Archiv der Kategorie: Religion

Weihnachten

Wir feiern ein Weihnachten, welches absurder nicht sein könnte. Ein Kind wird geboren, der Heiland, mit dessen Vater er selbst und der heilige Geist eine unauflösliche Einheit darstellen. Am Kreuze verliert er es zwar, bleibt aber dennoch Schöpfer des Lebens. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind alles in einem und auch das Ganze in Allem.

Dieses offenbare Paradoxon ist erstaunlicherweise aber für unsere Existenz sinnstiftend, egal welcher Religion wir als Menschen angehören oder uns gar als Agnostiker bezeichnen. Stets findet eine Rückkopplung in einen Raum jenseits des Offensichtlichen statt. Geschichtlich und gegenwärtig gibt es zwar keine Einheitlichkeit der Benennung dieses Phänomens, aber selbst hochgeachtete Wissenschaftler halten parallele Erfahrungen für möglich und wir alle ahnen, dass es jenseits des Urknalls etwas gibt, das wissenschaftlich gesehen, eigentlich nicht sein kann, wir aber aus Gründen der eigenen Orientierung anerkennen müssen. Es dient der Absicherung unserer Existenz in dieser Welt. Es sollte uns nichts daran hindern, die ganze Schöpfungsgeschichte so wahrnehmungsmöglich, wie wir es zulassen, zu benennen.

Diese Benennung wird natürlich sehr subjektiv ausfallen müssen, da wir sie allenfalls durch deren Andeutungen erfahren, wir diese selbst durch Mutmaßungen ergänzen oder sogar trotzig unsere Festlegungen gerade aus dem Widerspruch zu angeblich gesicherten Erkenntnissen ableiten. Da unsere Ahnungen sich also nicht durch Redeweise verifizieren lassen, verteidigen wir unsere Behauptungen selbst als scheinbar gesicherte Erkenntnisse und schützen uns dadurch selbst vor dem Eingeständnis unserer Ahnungslosigkeit. Diese wühlt uns stetig auf, weil wir doch nicht von dem Versuch ablassen können, mittels Religion, Philosophie, Wissenschaft und Technik in Erklärungssphären vorzudringen, die es uns erlauben könnten, das Menschheitsrätsel zu lösen.

Aber letztlich verschaffen wir uns durch Geburt und Tod doch die Gewissheit unserer Existenz und erfahren durch das Rätsel unseres Seins einen spirituellen ewigen Sinn. Es ist also Weihnachten!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

ChatGPT

Seit etwa 10 Jahren schreibe ich beständig Blogbeiträge, von denen etwa drei bis fünf Ausführungen zu verschiedenen Themen monatlich ins Internet gestellt werden. Auf Kommentarfunktionen zu meinen Beiträgen habe ich verzichtet, lasse mir aber stets von meinem Administrator dieser Beiträge berichten, dass sie jährlich ca. 80.000 bis 130.000 „Klicks“ mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 2,2 Minuten erfahren.

Als ich davon erstmalig hörte, war ich sehr überrascht, denn nur einige Bekannte und Freunde haben mir erzählt, dass sie hin und wieder, zuweilen aber auch häufiger, meine Beiträge lesen, zumindest aber zur Kenntnis nehmen würden. Auch aus meiner Sicht darf man die Erwartungen nicht sehr hoch setzen, weil wir alle, also auch ich, von dem „Overflow“ an Informationen und Meinungen bereits ermüdet sind.

Nun erfahren meine Blogbeiträge eine für mich überraschende neue Dimension, und zwar durch ChatGPT. Ich muss mich mit der Vorstellung auseinandersetzen, dass das digitale Netzwerk und die Neuronen dieses Programms längst auch sämtliche Informationen meiner Blogbeiträge seit deren Beginn gescannt und mutmaßlich auch verarbeitet haben. Angesichts der unzähligen Blogs anderer Menschen und Informationen bei Twitter, Instagramm, Facebook usw. haben diese Informationen wieder den Wettbewerb mit anderen aufgenommen, um dann zu sehen, welche sich letztlich durchsetzen.

Ich stelle mir ein gigantisches neuronales Potpourri von Europa bis Neuseeland vor und ahne, dass ich, wie alle anderen Menschen, mit dieser Entwicklung etwas zu tun habe. Will ich das aber? Besteht nicht die Gefahr, dass aus meinen Behauptungen, die ich in meinen Beiträgen aufstelle, durch die Bearbeitung Gewissheiten werden? Kann es sein, dass ChatGPT eine gigantische „Umformungsmaschine“ ist, deren Sättigungsgrad nie erreicht sein wird und dabei gleichmütig alle Gedanken der Menschen zu einem eigenen Produkt macht, ganz egal, wer die Urheberschaft eigentlich für sich in Anspruch nehmen kann? Was sollte man der Maschine aber vorwerfen, wenn man sie dabei erwischt, dass sie Plagiate produziert, Ideen, Meinungen und sogar Tatsachen verfälscht?

Es geht dabei nicht nur um „Fakes“, sondern auch um Nuancen des Eindrucks von Stimmungen. Alles ist relevant, ob Kommata oder Doppelpunkte, Frage oder Ausrufezeichen! Es wäre ein Irrtum zu glauben, erst war die Sprache, dann war der Mensch. Die Aussage kann vor dem Gedanken nicht bestehen. Unter Einsatz von ChatGPT verändert sich nicht nur das Bibliothekswesen, sondern wir uns selbst. Wir sind im Begriff, den Schöpferstatus für all das, was wir einmal selbst geschaffen haben, zu verlieren und uns zum Handlanger der Maschine und von ihr abhängig zu machen.

Waren es damals Alexander der Große und Ptolemaios, die durch die Gegend zogen und Bücher für ihre Bibliothek in Alexandria raubten, um zu wissen, was die Menschen weltweit dachten und aufschrieben, so erfahren wir nun „ehrfurchtsvoll“ das Wortgemisch der Maschinen. Dem Zeitgeist ist nicht zu entgehen und bekanntermaßen schafft sich jede Zeit ihr eigenes Gewand.

Also sollte ich praktisch reagieren: Wenn ich bei ChatGPT meinen Namen eingebe, mit welchem Text muss ich rechnen? Wenn ich die Eingaben wiederhole, kann ich mit Varianten des Textes rechnen? Ich bedenke dabei, dass in Sekundenschnelle nun alle Texte entstehen könnten, für die ich mir in der Summe 10 Jahre Zeit gelassen habe.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Hiob

Hiob, so verrät uns die Bibel, legt sich mit Gott an, hält das, was ihm im Leben widerfährt und für das er Gott verantwortlich macht, für ungerecht und grundlos. Er ist den Prüfungen Gottes nicht gewachsen, erkennt seine Fehler, wird demütig und verändert seine Einstellung und sein Verhalten. Gott belohnt ihn daraufhin mit Zuneigung und Prosperität.

Beispiele aus der Bibel sind nicht unmittelbar übertragbar auf unser Zusammenleben, aber da die Bibel von Menschen für Menschen geschrieben wurde, können wir auch aus diesem Buch der Erfahrungen, die Menschen schon seit langer Zeit gemacht haben, lernen. Die „Hiobsbotschaft“ ist uns als feststehende Begrifflichkeit bekannt. Auch heute empfangen wir viele derartige Botschaften, z. B. zu Krieg, Zerstörung, Artensterben, Klimakatastrophen, Hungersnöten und Krankheiten. Eine unendliche Liste von Plagen, die uns heute heimsuchen, haben bereits ihre Ankündigungen in Schriften, die tausende von Jahren alt sind.

Auch wir halten die Katastrophen, die über uns kommen, für nicht gerecht, beklagen uns über diese, bezichtigen andere oder irgendwelche Mächte, die uns das eingebrockt haben sollen und fordern kurzfristige Abhilfen von denselben. Unsere eigene Verantwortung, unsere Demut, unser Wille, die Plagen als selbstverschuldet anzunehmen, uns zu ihnen zu bekennen und aus der Erkenntnis heraus etwas zu verändern, wie steht es damit?

Sehr schlecht! Immer ist es angeblich nicht der richtige Zeitpunkt und man selbst sieht sich stets als Opfer, hilflos und voll Wut und Hass angesichts der vermeintlichen Ungerechtigkeit. Und wenn das Erkennen beginnt, was dann? Es beginnt wie ein Hürdenlauf.

Die erste Hürde ist besonders schwer zu überwinden, weil es unsinnig erscheint, für den schwierigen Hürden-Parcour verantwortlich zu sein, um dann selbst springen zu müssen. Es sind unter anderem die Hürden: Noch nicht! Und wann? Mit welchen Mitteln? Wozu? Warum ich? Aber mit jedem Sprung kann es mir gelingen, eine Hürde besser zu überwinden und mich dem Ziel, erleichtert von der Last meiner Versäumnisse und Fehler, zu nähern. Wie auch Hiob erhalte ich schließlich im Ziel meine Belohnung dafür, dass ich den Herausforderungen und Prüfungen mutig und entschlossen begegnet bin. Dass der Weg das Ziel ist, das weiß ich, wie jeder andere Mensch, auch schon längst.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erwartungshaltung

Do ut des: Gib, dann wird dir gegeben. Erwartungshaltung? Ich gebe und erwarte dann, dass mir gegeben wird. Und wenn dies nicht geschieht? Wie verhalte ich mich dann? Wie verhält es sich überhaupt mit Vorleistungen? Führen sie erwartbar zur erwünschten Kompensation des eigenen Einsatzes? Erwartungshaltungen gründen sich auf Ausgleichserfahrungen, und zwar, dass Unwuchten zumindest auf Dauer keinen Bestand haben.

Wenn aber diese Erfahrungen durch Prognosen widerlegt werden? Ein trauriges Beispiel der Gegenwart: Wir könnten die Erwartung haben, dass Russland, wenn die Ukraine diesem Land die Krim oder sogar den Donbass auf Dauer abtritt, in einen Friedensschluss einwilligt, also den Krieg beendet. Dies könnte unsere Erwartungshaltung sein, ist sie aber begründet? Stimmt es denn tatsächlich, dass, wenn ich gebe, mir gegeben wird? Diese Hoffnung ist zwar prinzipiell berechtigt und insofern dieser Wunsch nachvollziehbar, aber die von Menschen gestaltete Wirklichkeit bestätigt die Erfüllung dieses Wunsches nicht.

Bei kriegerischen Auseinandersetzungen über Gebiete und Menschen verhält es sich wie in der Wirtschaft, zwischen Staaten oder überhaupt im menschlichen Zusammenleben an sich. Einem Ausgleich wird nur dann zugestimmt, wenn der anderen Partei nichts mehr anderes übrigbleibt oder der Ausgleich weniger als die Gegenleistung erfordert.

Nur Macht, Vorteilsgewährung und weitere prägende Umstände, wie Katastrophen, Hungersnöte und unvermeidbare rechtliche Einhegungen von Sachverhalten können zumindest auf Zeit dafür sorgen, dass Ausgleichsleistungen erwartbar werden. Wer in der Hoffnung gibt, dafür kompensiert zu werden, wird enttäuscht. Wer ohne Erwartungshaltung gibt, weil er das Geben als gerecht empfindet, zeigt unerwartet Haltung, schafft Nachdenklichkeit und könnte sogar belohnt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Vexierspiegel 

Russland führt einen Krieg gegen die Ukraine, für den Wladimir Putin, der russische Präsident, ursächlich verantwortlich gemacht wird. Er begründet seine Februar 2022 eingeleitete „Spezialoperation“ damit, dass er zum Schutz Russlands handele, das sich gegen die westlichen Invasoren – vor allem die NATO – wehren müsse. Tatsächlich führe nicht Russland, sondern die Ukraine Krieg gegen Russland und deshalb sei die „Spezialoperation“ erforderlich, um Gefahren von Russland und seiner Bevölkerung abzuwehren, wobei allerdings auch zu berücksichtigen sei, dass die Ukraine eigentlich kein Staat, sondern ureigenes russisches Gebiet sei, auf dem Faschisten die Einwohner beherrschen würden und sein Eingreifen auch deren Befreiung diene. Putin gibt sich als Initiator und Frontmann dieser „Spezialoperation“, übernimmt hierfür im Namen der russischen Nation die Verantwortung und sowohl die Kriegsparteien, als auch die solidarisch Verbündeten der Ukraine scheinen dies so zu sehen.

Was ist aber, wenn dieses Narrativ so überhaupt nicht stimmt?

Dieser Gedanke kam mir, als ich über die Geschichte der Russisch-orthodoxen Kirche las und dabei entdeckte, wie eng bei der Einrichtung und Ausübung dieser Religion der Glaube mit dem Nationalstaatsgedanken verbunden ist. Auf den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine übertragen, ist es daher nicht nahe liegend, die Frage aufzuwerfen, ob nicht die russische Kirche selbst, ausgehend von ihrem Metropoliten als Anstifter, den Krieg nicht nur befürwortet, sondern ihn sogar angeordnet hat und Putin selbst vollzieht, was die Kirche will?

Auf die damit für Putin selbst verbundenen Vorteile komme ich noch zu sprechen. Die Kirche könnte diese Initiative ergriffen haben, weil sich ein Teil der Russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine von dieser losgesagt und eine eigene nationale ukrainisch-orthodoxe Kirche gegründet hat. Dies stellt nach dem historisch begründbaren Selbstverständnis der Russisch-orthodoxen Kirche ein nicht hinnehmbares Schisma dar.

Dabei ist zu bedenken, dass in der Konsequenz dieser ukrainischen Kirchengründung die Macht der Russisch-orthodoxen Kirche erheblich geschwächt und auch der Zugang zu deren heiligen, historischen Städte – zum Beispiel des Höhlenklosters in Kiew – gefährdet wurde. Inzwischen ist das Verbot für die Russisch-orthodoxen Kirche ausgesprochen und nur die Ukrainisch-orthodoxe Kirche hat das alleinige Zutrittsrecht zu den Heiligtümern erworben. Aus Sicht der Russisch-orthodoxen Kirche wurden durch die Abwendung der Ukraine vom russischen Einflussbereich unverzichtbare religiöse, und damit nationalreligiöse Heiligtümer dieser Kirche gefährdet. Ist dieser Sichtweise Plausibilität abzuringen, wird auch verständlich, dass es absolut widersinnig erscheint, so wie es aber geschehen ist, den russischen Metropoliten aufzufordern oder zu bitten, auf Putin einzuwirken,damit dieser den Krieg beenden möge.

Es ist doch der „Heilige Krieg“ der Kirche selbst und er kommt Putin durchaus zu Pass, weil es ihm die Gelegenheit gibt, unter dem Schutz der Kirche weiter an der Macht zu bleiben. Soweit er sich mit der einflussreichen und reichen Kirche Russlands im Einklang befindet, wird er weiter unter ihrem Schutz stehen. Die Kirche beherrscht vor allem die Menschen in den ländlichen Regionen.

Nach den Erfahrungen der Sowjetunion und der von dieser ausgelösten religiösen Identitätskrise ist ein Großteil der Menschen in Russland absolut mit der Führerschaft durch die Kirche einverstanden und erhofft von ihr den Trost, der ihm aufgrund der schwierigen Lebensverhältnisse oft versagt bleibt. Putin kann sich also völlig sicher in seinem Amt sein, solange die Kirche den national-religiösen Plan nicht aufgibt und die Gläubigen ihr folgen.

Da gäbe es aber möglicherweise einen Hebel, um die unheilvolle Entwicklung zu beenden, wenn der Wille aller Beteiligten vorhanden wäre, was ich bezweifle. Die Russisch-orthodoxe Kirche und die Vertreter der ukrainisch-orthodoxen Kirche, ggf. die Vertreter sämtlicher orthodoxen Kirchen könnten sich zusammensetzen und beratschlagen, wie sie mit ihrer Geschichte und den nationalen Auswirkungen umgehen und dabei herausarbeiten, was sie tun müssten, um ihre religiöse und kulturelle Bedeutung jenseits nationaler Ansprüche zu stärken.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Leben

Das Leben erscheint mir zuweilen als eine Abfolge spektakulärer und weniger spektakulärer Begebenheiten, die sich im Gewesensein erschöpfen. Frei nach Breton, welchen Nutzen, welchen Gewinn ziehen wir daraus?

Das ist nicht auszumachen, kann nicht entschieden werden, und zwar aus einem einfachen Grund: Wenn wir eine Zeit lang das Spektakel angeschaut haben oder auch Teil des Spektakels waren, irgendwann ist alles zu Ende, spätestens zum Zeitpunkt unseres Todes.

Aber, warum machen wir das alles, warum zetteln wir Kriege an, wie dieser Herr Putin, begehen unfassbare Gräueltaten und helfen andererseits anderen Menschen, retten sie, befreien sie von Krankheiten und Leiden. Warum häufen wir gigantische Vermögen an und verteidigen unseren Besitzstand mit Klauen und Zähnen? Warum sind uns Arbeitszeitnormen und wirtschaftlichen Vorteile sowie Spekulationsgewinne jenseits unseres Bedürfnisses so wichtig?

Mit der DNA wäre es zu erklären, wenn es stimmen würde. Würden die beschriebenen Verhaltensweisen nicht an der Erosion des Lebens auf dem Planeten beteiligt sein, entsprächen sie dem allgemeinen Verständnis, uns Menschen zu erhalten. Wäre dieses Verständnis vorhanden, zögen alle an einem Strang und würden sich in ihren Fähigkeiten ergänzen. Diese Bereitschaft scheint nicht zu bestehen.

Es geht vielmehr um Vorteile. Ein transzendentales Leben, wie Religionen verheißen, das ließe Elend und Ungerechtigkeiten ertragen. Ist aber der „Himmel“ abgeschafft bzw. geraubt, ein transzendentales Paradies unerreichbar, was bietet dann noch das Leben? Vielleicht Hoffnung? Aber worauf? 

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Religion

Religion sei Opium für das Volk, meinte Karl Marx. In Scharen laufen der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland die Gläubigen davon. Die Kirchen geraten hierdurch in finanzielle Bedrängnis, stellen sich aber auch die Frage, ob ihre geistliche Betreuung noch zeitgemäß und nachgefragt ist.

Was passiert? Werden die Menschen spirituell abstinent? Das kann ich mir nicht vorstellen. Eher habe ich den Eindruck, dass die Kirche nicht mehr leisten kann oder leisten will, was sie verspricht. Glaube ist nicht Opium und kein Hokuspokus. Der Glaube als spirituelles Bindeglied ist nicht individuell, sondern kollektiv und bestätigt so auch verantwortlich den Sinn des Lebens jedes einzelnen Menschen mit anderen Menschen, der Natur und letztlich der ganzen Welt.

Wenn diese ans Religiöse gebundene Selbstvergewisserung erodiert, fressen die Zweifel nicht nur an der menschlichen Existenz, sondern allen Sinn des Lebens. Wahrheit ist in Bezug auf Religion völlig belanglos. Es geht um Bekenntnisse und Haltung, die zeitadäquat einen Sinn der Gemeinschaft bekräftigt, die Halt, Zuversicht und Freude bieten kann. Nicht die Religion ist Motor unseres Handelns, sondern wir nutzen religiöse Fähigkeiten, um unsere gesellschaftlichen Aufgaben zu bewältigen.

Deshalb sind Religion, unsere Symbole und Kirchen unverzichtbar für unsere Gemeinschaft, ob diese nun christlich, jüdisch, islamisch, hinduistisch oder buddhistisch sei. Auch diejenigen, die ihre Religion an einer aufklärenden Natur oder anderen Umständen festmachen, sind nicht weniger wichtig, soweit sie den Zusammenhalt einer verantwortungsbewussten Gesellschaft bestätigen.

Religionen, die auf Abgrenzung und Gegnerschaft aufbauen und Machtansprüche erheben, können keine Zukunftsmodelle liefern und werden scheitern, sei es an den Menschen, die sich abwenden oder am inneren Widerspruch zu den Stiftern aller Religionen. Wir müssen uns nichts vormachen. Ohne uns Menschen gibt es keine Religion. Es liegt also an uns, ob und wie wir für deren Erhaltung sorgen und sie nicht durch selbstgefällige Misanthropen zerstören lassen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Luther, der Kardinal und die Daten (Teil 2)

Diese Thesen lauten wie folgt:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Jeder Mensch hat das Recht auf informelle Selbstbestimmung.
Jeder Mensch hat das Recht auf Geheimnisse vor Anderen.
Es ist das Recht jedes Menschen, über seine Daten selbst zu verfügen.
Die Daten eines Menschen sind unveräußerlich und keiner darf dazu gezwungen werden, weder durch direkten oder indirekten Druck, diese zu verkaufen.
Jeder Mensch hat einen Anspruch darauf, in das Netz einzugreifen und seine Daten zur Löschung zu bringen, wenn es seinem Wunsch entspricht.
Kein Mensch darf aufgrund seiner Daten diskriminiert, bevorzugt oder benachteiligt werden, sei es in religiöser oder in weltlicher Hinsicht.
Die Daten eines Menschen dürfen nicht manipuliert werden.
Jeder Mensch hat das ausschließliche Recht an seinem Verstand, an seinen Gefühlen und an seiner Seele.
Jeder Mensch hat Anspruch auf Vertrauensschutz bei der Ausübung oder Nichtausübung einer Religion und dem Erleben seiner Spiritualität.

Ausgehend von diesen Thesen dreht sich das Stück aber nicht nur um Datenschutz, sondern auch um die Sorge, dass der Mensch irgendwann ausgelesen sein könnte und die Orientierung des Menschen in einer durch Internetplattformen bestimmten Welt, die mit Fake, Verschwörung und sonstigen Verführungskünsten Religionsinhalte bieten kann, womöglich schwierig werden könnte.

Noch besteht aber kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen und sich ohnmächtig zu fühlen. Viel­mehr müssen wir aus den Beispielen Kraft schöpfen, um verpflichtend für uns selbst und alle Menschen die Kontrolle in der sich anbahnenden Entwicklung zu behalten, die erhebliche Einwirkungen auf unser Leben, unseren Geist und unsere Seele haben wird.

Diese Wachsamkeit schulden wir kommenden Generationen und sollten uns dabei zur eigenen Ermutigung auf große Vorbilder berufen, wie Martin Luther, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela und auch auf Jesus Christus, als unser in der Zuversicht geborene Mahner, Erneuerer und Zeuge eines menschenwürdigen Lebens.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

Luther, der Kardinal und die Daten (Teil 1)

Papst Leo, X. belegte am 15.06.1520 Martin Luther wegen dessen Thesenanschlags in Wittenberg mit einer Bannandrohungsbulle, der Exsurge Domine. Luther soll seine The­sen zurücknehmen. Im Falle der Weigerung drohe Luther die Exkommunikation. Wie wir wissen, nahm Luther seine Thesen nicht zurück und wurde folglich exkommuniziert, mit dem Kirchenbann belegt und als Häretiker kirchlich gebrandmarkt.

Dem gingen etliche Verhöre Martin Luthers voraus, unter anderem beim Reichstag zu Augsburg, 1518. Die Anhörung ereignete sich im Stadtpalast des Jakob Fugger und wurde von Kardinal Thomas Cajetan geleitet. Kardinal Cajetan forderte Luther eindringlich auf, seine Thesen, die er für ketzerisch halte, zu widerrufen. Luther strebte selbst den Disput an, der schließlich eskalierte. Er bestritt vehement, sich der heiligen Schrift und dem Glauben zu widersetzen, vermochte aber weder zu überzeugen, noch dem kirchlichen Bann zu entgehen.

Das historische Vorbild gibt den Blick auf einen gegenwartsbezogenen Disput zwischen Luther und dem Kardinal frei, der sich nicht – wie sein historisches Vorbild – Cajetan, sondern GAFA nennt. GAFA steht für Google, Apple, Facebook und Amazon – Unternehmen, die das Internet beherrschen. Alibaba hat es sich unter dem Kardinalshut eingerichtet. Weitere Datenschöpfer, Händler und Verwerter verbergen sich passend unter der weiten Sutane GAFAs, der Ecclesia digitalia.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

 

Religion

Seit einigen Jahren lesen meine Frau und ich jeden Morgen in der Bibel. Wir wollen ein Verständnis für Religionen entwickeln, Anregungen oder Bestätigungen erfahren. Wir sind offen für alle Aussagen und halten uns mit Wertungen zurück. Überraschend, aber für Kenner nicht neu ist dabei, dass Geschichten und Geschichte erzählt werden, die zeitlich verschoben, zeitlich ungenau, aber im Wesen beispielgebend das Ringen der Menschen um ein Verständnis Gottes aufzeigt.

Wir sind bei unserer Lektüre nach einem langen Weg bei Hiobs Klagen über sein Schicksal angelangt, dass er, der stets gerecht sei, von Gott mit körperlichen Gebrechen geschlagen werde. Elihu, einer seiner Freunde, antwortet ihm und gibt zu bedenken, dass kein Mensch Gottes Gunst erringen, vor ihm gut oder schlecht sein könne, weil es an sich anmaßend sei, Gott irgendwelche Eigenschaften zuzuschreiben und ihm gegenüber Erwartungen zu hegen, die auf menschlichen Einschätzungen beruhen.

Ich komme ins Grübeln. Wenn Gott das Unbegreifliche, das Unbenennbare, das Unmessbare, das Unwägbare und menschlich Unerreichbare ist, wieso glauben wir dennoch, wir könnten ihm durch unser Verhalten gerecht werden? Mir kommt dabei die Proklamation eines Gottesstaates in den Sinn oder die zehn Gebote, die Gott Moses aufgetragen und irgendwelche Schlachten, die er angeblich siegreich begleitet und auserwählte Menschen ertüchtigt haben soll.

Wenn wir einerseits Gott zutrauen, alles zu sein, wie können wir dann seine Herrschaft mit einer Religion begründen? Religionen scheinen mir Verabredungen zu sein, die Menschen in bestimmten Regionen oder Situationen miteinander eingehen und damit Ziele verfolgen, die entweder unserem Leben auf Erden einen Sinn geben oder die Sinnlosigkeit des irdischen Lebens erklären sollen, die Regeln und Moral Autorität verleihen, die Menschen beschwichtigen und trösten.

Eine wichtige Aufgabe von Religionen ist es, den Menschen zu erzählen, dass sie mehr sind als Haut und Knochen und mit ihrem Tode nicht alles vorbei sei. Interessanterweise sind unter Disposition dieser spirituellen Jenseitsverheißung die Menschen dabei, mittels Genveränderungen, Zellerneuerungseingriffen und sonstigen lebensverlängernden Maßnahmen Versuche zu unternehmen, eine durchaus reale menschliche Ewigkeit entweder auf diesem Planeten oder auf einem anderen zu schaffen. Dies könnte sich als Bedrohung aller Religionen erweisen, die das Jenseits aufgrund Gottes Macht bereits auf Erden als entscheidend für unsere ewige Existenz begreifen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski