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Gefühligkeit

Emotionen, Gefühle – diese Begriffe sind uns aus dem täglichen Gebrauch vertraut. Sie beschreiben unseren jeweiligen Gemütszustand, allerdings sind Sie uns auch situativ zugeordnet. Emotionen haben eher mit dem Erregungszustand zu tun, messen, wie weit dessen Pegel angesichts irgendeines Vorkommnisses ansteigt. Gefühle beschreiben eher die Tiefe und das Ausmaß des Berührtseins, also unsere innere Verfasstheit angesichts eines Vorkommnisses.

Was verstehe ich nun unter Gefühligkeit? Sie hat meinem Verständnis nach mit einer Verunsicherung zu tun. Warum ist das so? Weil Verunsicherungen entscheidend auf unser Gemüt einwirken und Emotionen bei uns hervorrufen. Unsicherheit und Angst werden gefördert. Ich weiß, dass das sehr plakativ ausgedrückt ist, trifft aber trotz aller denkbaren Varianten das Problem. Wenn wir verunsichert sind, verlieren wir den Überblick.

Da die Menschen früher durch die räumliche Begrenztheit ihrer Wahrnehmung geschützt waren, verloren sie den Überblick nur partiell. Dies deshalb, weil sie länger Zeit hatten, die Eindrücke, die auf sie einstürmen, zu verarbeiten. Diese Zeit gibt es heute nicht mehr. Das Kommando lautet: Begreife alles sofort, entscheide dich schnell und mache es richtig, besser für dich! Wie will ich aber angesichts der allgemeinen Verunsicherung entscheiden können, was günstig für mich ist?

Es türmen sich Fragen auf Fragen, die kaum jemand schlüssig beantworten kann. Ist es dann nicht naheliegend, ja vielleicht sogar sinnvoll, den Spieß einfach umzudrehen und aus der allgemeinen Verunsicherung eine Tugend zu machen? Also etwa so: Ja, ich bin naiv, na und, ja ich verstehe nichts, na und, ja, ich finde alles furchtbar, was in der Welt geschieht, na und oder vielleicht so: Da müsste doch jemand etwas machen, alles immer auf mich, auf uns … und dann Corona, „Wissenschaftler, sach ick ma, dass ich nicht lache!“ Achtsamkeit wird gegen Unachtsamkeit, Verschwörung gegen Menschenverstand, reich gegen arm, fast alles wird gegeneinander ausgespielt. Uns sind viele Beispiele bekannt. Diese sind alltäglich, aber wer oder was bestimmt die Auswahl, bewegt den Prozess der Wahrnehmung und Verarbeitung?

Das ist die Gefühligkeit! Sie bestimmt das Denken und Handeln, wo der Verstand angesichts der Komplexität und Fülle der Informationen versagt. Es kommt hierbei auch nicht mehr auf die Ausformung unserer Gefühle bei der ständigen Befeuerung mit Bilder und Informationen an, sondern auf die Kultivierung unserer Parteilichkeit. Die Gefühligkeit nimmt von uns Besitz und eröffnet Möglichkeiten, wenn wir auf den Prozess des Selbstdenkens und –fühlens verzichten und uns lieber auf den allgemeinen „Flow“ einlassen.

Hat uns einmal der Strom ergriffen, also wir uns unsere Konformität wohlig zugestanden, dann ist alles ganz einfach. Wir sind stets auf der richtigen Seite, so oder so, und finden für alles umstandslos einen passenden Ausdruck. Die allgemeine Gefühligkeit verhindert jeden Widerspruch, sowohl gegenüber anderen, als auch gegenüber uns selbst. Plötzlich machen wir alles hemmungslos richtig, wir und wir.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gelassenheit

Ich denke, um des Denkens willen. Ich denke prozessorientiert. Ich denke zielgerichtet, aber abstrakt. Ich denke als Anliegen. Ich denke ergebnisorientiert. Ich denke für Andere. Ich denke alles einschließend, also umfassend. Ich denke die Gefühle nutzend. Ich denke Gefühle. Ich denke fließend. Ich denke Blockaden. Ich denke vor. Ich denke nach. Gedankenlos.

Denken verboten. Denken langweilig. Ich denke vergeblich. Ich denke an den Empfänger der Gedanken. Ich denke an mich. Ich denke morgens, abends und nachts. Ich denke im Bett, auf dem Klo, im Bad. Ich denke Blödsinn. Ich denke Kluges. Ich denke, um zu denken. Ich denke zeitlos, sinnlos, entfernungslos, weit, nah, auf den Punkt. Ich denke frei. Ich denke verkrampft. Ich denke mit Vorurteilen. Ich schichte Gedanken ab. Ich baue Gedanken auf. Ich lasse mich von Gedanken treiben. Ich denke selbst. Ich lasse andere denken. Ich habe keinen Bezug zu meinen Gedanken.

Meine Gedanken haben sich verselbstständigt. Vom Denken wird es mir schwindlig. Vom Denken wird mir stumpf. Ich denke, also bin ich? Ich denke, dass ich bin. Ich bin auch ohne zu denken. Gibt es einen Sinn des Denkens? Gibt es einen sich selbst denkenden Sinn? Methodenlehre des Denkens ist die Philosophie. Der Zirkus des Denkens ist die Religion. Das Denken besitzt eine unendliche Spielwiese der Mutmaßungen. Das Denken weist eine Richtung, aber keine Ergebnisse. Durch das Denken werden Probleme nicht gelöst, sondern geschaffen. Fühlen, Denken und Handeln sind miteinander verwandt, aber nicht vertraut. Kann Denken hilfreich sein? Kann ich durch Denken Einfluss auf etwas nehmen?

Kann mir jemand oder ein Umstand beim Denken helfen? Denken als Zeitvertreib. Denken als Prozess – des Träumens – des Fühlens – des Empfindens. Denken als Synapsengeflunkere. Maschinendenken. Computerdenken. Internetdenken. Denken als gesellschaftliche Bereicherung. Gemeinsames Denken. Ich habe mal so gedacht… Denken als l´art pour l´art. Denken ohne Vorkenntnisse. Plötzlicher Denkeinfall. Denkfalle. Denkexzess. Denkblockade. Eine Maschine hat es gut. Sie ist vom Denken befreit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski