Archiv für den Monat: Dezember 2024

Weihnachten

Wir feiern ein Weihnachten, welches absurder nicht sein könnte. Ein Kind wird geboren, der Heiland, mit dessen Vater er selbst und der heilige Geist eine unauflösliche Einheit darstellen. Am Kreuze verliert er es zwar, bleibt aber dennoch Schöpfer des Lebens. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind alles in einem und auch das Ganze in Allem.

Dieses offenbare Paradoxon ist erstaunlicherweise aber für unsere Existenz sinnstiftend, egal welcher Religion wir als Menschen angehören oder uns gar als Agnostiker bezeichnen. Stets findet eine Rückkopplung in einen Raum jenseits des Offensichtlichen statt. Geschichtlich und gegenwärtig gibt es zwar keine Einheitlichkeit der Benennung dieses Phänomens, aber selbst hochgeachtete Wissenschaftler halten parallele Erfahrungen für möglich und wir alle ahnen, dass es jenseits des Urknalls etwas gibt, das wissenschaftlich gesehen, eigentlich nicht sein kann, wir aber aus Gründen der eigenen Orientierung anerkennen müssen. Es dient der Absicherung unserer Existenz in dieser Welt. Es sollte uns nichts daran hindern, die ganze Schöpfungsgeschichte so wahrnehmungsmöglich, wie wir es zulassen, zu benennen.

Diese Benennung wird natürlich sehr subjektiv ausfallen müssen, da wir sie allenfalls durch deren Andeutungen erfahren, wir diese selbst durch Mutmaßungen ergänzen oder sogar trotzig unsere Festlegungen gerade aus dem Widerspruch zu angeblich gesicherten Erkenntnissen ableiten. Da unsere Ahnungen sich also nicht durch Redeweise verifizieren lassen, verteidigen wir unsere Behauptungen selbst als scheinbar gesicherte Erkenntnisse und schützen uns dadurch selbst vor dem Eingeständnis unserer Ahnungslosigkeit. Diese wühlt uns stetig auf, weil wir doch nicht von dem Versuch ablassen können, mittels Religion, Philosophie, Wissenschaft und Technik in Erklärungssphären vorzudringen, die es uns erlauben könnten, das Menschheitsrätsel zu lösen.

Aber letztlich verschaffen wir uns durch Geburt und Tod doch die Gewissheit unserer Existenz und erfahren durch das Rätsel unseres Seins einen spirituellen ewigen Sinn. Es ist also Weihnachten!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sitten und Gebräuche

Den Älteren unter uns sind sie noch vertraut und in der Erinnerung gegenwärtig, die Sitten und Gebräuche. Es gibt so ein Regelwerk, das jeder früher verinnerlicht hatte als einen Teil seines Erziehungsprogramms, dies von Kindesbeinen an. Die Regeln beruhten auf Hören-Sagen und wiesen uns durch den Tag und das Jahr, schafften Sicherheit im Umgang mit anderen. Soweit wir sie befolgten, waren wir auf der sicheren Seite und konnten potentiellen Ärger im Falle der Übertretung einschätzen. Auch wenn die Regeln nirgends kodifiziert waren, wusste jeder, was zu tun war und fühlte sich nicht nur persönlich gut, sondern auch im Einklang mit anderen im Falle ihrer Beachtung.

Sitten und Gebräuche waren der Ordnungsrahmen, der Gemeinschaften schuf, wobei aber jeder auch unerbittlich darauf achtete, dass Übertretungen die Ausnahme und überschaubar blieben. Jeder, der die Regeln beachtete, war gleichzeitig Nutznießer der Ordnung. Jeder fühlte sich selbst verpflichtet, war aber auch derjenige, der das Verhalten anderer kontrollierte und Regelverstöße anprangerte. Damit wird deutlich, dass Sitten und Gebräuche sich in der Regel nicht freiwillig beibehalten lassen, weil ihnen ein von der Sache her geprägter Zwang zukommt. Deshalb stehen Sitten und Gebräuche in einem steten Konkurrenzverhältnis zum menschlichen Freiheitswillen.

Im Gegensatz zur Ungebundenheit ist gleiches oder ähnliches Fühlen, Denken und Handeln der Wesenskern von Sitten und Gebräuchen. Das Regelwerk erwartet das Eins-Werden mit anderen, den gemeinsamen Willen an ihm festzuhalten. Es ist zwar durchaus aufnahmefähig für Impulse, die Veränderungen und Erweiterungen schaffen, aber nur, wenn der Kern des Werks nicht zerstört wird.

Da wir Menschen auf Orientierung in unserem Leben angewiesen sind, könnte es sich anbieten, in der Verbindlichkeit von Sitten und Gebräuchen wieder ein verlässliches Grundkonzept für die Entwicklung überzeugender Regelwerke in unserer Gesellschaft zu sehen, das einer ungezügelten Selbstverwirklichung das Angebot an gemeinschaftlicher Rücksichtnahme und Verantwortung gegenüberstellt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Pseudonym

Mein Pseudonym, unter dem ich etliche Kinderbücher und andere Werke veröffentlicht habe, lautet „Hans vom Glück“. Der Hans vom Glück, also ich, der lebt, und da er selbstverständlich der Bruder vom Hans im Glück ist, den wir aus den Märchen kennen, bezeugt dessen Existenz die Wahrheit aller Märchen. Ist das so?

Leider nicht, denn unter meinem Pseudonym bin ich kaum bekannt, wogegen allerdings mein Märchenbruder, Hans im Glück, erleben muss, dass unter seinem Namen zum Beispiel eine Burger-Kette eingerichtet wurde. Das empfinden sowohl er, als auch ich als außerordentlich unpassend, denn bekanntermaßen hält Hans Völlerei nicht für einen Glücksumstand, sondern eher den Verzicht überflüssiger Belastungen. Zudem ist dem Märchen zu entnehmen, dass er Geben für erfüllender als Nehmen hält, also Tugenden, die unter seinem Namen bei dieser Burger-Kette sicher nicht gepflegt werden.

Verdeckt durch alle tatsächlichen und virtuellen Birkenzweige dieser Burger-Kette wird es kaum jemanden gelingen, das Märchen zu verstehen und Bücher des Hans vom Glück lesen zu wollen. Das ist schade, also, was habe ich mit der Veröffentlichung unter dem gewählten Pseudonym bezweckt? Da ich Rechtsanwalt und Notar war, wollte ich vermeiden, dass sich Leser und meine Mandanten durch mein literarisches Engagement verwirren lassen und an meiner beruflichen Kompetenz angesichts meiner schreibenden Leidenschaft zweifeln. Dass dies natürlich Quatsch ist, das weiß ich jetzt, aber glaubte es damals nicht, als ich mich für das Pseudonym Hans vom Glück entschied. Und doch:

Das Märchen lebt, ich lebe, schreibe und habe geschrieben und wer Hans vom Glück kennenlernen will, findet sicher eine Gelegenheit, dies zu tun.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zweifel

Ist es, was es ist? Oder doch etwas anderes?

Oft zweifeln wir an der Stimmigkeit einer Einschätzung, einer Botschaft, an den Fähigkeiten anderer Menschen, an der Berechtigung unserer Skepsis und Beurteilung. Ob in Nachrichten oder in persönlichen Gesprächen, überall begegnen uns ständig Zweifel, wobei das Leben aber Eindeutigkeit benötigt, damit es bewältigt werden kann. Da Zweifel nicht zu überwinden sind, passen wir Menschen die Wirklichkeit unseren Zweifeln an. Wir nehmen es persönlich, nur unser Blick, unsere Sicht sollen authentisch sein, selbst dann, wenn es unserer Wahrnehmung widerspricht.

Wir begegnen den möglichen Zweifeln an unserer Festlegung mit der Behauptung derer Gewissheit und versuchen dadurch, Zweifel zu eliminieren, wohlwissend, dass sie weiter schwelen und uns veranlassen, mit der Behauptung der Gewissheit eigene Zweifel zu unterdrücken. Doch nagt der Zweifel weiter an unserer Sicherheit, macht uns trotzig, wütend, schuldbewusst und aggressiv. Wir können zwar versuchen, Zweifel zu zerstreuen, auszublenden, gar zu unterdrücken, er meldet sich aber bei jeder Achsenverschiebung unseres Blickwinkels zurück, beansprucht wieder die Deutungshoheit: „Hab ich doch schon immer gesagt!“

Da unsere eigene Erkenntnisfähigkeit nur fragmentarisch sein kann, begegnen wir ahnungslos, allenfalls ahnend, was sich nach unserer Vorstellung hinter dem Zweifel verbirgt. Mangels Erkenntnis spielen wir eine Rolle, die uns Selbstbewusstsein verleiht, uns ermöglicht, den im Zweifel und in der Skepsis immanent vorhandenen Widerstand gegen unsere Wahrnehmung und unser Handeln zu überwinden und eine Manifestation des Wissens, Wollens und Handelns erlaubt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski