Hervorgehobener Beitrag

VORWORT

Hans Eike von Oppeln-BronikowskiLiebe Leserinnen und Leser,

dieses Sammelsurium ist ein Korb voller Ideen und spontaner Ansichten, weder geordnet noch jemals vollständig gefüllt, ohne Anspruch auf Wahrheit oder Wichtigkeit, einfach einer momentanen Eingebung folgend, als an eine Erinnerung an den Augenblick gedacht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Todesstunde

Mors certa – hora incerta. Alles Sterben ist menschlich. Dies ist eine Binsenweisheit, an der sich nicht nur Dichter, Philosophen und Überlebensstrategen abarbeiten, sondern, dies auch konkret jeder Mensch.

Wenn wir jung sind, sprechen wir, denken wir an die lange, sehr lange Zeit, die bis zu unserem Tode noch vor uns liegt. Der Tod ist nicht bedrohlich, er ist zwar als Zufall stets vorhanden, wird aber in der Regel nicht als eine konkrete Selbstgefährdung im Zusammenhang mit Alter und Körper angesehen. Und wie steht es mit alten Menschen? Da besteht auch Ungewissheit, gnädig soll der Tod schon sein, plötzlich ohne Fisimatenten, also ohne Krankheiten, lieber plötzlicher Hirntod als langes Siechtum.

Weil wir unseren Körper Zeit unseres Lebens allein auf der Funktionsebene kennen gelernt haben, misstrauen wir ihm, misstrauen uns, fremdeln mit allen Varianten der Erkrankung, machen ungern frühzeitig ahnende Bekanntschaften mit dem Tod vor seiner Endgültigkeit. Zur „richtigen“ Zeit soll er also dann schnell sein, schneller als unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Schmerzen und unser Widerstand. Um der Ungewissheit zu entgehen, stürzen wir uns ins „offene Messer“, fallen in Kriegen, wollen den Tod kontrollieren, anstatt ihm ausgeliefert zu sein. Im Krieg zählt der Heldentod, Hölderlin wünschte sich nach Vollendung seines Gedichts ebenfalls den Vollendungstod. Aber wenn er uns gar zur falschen Zeit überrascht, uns zappeln lässt, uns durch längere drohende Krankheiten begleitet, uns seine Allmacht zeigt, dann ist er uns unheimlich.

Aber, wie steht es mit unserer Bereitschaft, der Ankunft des ungewissen Todes willkommend zu begegnen? Schwierig! Alles ist „wir“, unser Leben, unser Körper, unser Tod. Der Tod kommt in der Regel nicht sensenschwiegend von irgendwoher, sondern hält sich seit unserer Geburt in jeder Zelle unseres Körpers bereits auf, ein seinsimmanenter Abschaltmechanismus, klar zum Leidwesen unseres Bewusstseins und auch unserer Mitbewohner, der Mikroben, die sich tagaus tagein bemühen, die vielfältige Mechanik unserer Zellen am Laufen zu halten.

Ob sie auch von unserem Tod überrascht werden? Wahrscheinlich ahnen sie dessen Kommen viel eher und sorgen dann nach Erhalt der Botschaft für die verbindliche Aufgabe unserer Körperlichkeit. Die Seele fliegt davon? Nun ja, was so alles in der Todesstunde noch geschieht, wer weiß, jeder Mensch bleibt danach wesentlich auf Dauer.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gärungsprozesse     

Stakkato, Antworten, wie aus der Pistole geschossen. Das Sprechen überholt das Denken, dies womöglich, aber sicher das Verstehen durch andere. Was hat sie, was er denn eben gesagt?

Mitdenkend versuche ich zu hören, zu erfassen und zu verarbeiten und so zu begreifen, um was es denn gehen mag. Oft scheitere ich. Zu schnell ist der Sprach- und Gedankenturm des Vortragenden gebaut, ist aber seine Statik auch klug berechnet? Um was geht es denn? Doch wohl darum, Vorkommnisse zu erfassen, diese zu verarbeiten, eigene Gedanken dazu zu entwickeln, Schlüsse aus Vorgetragenem zu ziehen, also fremde Gedanken mit den eigenen abzugleichen und das Erfahrene kreativ zu verarbeiten.

Wird dies im Sprachgalopp gelingen? Wohl kaum. Die Hefe muss doch gären! Der gedankliche Gärungsprozess benötigt Ruhe, die Hefe muss sich entwickeln, die Sprache muss sich also verlangsamen, Gedanken und Gefühle müssen reifen. Verlassen sie die Form, entwickeln sie sich weiter im Raum, greifen Impulse auf, ringen um Verständnis und Verstandenwerden, benötigen Zeit, sind aufnahmefähig und bereit, im Prozess des Gärens doch die Verdichtung zu erlangen, die das prächtige Werk erahnen, uns aber auch wissen lässt, dass jede prozessuale Missachtung der Gärung durch Eingriff in deren Prozess dazu führt, dass das beabsichtigte Werk misslingen muss. Handwerkliches Sprechen ist also gefragt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verschwendung

Der Verbraucher wird zum Verschwender, wenn er Lebensmittel jenseits des persönlichen Bedarfs erwirbt und vernichtet. Dabei spielt der die Lebensmittel verschwendende Verbraucher eigentlich noch die geringste Rolle, entscheidende Bedeutung kommt den Lieferwegen und der Lagerhaltung zu. Dies dann, wenn sie in keiner vernünftigen Synchronität zu den Bedürfnissen, dem Verhalten und dem eigentlichen notwendigen Verbrauch durch den Lebensmittelkunden stehen.

Weltweit wird mit Lieferstrukturen und „Lagerhaltung just in time“ versucht, punktgenau dem sich stets wachsenden Bedürfnis des Kunden zu entsprechen. Es handelt sich nicht nur um die Grundbedürfnisse. In der Erwartung saisonaler und witterungsbedingter Bedürfnisse werden Warenlager gefüllt, um situativ auf wechselnde Verbraucherverhalten reagieren zu können. Bei mangelnder Nachfrage werden Waren zur Vernichtung freigegeben, bevor sie den Verbraucher erreichen.

Hierbei werden alle Entstehungsprozesse von Lebensmitteln einschließlich Bodenbelastung, Düngung, Bewässerung, Transportkosten, Lagerhaltung usw. selbst dann einzupreisen sein, wenn der Kunde diese nicht abnimmt. Diese Kosten schlagen sich allerdings nur zu einem Teil konkret in den Lebensmitteln präzise nieder, die meisten Kosten dürften dagegen externalisiert werden, also von der Gesamtheit aller Menschen und nicht nur von den spezifisch angesprochenen Verbrauchern zu tragen sein.  

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verbindlichkeiten

Verbindlichkeiten bei Boden- und Gewässerschutz schaffen wir weder durch Appelle, noch allein durch einen moralisch bedingten Druck zum Handeln, sondern nur mit Gesetzen oder der Schaffung von Organisationsformen, die eine Entfesselung zielgerichteter Verhaltensweisen zulassen.

Bezüglich des Bodens ist dabei Kern aller Betrachtungen, dass Eigentum eine rechtliche Zuordnungsform ist, die dem Wesen des Bodens und seiner Nutzung nicht entspricht. Eine Organisationsform, die Träger tradierter Eigentumszuordnungen ist, vermag aber nutzende Stakeholder von einem Bekenntniszwang zum richtigen Handeln aufgrund der vorgegebenen Rechtsstrukturen zu entlasten.

Die Regeln der Organisationsformen, die dann statuarisch festgeschrieben sind, ermöglichen ein zweckgesteuertes Handeln, welches sich nicht von der Eigentumszuordnung, sondern vom Besitz ableiten lässt. Wenn das Handeln dann den Regeln eines ehrbaren Kaufmannes folgt, also auch die Business Judgement Rules beachtet, besteht stets sogar die Möglichkeit einer philanthropischen Zweck-/Mittel-/Relation. Es ist damit zu rechnen, dass das Verhalten der Handelnden dann dem durch statuarische Normen gesetzten Vorgaben folgt.

So entwickelt sich ein sachgerechtes Handeln in diesen Lebensbereichen, und zwar nicht nach den Regeln etwaiger Shareholder, sondern von Stakeholdern mit der Folge des Aufbaus einer philanthropischen Industrie, denn Fleiß und Betriebsamkeit entsprechen dem Wesen des Menschen, Herausforderungen zu meistern und dabei so zu handeln, dass alles wesensgerecht und verbindlich wirken und der Gemeinschaft zugutekommen kann.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Besserwisser

Besserwisser sind allgegenwärtig. Auf allen Veranstaltungen scheinen sie unverzichtbar zu sein. Besserwisser fallen insbesondere dadurch auf, dass sie nicht nur vorgeben, alles zu wissen, sondern auch alles zu durchschauen, was andere falsch machen. Sie sind nicht nur selbst umfassend im Bilde, sondern sie vermögen auch für andere zu denken und die richtige Lösung zu sehen.

Besserwisser sind Alleswisser auf allen Gebieten und besiegeln ihr Wissen verbindlich durch Rückbezüglichkeit auf Organisationen, denen sie angehören, durch Bekanntschaften und durch Studien nicht hinterfragbaren Wissens. Ihre Erkenntnisfähigkeit vermögen sie in detaillierter Opulenz so vorzubringen, dass Zweifeln, sollten sie je entstehen, sofort jeder Nährboden entzogen wäre. Besserwisser sind Lehrer, die nach ihrer eigenen Überzeugung anderen auch aufzeigen, wie sie zu Erkenntnissen gelangen könnten. Da es aber so schwierig ist, Unwissenden den richtigen Weg aufzuzeigen, verzichten sie oft schweren Herzens darauf, selbst die Lösung zu benennen, sondern liefern stattdessen Stichworte, die, wenn sie denn beherzigt würden, jedem die Richtigkeit der Argumentation offenbar werden ließe.

Der Besserwisser gibt also methodische Ratschläge und bedauert die Unfähigkeit anderer, die zutage getretenen Probleme aufgrund von Ahnungslosigkeit selbst zu meistern. Der Besserwisser glänzt im Schein seines universellen Wissensbezuges und erwartet daher unerbittlich Zustimmung zu allen seinen Aussagen. Diese gestaltet er allerdings erstaunlich situativ und flexibel, wohl damit er in der Lage ist, erforderlichenfalls einen Positionswechsel vorzunehmen, wenn Irritationen auftreten sollten.

Dem vorbeugend, achtet der Besserwisser darauf, in einem Gesprächskreis möglichst schnell potentielle Unterstützer zu identifizieren und sich ihrer Zustimmung primär zu versichern. Deren Redebeiträge sind dabei meist unerwünscht, es genügt ein Kopfnicken oder wissendes Lachen, das augenscheinliche Einverständnis. Hat ein Besserwisser eine ihm zugewandte Gruppe organisiert, vermögen weder Widerspruch noch eine inhaltliche Gesprächsanforderung für ihn gefährlich zu werden. Jeder Zweifler ist bekehrt oder er hat resigniert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Stiftungsreserve

Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass Stiftungen zwar auch als Organisationsformen angesehen werden, aber auch dann, wenn sie Organe wie Vorstand, Kuratorium und Aufsichtsrat vorweisen können, nichts anderes darstellen, als ein in Form gegossenes Vermögen. Bei einer staatlich anerkannten Stiftung verleiht der Staat dem in einer Stiftung verfassten Vermögen die Handlungsfähigkeit, die der einer Gesellschaft vergleichbar ist. Bei einer Treuhandstiftung bleibt der Treuhänder Träger des Vermögens und setzt es unter der Aufsicht der Finanzbehörden nach dem satzungsgemäßen Zweck des Stifters ein. Aus dem Treuhandvertrag ergibt sich, was der Treuhänder mit dem auf ihn übertragenen Vermögen tun darf und lassen muss. Hat der Stifter das eingesetzte Vermögen in die Obhut des Treuhänders gegeben, scheidet er selbst als Berechtigter an diesem Vermögen aus.

Wie mit dem Stiftervermögen heutzutage gehandelt werden darf, hat bei selbständigen Stiftungen – durchaus mit Billigung der Stiftungsaufsicht und den steuerlich verantwortlichen Einrichtungen – bereits die historischen Vorgaben überschritten. Für Stiftungen ist anerkannt, dass sie ganz oder teilweise Verbrauchsstiftungen sein dürfen. Auch Ausgründungen, Zusammenlegung und Übertragung von Stiftungsvermögen sind möglich. Alle Kooperationsformen sind erlaubt, soweit diese nicht zu BGB-Gesellschaften führen.

Wie verhält es sich aber mit Stiftungen im Erbrecht? Oder mit Stiftungen auf Zeit? Jede Verbrauchsstiftung ist eine Stiftung auf Zeit. Jede Stiftung kann unter einer Bedingung entstehen, zum Beispiel unter der Bedingung des Todes des Stifters. Hier handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung.

Gilt dies auch für Stiftungen, die unter einer auflösenden Bedingung der Zweckerreichung geschlossen werden? Das ist zu bejahen, denn, wenn der Zweck erreicht ist und die Stiftungsmittel dem Stiftungszweck entsprechend an die Destinatäre verteilt sind, kann die Stiftung erlöschen. Dass Stiftungen Nacherben bzw. Ersatzerben sein können, dürfte nicht zu bezweifeln sein.

Wie steht es aber mit der Vorerbschaft von Stiftungen? Die Stiftung wäre dann nur Nutznießer des Stiftungsvermögens, das ihr zugewandt wird und müsste dieses bei Eintritt des Nacherbfalls wieder herausgeben.

Wann sollte dieser Nacherbfall aber eintreten? Etwa dann, wenn in der Stiftungssatzung der vorerbenden Stiftung festgeschrieben ist, dass bei Eintritt einer bestimmten Bedingung, zum Beispiel Zweckerreichung, sie sich auflöst und das verbliebene Vermögen dem Nacherben zufließt? Das kann wohl nicht gemeint sein, sondern ein Vorerbe, der eine natürliche oder juristische Person ist, erhält den Nachlass mit der Maßgabe, diesen in eine gemeinnützige Einrichtung einzubringen und bei dem Tod des Vorerben soll der Nacherbe berechtigt sein, das Nachgelassene von dieser gemeinnützigen Einrichtung heraus zu verlangen.

Geht das? Da eine auf Zeit errichtete Stiftung möglich ist, kann der Erblasser verfügen, dass zum Beispiel mit seinem Tode eine Stiftung eingerichtet und mit dem Tod des Vorerben diese wieder aufgelöst wird. In der Zwischenzeit wird die Stiftung mit dem ihr überlassenen Stiftungsvermögen aus dem Nachlass ihre Zweckverpflichtungen im gemeinnützigen Bereich erfüllen. Da Stiftungen im Falle ihrer Auflösung das Stiftungsvermögen aber auch nur einer Einrichtung überlassen dürfen, die ihrerseits gemeinnützig ist, käme eine natürliche oder juristische Person, die diese Voraussetzung nicht erfüllt, als Nacherbe nicht in Betracht. Wird der Nachlass allerdings zur Fruchtziehung einer gemeinnützigen Einrichtung im Zeitpunkt des Todes überlassen, ist beim Tod des Vorerben durchaus denkbar, dass das auf Zeit überlassene Vermögen, welches einer gemeinnützigen Einrichtung nur zur Fruchtziehung überlassen worden ist, herausverlangt werden kann und der Nacherbe, seinerseits steuerlich privilegiert, dieses ins eigene Vermögen überführt.

Sinnvoll kann eine auf derartigen Prinzipien eingerichtete Vor- und Nacherbschaft deshalb sein, weil der Erblasser zu Lebzeiten des Vorerben erreicht, dass das vorhandene Vermögen in seinem Sinne gemeinnützig eingesetzt wird und dem Nacherben zufällt, wenn zum Beispiel die Mittel erforderlich sind, um die Existenz des Nacherben und seiner Familie zu sichern. Der Vorerbe muss von Nachlassbeschränkungen befreit sein, wenn er der Stiftung schenkungsweise den Nachlass überlässt. Hält er sich allerdings an die testamentarische Verfügung des Erblassers, dürfte keine Schenkung vorliegen, sondern eine Zuwendung an den Vorerben von Todes wegen mit der Auflage, über den Nachlass nach einer von ihm vorgegebenen Maßgabe zu verfügen. Der so handelnde Vorerbe benötigt daher zu seinem Handeln nicht die Zustimmung des Nacherben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schwarzmalerei

Malewitsch, sein schwarzes Quadrat! Es scheint aufnahmefähig zu sein für alle denkbaren Betrachtungen der Wirklichkeit. Wie dies? Was verbirgt das Schwarze, was drückt es aus? Was gab es vor dem Schwarz und was wird sein, wenn das Quadrat nicht mehr schwarz oder gegenwärtig ist?

Jedenfalls birgt das Quadrat ein Geheimnis und zeigt doch seine Offensichtlichkeit, typische Schwarzmalerei! Sie verschafft Aufmerksamkeit, bedient Vermutungen, Argwohn und Skepsis, erlaubt aber dennoch eine Entlastung des Betrachters: „Ich hab das doch immer schon so gesehen!“

Schwarzmalerei wirkt wissend, persönlich und kollektiv, verunsichert, stärkt Zweifel, spiegelt aber auch Erwartungen und Hoffnungen, dass sich hinter dem Schwarzen etwas Erhellendes verbergen möge. Schwarzmalerei ist „Magic“ und geeignet, alle sonstigen Wahrnehmungen so zu verschaffen, dass der Betrachter kaum in Erklärungsnot gerät, wenn er mehr sehen sollte, als da ist, Schwärze. Er ist entlastet, muss selten zugeben, dass er sich etwa geirrt habe. Die Schwarzmalerei entspricht der Sehnsucht nach Entlastung vom Irrtum, während leuchtende Farben Argwohn und Misstrauen erzeugen. Schwarz bleibt schwarz, aber bei Gold weiß doch jeder, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, überhaupt sind alle Farben verdächtig. Die Mischung machts. „Weiße Wäsche“ ist dabei eine Behauptung, die nach Hinterfragung oft Farbblindheit offenbart.

Schwarzmalerei und seinem weißen Pendant ist eigen, dass die Wirklichkeit keiner dieser Anspruchsformen entspricht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Menschheitsrätsel

Wer ahnt, empfindet, grübelt, denkt und handelt für und mit uns? Welche Gründe, Maßstäbe und Ziele sind dabei ausschlaggebend? Geschieht dieser Prozess kohärent und in Konkordanz zu unseren Erwartungen unter Berücksichtigung konkreter stofflicher Vorgaben nur in einem menschlich definierten physischen Raum oder werden auch transzendente Sphären mit einbezogen? Wie ist es um den ideellen und den materiellen Nutzen der Unternehmungen bestellt?

Die initialen Spekulationen eröffnen zunächst einen Bereich, der uns gleichsam aber verschlossen bleibt, wir erahnen nur eine nicht begreifbare Ordnung, die sich in ihrer Funktionalität als Künderin einer möglicherweise in ihr wohnenden, aber nicht erschließbaren Kraft darstellt. Was sich unserem Begreifen entzieht, ist dennoch einem Sinn zuzuordnen, dessen Orientierungskraft sich erahnen lässt, obwohl wir mangels geeigneter Beschreibungsmöglichkeiten auf eine Definition des Erfahrenen verzichten müssen.

Wo ist hier der Nutzen des Erforschens für uns? Welche Einsichten werden trotz unserer Ahnungslosigkeit hervorgebracht? Da uns sich das Totale trotz des Urknalls nicht offenbart, könnte es dann sein, dass Anfang und Ende sich darin abschließend gebildet haben? Die im Urknall geborgene Kraft hat unsere Anschauung von Allem initial geformt. So versucht der Mensch etwas so oder so zu beschreiben, welches je nach Tagesform und Einstellung geeignet sein könnte, seine Existenz und alles andere zu rechtfertigen oder zumindest plausibel erscheinen zu lassen.

Jedenfalls ermöglicht die Exegese ungebundener Anschauungen eine doch recht große Variation unbekümmerter Betrachtungen, zumindest soweit die sprachlichen Möglichkeiten und die Fähigkeit, diese zu artikulieren, reichen. Das ist doch wohl Blödsinn in einer leicht vermittelbaren Form, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verständnis

Dank unserer Sprache sind wir dazu in der Lage, einander zu verstehen, ohne zwingend auch Verständnis füreinander haben zu müssen. Sprache lässt eine inhaltliche Entgrenzung allerdings nicht zu, sondern schafft eine Barriere, die bereits in ihrer Entstehung begründet ist. Wir haben die Sprache für unsere Kommunikation und unsere Erkenntnisgewinnung gewählt.

Ob wir sprechen, handeln, denken oder schreiben, stets ist Sprache unser konkreter Begleiter, befördert unsere Ausdrucksmöglichkeiten und hält diesegleichermaßen in Grenzen. Ohne Worte sinnieren, loslassen von Begrifflichkeiten, ohne jegliche Sinnvorgaben, schwer ist dies außerhalb eines Traums erlebbar. Das unsprachliche sich Gehenlassen, keine sprachlichen Instrumente bei der Erforschung des Lebens zu nutzen, sich auf Sinnsuche ohne Worte zu begeben, das ist schwer vorstellbar?

Vorhaben, die wir absichtlich voll angehen, werden stets an sprachliche Grenzen stoßen. Sind sprachlose Rufe möglich? Können wir die Sprache verlernen, um zu verstehen? Und wenn wir verstehen sollten, was würden wir dann erfahren? Wie könnten wir das, was wir dann erfahren, entschlüsseln? Welches Gespür haben andere Lebewesen, zum Beispiel Einzeller für sich und ihre Existenz ohne eine dem Menschen vergleichbare Sprache? Welches Wissen könnte jede Zelle preisgeben, wenn sie nicht so sprachlos von uns determiniert würde?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Konnexität

Unterschiedlichkeiten können Verbindungen aufweisen. Es dürfte auch möglich sein, unterschiedlichen Seins-Zuständen eine Verbindung zuzuweisen, die dazu geeignet sein könnte, einen weiteren zunächst möglicherweise noch nicht bedachten Zustand herbeizuführen.

Konnexität beruht somit nicht auf einer vorgegebenen Gesetzlichkeit, sondern einer Zusammenführung von Umständen sui generis, die eine Immanenz dieser an sich unterschiedlichen Zuständen schafft. Ebenso wenig, wie es zum Beispiel einen Typus Mensch gibt, gibt es auch keine typische Gemeinschaft, sondern wir sind Individuen, die aus den unterschiedlichsten Gründen miteinander in Verbindung treten und dafür sorgen, dass sie aus dieser Mischung von Fähigkeiten und Umständen vielleicht sogar neue Erkenntnisse zu ihrem Verhalten gewinnen können.

Im Gegensatz zur Solidarität beruht die hier beschriebene Konnexität aber nicht aus einer gewollten Fügung unterschiedlicher Akteure zu einer Verabredung, sondern aus der Verabredung selbst, am gleichen Strange ziehen zu wollen, die Dinge miteinander zu verknüpfen und dabei alle Reibereien und Komplexitäten im Interesse der Sache in Kauf zu nehmen.

Solidarität entspricht also stets einem Pflichtprogramm, kein Teilnehmer sollte sich drücken dürfen. Schwinden allerdings die gemeinsamen Interessen, bleibt auch die Solidarität auf der Strecke. Konnexität wird geradezu von Gegensätzen und komplexen Sachverhalten befördert und gewinnt an Intensität, je intensiver die miteinander verbundenen Kräfte bereit sind, eigene Vorstellungen mit denjenigen anderer zu verknüpfen, um Lebenssachverhalte aufzudecken, die erkennen lassen, dass ein Zusammenhang zwar bereits besteht, aber noch nicht erkannt wurde oder verbindlich aufoktroyiert wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski