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Sprachvermögen

Vergewissern wir Menschen uns des Seins, indem wir sprechen? Ist es der Klang unserer Stimme, die uns dabei existenzielle Sicherheit vermittelt oder ist es die Aussage selbst, die unter Abstimmung unserer Gefühle und Gedanken unser Ich bestätigt? Oder ist es möglicherweise erst der Adressat unserer Aussage, der wesentlich zur Vergewisserung unseres Eigenseins beiträgt?

Sprache ist Verlautbarung, bildet aber auch geschrieben oder nur gedacht, den Nukleus unserer Existenz. Stellt sich also die Frage, ob der Mensch durch die Sprache erst geschaffen wird, allein durch die Sprache seine Handlungsfähigkeit erreicht und im Zuge einer Entsprachlichung sogar aufhören würde zu existieren? Dabei sind die vielen inzwischen vorhandenen medialen Formate als Ursache dieser Entsprachlichung zu benennen. TikTok, Instagram und Facebook, alle durch Proms, durch Menschen belebten Formate haben eine menschenähnliche Sprach- und Darstellungsfähigkeit erlangt, die nicht nur die Singularität des Menschen in Frage stellen könnte, sondern auch den Sinn der menschlichen Sprache an sich.

Derzeit ist es noch nicht gewagt zu behaupten, die natürliche Entwicklung seiner Sprechfähigkeit habe den Menschen zu etwas Besonderem werden lassen. In Zukunft könnte auch eine KI aufgrund Informationsfähigkeit der menschlichen Sprache bestimmen, was Menschsein ist. So gerät also durcheinander und ist schwer zu erkennen, was dabei Henne oder Ei ist.

Sprache ist mehr als nur Wert, Sprache ist die Qualität einer prozessualen Errungenschaft an menschlicher Erkenntnis. Um diese zu tradieren, wird der Mensch zwar auch künftig seine Befehle an maschinelle Wortmaschinen erteilen, aber in Nuancen seines Sprachvermögens weiterhin Geheimnisse bewahren und sich selbst sprechend seiner Existenz versichern, dies selbst dann, wenn er öffentlich kaum mehr im Stimmengewirr des Internets vernehmbar sein sollte.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Heinz Dürr Nachruf

Der Schwabe Friedrich Hölderlin sagte einst mal, dass der Tod ein Bote des Lebens sei und der Weimarer Johann Wolfgang Goethe ergänzte: „Mein Leben war das ewige Wälzen eines Steins, der immer von neuem gehoben werden musste.“ Das passt für Heinz Dürr, der auch den Schriftsteller und Dichter Goethe sehr verehrte.

Die Familie Dürr hat ihrer Traueranzeige den damit korrespondierenden Spruch vorangestellt, dass wir uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen sollten. Das Leben war für Heinz Dürr eine Aufgabe, die er pflichtgemäß zu erledigen hatte. Dieses Wälzen eines Steines, um im Bild Goethes zu bleiben, machte ihn zuweilen rastlos und ungeduldig. Die Ungeduld, die ihn trieb war aber konstruktiv, denn es gab immer viel für ihn zu tun. Er hatte sich der Arbeit verschrieben beim Aufbau der Dürr AG, als Verhandlungsführer bei Tarifkonflikten, als AEG- und Bahn-Chef, im „Forum für erneuerbare Energie“ zusammen mit der Schlecht-Stiftung in Stuttgart, in seiner eigenen Stiftung, der Heinz und Heide Dürr Stiftung, der Walther Rathenau-Gesellschaft und in vielen sonstigen ehrenamtlichen, privaten und öffentlichen Verpflichtungen.

Er war ein außerordentlich kluger und wichtiger Gesprächspartner, Ratgeber und guter Freund, voll Empathie, Witz und Wärme. Es war erfrischend, mit ihm zu sprechen und von ihm angesprochen zu werden. Jeder von uns hat diese Erfahrung gemacht. Er liebte Gedankenexperimente, hatte sich mit AI und KI auseinandergesetzt, auch etliche Bücher geschrieben und dabei zuweilen Cato, Ray Kurzweil und natürlich auch Walther Rathenau als seine Sparring-Partner für fiktionalen Gespräche bemüht.

Wie in „Die Physiologie der Geschäfte“ faszinierte Heinz Dürr im Sinne der Schriften von Walther Rathenau „Die kommenden Dinge“ – ebenfalls von Walter Rathenau – und was zu tun sei, um Fortschritt menschlich zu gestalten. Der Mensch sei kein Geschäftsmodell und Bildung von Anfang an sowie kulturelle Erfahrungen waren ihm genauso wichtig, wie wirtschaftliche Erfolge. Deshalb kümmert sich die Heinz und Heide Dürr Stiftung erfolgreich mit ihrem Early-Excellence-Programm um Kindergärten und Familien deutschlandweit, ferner um Autorentheater und andere kulturelle Vorhaben, aber auch um seltene Krankheiten, um nur einige der Aktivitäten der Stiftung zu nennen.

Bis zuletzt war Heinz Dürr nicht nur geschätzter Gesprächspartner für große Unternehmen, sondern auch in der Start-Up-Szene beratend aktiv. Er war ein integrer Mensch, der das beständige und entschiedene Handeln liebte.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Media Overflow

Sollte ich etwa behaupten, dass es ein mediales Überangebot gäbe, würden mir wahrscheinlich etliche Menschen zustimmen. Einmal unterstellt, dies wäre richtig, so kommt es dabei, so meine ich, weniger auf das vielfältige Medienangebot an sich an, sondern vielmehr auf dessen Wirkung im Empfängerbereich. Die Empfänger, das sind letztlich wir, als die Konsumer aller medialen Botschaften.

Und wer sind wir? Wir sind die Menschen, die hochbegabt und emsig die technischen Voraussetzungen geschaffen haben, die das hohe Medienangebot ermöglichen und uns dessen Konsum auch zur Verfügung stellen. Und genau da scheint mir auch ein Problem aufzutauchen. Es ist so mit dem Konsum jeglicher Ware: Irgendwann macht er uns satt, wir haben genug davon und erkranken sogar an ihr. All dies ist auch bei dem Konsum von Medienartikeln nicht ausgeschlossen. Deshalb gibt es zunehmend Warnhinweise und nicht nur solche, die sich an Kinder richten.

Aber, wo beginnt das schwer konsumierbare, also schwer verdaubare Angebot? Meines Erachtens bereits mit dem medialen Erstkontakt. Weshalb? Weil wir Menschen weder über die Speicher, noch über ausreichende Verarbeitungsfähigkeit verfügen, differenziert und ganzheitlich permanente Medienangebote abrufbar zu speichern und zu verarbeiten. Wir behelfen uns mit der flüchtigen Lektüre, dem Wegdrücken von Informationen und der Einschaltung von KI zu deren jederzeitiger Reproduktion. Damit versuchen wir, einen Teil unseres eigenen an sich erforderlichen medialen Verarbeitungsprozesses auszulagern, allerdings ohne dabei zu berücksichtigen, dass dies vielleicht nur dann möglich sein kann, wenn uns bei Bedarf das richtige Stichwort wieder einfällt oder irgendjemand oder irgendetwas uns sagt, wo wir welche Informationen hinterlegt haben.

Dessen ungeachtet – so meine ich – nutzen Informationen sich auch ab, d. h. je mehr Informationen wir empfangen, desto mehr verlieren sie an Komplexität, erstarren in einem Muster, das uns selbst lediglich als Bestätigung des bereits Gehörten oder Gesehenen dient und passgerecht geformt wird. Dabei handelt es sich um einen sehr menschennahen Prozess der Vereinfachung und Bestätigung. Je umfassender das mediale Angebot ist, umso bereitwilliger filtern wir das nur uns Bekannte heraus und für den Rest gilt: ab in die Tonne.

So versuchen wir, der eigenen und letztlich auch der kollektiven medialen Überforderung zu entgehen und einen Rest von Sicherheit angesichts des ungeheuren medialen Angebots zu bewahren. Denn kein Mensch ist in der Lage, alles, was ihm medial angeboten wird, aufzunehmen, zu begreifen und gar zu verarbeiten. Die damit verbundene, aber unterdrückte Unsicherheit verstärkt den Prozess des individuellen Widerstandes gegen bestimmte Informationen und deren gemeinschaftlichen medialen Akzeptanz.

Dies schafft Konformität im medialen Konsum, in der Speicherung und der Verarbeitung. Damit wirken Medien entgegen ihrer Intentionen im Ergebnis antiliberal, ja, es ist sogar zu befürchten, dass die demokratische Pluralität und auch die individuelle Wesenheit des Menschen durch das Überangebot an medialem Einfluss erheblichen Schaden nimmt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski