Zuweilen haben wir das Gefühl, uns befreien zu müssen, das Netz, das uns zu umgeben scheint, zu zerreißen, ins Freie zu treten, Beschwerden und düstere Gedanken loszulassen. Unberührt sein wollen wir vom Weltgeschehen, uns wiederfinden auf einer Insel der Erleichterung. Wunschträume, vielleicht, denn wir sind eingewebt in ein Netz von gegenwärtigen und vergangenen Geschichten, seien diese familiär, gesellschaftlich und weltweit.
Weltweit bestimmt ist auch die Dichte dieses Webstoffes aufgrund von globalen oder gar interstellaren Konstellationen. Nie sind wir frei. Wir werden seit jeher von allen stofflichen und nichtstofflichen Verbindungen bestimmt und bergen diese Informationen in jeder Faser unseres Körpers. Sie sind bestimmend, lähmend, wegweisend, stützend, zuweilen aufdringlich und im Kern unabänderlich. Aber doch erwartet das Netz unserer Existenz auch unseren Webbeitrag, d. h. der Kokon, der uns umhüllt, ist gleichzeitig auch ein Teil unseres eigenen Zutuns. Könnten wir unseren Kokon abwerfen, würden wir uns damit befreien?
Nein! Dies gelingt uns nicht einmal im Tode, denn unser Webbeitrag ist Teil des Netzes geworden. Im Bewusstsein dieser unabänderlichen Konsequenzen sind wir umständehalber gut beraten, die Chance aktiv zu nutzen und unsere Fäden so zu spinnen, dass der Kokon, der uns und auch alle späteren Generationen umhüllt, Webfäden aufweist, deren Qualität und Farbe wir selbst ausgesucht haben. Auch das Muster gilt es zu bedenken, um schließlich einen Beitrag dazu zu leisten, dass das eigene Handeln nicht fleckig und brüchig erscheint und so künftige Generationen zwingt, das zu flicken, was wir selbst ursächlich verunstaltet haben. Angesichts der Unausweichlichkeit des eigenen Beitrags an diesem Gewebe, verwundert, wie leichtsinnig viele Menschen mit dem ihnen anvertrauten Garn umgehen und Beiträge abliefern, die den Kokon brüchig machen und so Menschen auch ihres Schutzes berauben.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski