Ich will Philosophen, Naturwissenschaftlern, Schriftstellern und Politikern – um nur einige zu nennen – in keiner Weise absprechen, dass sie dazu fähig sind, grandiose Lebensentwürfe für die Gesellschaft, für alle Menschen und natürlich auch für mich zu fertigen. Doch wie ist diese Selbstermächtigung legitimiert?
Womöglich dadurch, dass ihre Einschätzungen und Entwürfe mehrheitsfähig sind, Erwartungen des Klientels befriedigt werden, ggf. auch einer politischen Zwangsläufigkeit Rechnung tragen. Ich kann es nicht und vielleicht kann niemand diese Frage schlüssig beantworten. Es hat sich so eingespielt, und solange Gleichgültigkeit herrscht, Vor- und Nachteile sich die Waage halten, nimmt niemand Anstoß an diesem Umstand. Wenn es allerdings knirscht zwischen den unterschiedlichen Perspektiven, dann pocht jeder auf seinen eigenen Entwurf und pfeift auf die schweigende Allgemeinverbindlichkeit einer Haltung. Was wäre dagegen zu tun? Etwa Lebensentwürfe exemplarisch zu sammeln, das Typische an diesen zu erkennen, diese mit anderen zu verhandeln und in einem Contrat Social als Leitentwurf zu verabschieden, der Orientierung erlaubt, aber auch mit Toleranzen für unterschiedliche Entwürfe ausgestattet ist?
Dies könnte zunächst regional und später zusammenfassend zentral erfolgen, um eine größtmögliche Schnittmenge unserer Gesellschaft dabei abzubilden. Zu glauben, Wissenschaftler und Politiker könnten dies alleine, miteinander oder gegeneinander auch schaffen, dürfte sich sehr bald als verhängnisvoller Irrtum erweisen. Spätestens dann, wenn die Kakophonie der Meinungen jeden Konsens in unserer Gesellschaft unmöglich macht, begreifen wir, dass eine Verständigung auf Pluralität, Interessensausgleich und der gemeinsamen Ermittlung von Schnittmengen diverser Lebensentwürfe beruht.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski