaterie sich in der Materie spiegelt, sozusagen seitenverkehrt oder voneinander abstoßend, wie Magneten, die gleichgepolt sind.

Jeder Turnaround von Materie in Antimaterie würde uns dann vernichten. Es ist so einfach, sich diese Welt und die Ungeheuerlichkeit des Weltraumes auszudenken und mit der Vorstellung zu leben, dass jede Implosion nach dem Urknall alles verschwinden lässt und dem Nichts keine Erkenntnisfähigkeit des Etwas überlässt. Bis zum nächsten Urknall und den Folgenden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Fußball

Aus, aus, das Spiel ist aus! Deutschland ist nicht Europameister des Jahres 2016. Ach herje, schlimm, aber eigentlich auch nur Nebensache. 90 Minuten lang spielen 22 Spieler mit einem Ball, den sie ohne Hände über das Spielfeld treiben und in der Regel nicht mehr als ein bis zwei Tore schießen. Langweilig? Nein, keineswegs.

Das ist kein Spiel. Das ist Kampf und der Rasen das Schlachtfeld. Es geht um Verteidigung und Angriff. Manchmal gibt es Sieger und Verlierer, oft Beides. Richtige Schlachten sind zu unübersichtlich, als dass man immer genau weiß, woran man ist. Bei Schlachten, die auf 90 Minuten getaktet sind, sowie noch eine Erfrischungspause zur Halbzeit aufweisen, ist das genau das Gegenteil. Jeder Stratege auf der Zuschauertribüne oder vor dem Fernseher kann mitreden und Vorschläge machen. Würden sie aber berücksichtigt, wäre das Chaos groß.

Es wird die Zeit kommen, dass sekundenschnell über Spielzüge per Twitter abgestimmt und die Kommandos der größeren Mehrheit an Zuschauern an die Spieler weitergegeben werden. Dann erfährt das Fußballspiel seine ultimative demokratische Legitimation.

Fußball spielen, ist keineswegs ungefährlich. Es gibt Blessuren, aber wenn nach 90 Minuten alles vorbei ist, können Wunden wieder heilen, die körperlichen und auch die seelischen. Das dauert seine Zeit. Wenn Deutschland im Halbfinale gegen Frankreich trotz des besseren Spiels verliert, ist das zwar keine Schande, aber unendlich schmerzlich. Erst etwa 1 ½ Stunden zuvor erklang noch die Nationalhymne, war die Überlegenheit des Weltmeisters greifbare Realität, dann diese Niederlage. Ein Tor und das Aus.

Berlin blieb ruhig und versank in Wehmut. Verzweifelte Ruhe breitete sich im ganzen Land aus. Wenn schon die weniger enthusiastischen Fußballgelegenheitszuschauer sich eintrüben lassen, wie geht es dann denjenigen, denen Fußball alles bedeutet? Ihre Trostlosigkeit kann nur mit dem Versprechen weiterer glanzvoller Spiele und damit kompensiert werden, dass auch ein gnädiger Fußballgott aus jeder Niederlage einen Sieg zu zaubern vermag. Versprochen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sprache

Sprache ist eine Ausdrucksform. Jede Geste ist auch Sprache. Sprache ist an Worte nicht gebunden. Sie erleichtern aber zuweilen die Kommunikation im gleichen Ausdrucksbereich. Kein Sprachausdruck ist eindeutig. Die Sprache ist ein Wahrnehmungsmoment des Sprechenden und des Empfängers. Die Resonanz zwischen Sprechendem und dem Hörenden sind Näherungen, aber keine Übereinstimmungen. Der empfängerorientiere Sprechende hofft, dass dieser ihn verstehen möge.

Den selbstverliebt Sprechenden oder Gestikulierenden entgeht jede Resonanz, zumal dann, wenn der angebliche Empfänger selbst nur Sender ist. Sprache und Gesten können so ihren Sinn verfehlen, zum Austausch beizutragen und ein Ergebnis des Dialogs zu erarbeiten.

Je einfacher die Sprache, desto überschaubarer die Wirkung. Komplexe sprachliche Aussagen schärfen zwar zum einen Aufmerksamkeit, provozieren aber auch Missverständnisse, die dann geklärt werden sollten, um den falschen Eindruck zu korrigieren. Falscher Eindruck? Korrekturmöglichkeiten nach Opportunität und Belieben? Viele von uns wünschen sich dies. Keine Eindeutigkeiten, sich nicht festlegen zu müssen, ist oft gewünscht. Sprache ist bekanntlich nicht nur das Phänomen eines Kulturkreises.

Es ist daher oft versucht worden, das weltweit Verbindliche auch in der Sprache darzustellen. Doch Esperanto ist noch Wunschdenken. Bei den vielen Völkern, die inzwischen zu uns gekommen sind, leiden wir zwar einerseits wechselseitig unter der mangelnden Verständigungsmöglichkeit, andererseits erfahren wir aber eine Ausweitung unseres Sprachvermögens nicht nur begrifflich, sondern als steten Zufluss von Gesten und Verhaltensweisen, die unsere Sprache positiv verändern werden. Das haben andere Sprachen auch getan, das Französische, das Holländische, das Polnische, das Jüdische, das Englische und jetzt die globale sprachliche Herausforderung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Theatergespräche

Neulich nahm ich an einer Theaterveranstaltung im Deutschen Theater in Berlin teil. Der Name des zur Aufführung gebrachten Stückes lautet: „Ein Gespräch über Kürbisse“. Die Zuschauer saßen im Kreis um eine Drehscheibe. In der Mitte der Drehscheibe war ein Teleskop installiert. Zwei Frauen nahmen an dem Tisch Platz, unterhielten sich zunächst über Reiseziele und später über die persönliche Vergangenheit und Zukunft. Um was es dabei genau ging, konnte ich allerdings nicht mitbekommen, weil die Drehscheibe etwas knarrte und quietschte und die Frauen auf der Drehscheibe sich entweder entfernten oder sich wieder annäherten. Waren sie weg, konnte ich sie nicht verstehen, kamen sie wieder, hatte ich den Zusammenhang ihres Gesprächs vergessen.

Gerade auch deshalb bemühte ich mich, noch eindringlicher zu begreifen, was der Sinn des Ganzen sein sollte. Vielleicht war es so, theatralisch zu verdeutlichen, dass es völlig egal ist, was die Menschen sagen. Theater halt. Dabei erinnere ich mich an eine Information aus einem anderen Theaterbereich des Lebens: Gesprächsbedarf zwei junger Menschen, die zwar im selben Ort, aber nicht im gleichen Haus wohnen. Telefonieren sie etwa miteinander? Nein. Sie schicken sich wechselseitig Sprachnachrichten.

Ist das die Zukunft? Sitzen dann nicht einmal mehr zwei Frauen am Tisch, erleben die Zentrifugalkraft der Drehscheibe und entwickeln aus dem gesprochenen Nichts einen Skandal? Die Zukunft sieht so aus: Sie sitzen in verschiedenen Theatern und schicken sich Sprachnachrichten, die natürlich auch missverstanden werden können und Empörungen hervorrufen.

Aber, wenn es zum Schlimmsten kommt: ein Klick und der Andere ist weg. Spiegelneuronen? Gestik, Mimik, Umarmung und Tränen? Alles nicht die Zukunft. Eher programmierte Sprachmaschinen, die wissen, worauf es ankommt und was der Andere hören will bzw. stellvertretend mit diesem abrechnet, wenn das gewünscht ist.

Jeder Nutzer dieser Sprach-Apps ist fein raus. Jederzeit lässt sich sagen, der Rechner habe sich selbstständig gemacht oder sei falsch programmiert. Alles ist möglich, man muss es nur nicht mehr selbst wirklich tun. Was für eine Leichtigkeit, die sich mühelos auf die menschliche Begegnung insgesamt übertragen ließe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Horizonterweiterung

Wir sind, wer wir sind. Mit unseren Nöten, Sorgen, Befürchtungen, Neid, Angst und Hoffnungen. Es ist naheliegend, dass wir mit dem, was uns zur Verfügung steht, unsere Welt basteln. Die große Welt soll dann unserer kleinen zumindest ähneln. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Wir wissen, dass das Menschenzeitalter nur mit Veränderungen zu bestehen ist und wir die Überschreitung selbstgezogener Grenzen als wichtige Voraussetzung für unser Weiterleben ansehen. Wir sind „wir“ und vermögen mehr, als wir gelegentlich vorgeben, um Überforderungen zu vermeiden. Ja, feige sind wir auch und delegieren Aufgaben lieber an andere, als uns selbst anzustrengen. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Wir greifen ein, um uns zu schützen, zuweilen greifen wir an, um unsere Möglichkeiten zu erweitern. Wir sind nicht auf eine Rolle festgelegt.

Wir können lieben und hassen, uns verständigen oder streiten. Alles steht uns zur Verfügung und wir nutzen das Angebot nach Maßgaben, deren Sinn uns oft im Augenblick des Handelns noch verborgen ist. Wir erweitern unseren Horizont aus Neugier oder Zwangsläufigkeit.

Es gibt in diesem Menschenalter nichts, das uns unmöglich erscheint, sondern ganz im Gegenteil. Erschreckenderweise haben wir festgestellt und stellen immer wieder fest, dass es keinerlei Tabus gibt. Wir stellen auch fest, dass unser Vorstellungsvermögen im Hinblick auf das, was wir anrichten, wächst. Wir stehen in einer ständigen Überprüfung und müssen uns rechtfertigen vor den Regeln, die dafür gelten, dass dieses Menschenzeitalter gelingt. „Hinterm Horizont, da geht es weiter“, so heißt es im Lied. Es sind nur Vorläufigkeiten, die unsere kurzen Lebensabschnitte prägen, für die wir aber Verantwortung tragen, um das Gelingen des Ganzen auch in der Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder zu gewährleisten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Leere

Leere wird zuweilen als schöpferisch beschrieben. In der Leere können sich Gedanken entwickeln, die Impulse setzen für wichtige Erkenntnisse. Zuweilen hat Leere aber auch mit Ermattung zu tun, sich leer zu fühlen bedeutet dann, unproduktiv zu sein, leistungsunfähig und unmotiviert. Leere beim Menschen signalisiert aber gelegentlich auch Ratlosigkeit angesichts der prallen Welt voller Versprechungen, die ihrerseits für leer gehalten werden oder sich als solche herausstellen.

Die Leere korrespondiert dann mit der Entfremdung, der Erkenntnis, unter anderen Menschen zu leben, zu reagieren und zu funktionieren, ohne selbst wahrgenommen zu werden und unfähig, den Anderen ebenfalls wahrzunehmen. In dieser Leere funktioniert die Kommunikation trotz aller Gesten und Geschwätzigkeit nicht mehr. Mensch, werde wesentlich. Die Wesentlichkeit eines Menschen vermag die Leere zu füllen, den Platz zu besetzen, der der Leere eingeräumt wurde.

Wenn wir Menschen wieder Durst empfinden nach Inhalten, und zwar nicht nur in Bezug auf die Erklärung unseres Seins, sondern auch nach Gestaltung unseres Seins, dann ist die Leere eine notwendige Voraussetzung, um mit Mut und Veränderungswille jenseits der Selbstbespiegelung Neues zu entdecken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Dummheit

Forscher behaupten, die Menschen werden immer dümmer. Einmal unterstellt, diese Forschungsergebnisse hielten einer Evidenzprüfung statt, sollten uns Wissenschaftler dann nicht auch erklären, woran dies liegt und wie wir aus dieser Situation wieder herauskämen, wenn wir dies wollten?

Da ich kein Wissenschaftler bin, kann ich nur mutmaßen, dass es keinen Hauptgrund für die zunehmende Verdummung gibt, sondern dies mehrere Ursachen hat. Meine Gründe sind natürlich rein subjektiv und benennen diejenigen Verhaltensweisen, die ich zumindest bei anderen Menschen nicht leiden kann. Diese sind: übermäßiger Fleischverzehr, insbesondere beim Grillen in Gaucho-Manier, Süßigkeiten, Nachlässigkeit der Körperpflege und Kleidung, unschicklicher Umgang mit Messer und Gabel oder Löffel, Geschwätzigkeit, Vernachlässigung der Kinder und der Eltern, Rechthaberei und permanente Selbstbetrachtung.

Diese sehr subjektive Liste ist ausbaufähig und natürlich hat jeder Präferenzen bei der Einschätzung seiner Mitbürger unter dem Aspekt der gesteigerten Dummheit. Diese Dummheit hat messbare Effekte, vor allem in der Form eines gesellschaftlichen Autismus, der Unfähigkeit, einen anderen Menschen in Integrität und Würde überhaupt noch wahrzunehmen. Das geschieht im Kleinen wie im Großen, bei Rempeleien in der U-Bahn oder Jagdfieber auf der Autobahn.

Doch, was ist dagegen zu tun? Ich glaube nichts. Ich glaube, dass man solche Prozesse einfach hinnehmen muss. Sie führen dazu, dass die Dummen, die ihre Dummheit nicht einschätzen können, auf der Maßgeblichkeit ihrer Verhaltensweise für sich und auch andere bestehen und mangels Selbsterkenntnis davon ausgehen, dass eigentlich alle sehr klug seien, bis auf die anderen natürlich.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Ostern

Ein bekanntes Osterlied beginnt folgendermaßen: „Ostern ist heut, wir sind erfreut, dass Herr Jesu Christ heut auferstanden ist…“ Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um ein Kampflied, welches Zuversicht und den Willen ausdrücken will, schlimmste Prüfungen zu überstehen, wenn der Plan stimmt. Ob der Plan stimmt, wissen wir Menschen oft nicht genau, vermögen aber die Umstände zu spüren, die einen Plan zum Reifen bringt.

Zu Ostern heißt es, dass es der Plan Gottes war, seinen einzigen Sohn zu opfern, damit die Welt erlöst werde. Diese Überhöhung, das heißt Heiligsprechung eines Planes, ist meist nicht möglich, aber doch sind Pläne Ausdruck eines allumfassenden Sinnes, wenn der göttliche Bezug nicht möglich ist. Unserem Lebenssinn entspricht es nicht nur, selbst zu leben, sondern auch Leben zu stiften und dieses zu verteidigen, wann immer es angegriffen wird.

Nicht alle können Märtyrer sein, geduldig die Lasten, die Zerstörungen und die Tode auf sich zu nehmen, die Andere ihnen auferlegen wollen. Der Plan, dem sie sich anvertraut haben, heißt Rettung. Sie machen sich auf die Flucht, wie Mose aus Ägypten oder heute Afrikaner und Araber aus ihren Ländern. Sie haben nicht aus Angst, sondern aus Zuversicht und den Glauben an das Leben eine Entscheidung getroffen. Sie haben damit ein Vorbild geliefert für uns, die wir im Aufbruch und Ankommen ebenfalls ein Beispiel für unser eigenes Leben erkennen könnten.

Soweit sind Flüchtlinge auch unser aller Vorbild und die Bewegung, die entstanden ist, Teil eines Planes, der uns mit einschließt. An Ostern sind wir mit allen versöhnt, und zwar jenseits unserer Religionen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski