Nur wenn alles seinem Plan entspricht und stimmt, das Licht, der Winkel, der Film und die Kamera, dann drückt Rainer H. Schwesig auf den Auslöser. So inszeniert der Fotograf seine Fotografien und wählt nach Erforderlichkeit diejenigen Gerätschaften aus, welche eine optimale Umsetzung seines Vorhabens versprechen. So kommen analoge Aufnahmegeräte, Polaroid-Kameras, aber auch digitale Geräte, und die damit korrespondierenden Filme zum Einsatz. Deren Wahl ist kein Zufall, sondern entspricht einer planvollen Vorbereitung, die der Stimmigkeit von Motiv, Tageszeit, Lichtverhältnissen, der Position des Gerätes, ja sogar des Entwicklungsprozesses des Filmmaterials von vornherein mit einkalkuliert.
Zuweilen bedient sich der bildgestaltende Fotograf bei seinen Aufnahmen auch weiterer Hilfsmittel, wie zum Beispiel des Einsatzes wertvoller Linsen wie der Hasselblatt bestückten Drohnen. Seine Schüler am Lette Verein Berlin, Fachbereich Fotografie, überrascht er bei der Erläuterung dieser Technik gern mit dem Hinweis, dass das Kameraauge je höher es fliegen würde, desto weniger zu sehen bekäme. Deshalb nähert er sich Motiven auch mit der Drohne sehr gern nur auf Stativhöhe oder maximal bis zu einer Höhe von 10 bis 25 m. Der erfahrene Fotograf vermittelt seine Kenntnisse und Erfahrungen zudem als Dozent an der Lette-Akademie, wobei er seine Studenten darauf hinweist, dass die adäquate filmische Wiedergabe prozessual alle Stadien der Gestaltung mit einschließt, also auch die Entwicklung des Films. Er nennt dies konzeptionelle Fotografie-Bearbeitung und ergänzt, dass Entwicklungsprozesse auch mit Kaffee gelingen. Es gehe dabei um die Abgabe von Elektronen.
Wow! Nichts bleibt also Zufall, sondern folgt einem sorgsamen von ihm verinnerlichten Regelwerk, das die technischen Konsequenzen berücksichtigt, aber natürlich auch und vor allem das Erzählen von Geschichten erlaubt. Seine Geschichten sind diejenigen von Landschaften in Deutschland und Italien, Gebäuden und Interieurs, weiter auch Begegnungen mit Menschen, insbesondere Modellen, die er sogar teilweise selbst in Szene setzt.
Alles scheint nahe an der Wirklichkeit zu sein, ist es aber nicht. Jede Fotografie ist damit sein Produkt, also dasjenige des Fotografen Rainer Schwesig. So kann er es sich erlauben, die Fotografien auf Ausstellungen oder auch in Bildbänden so miteinander in Beziehungen zu setzen, dass die von ihm jeweils adäquat gewählten Gestaltungen seine eigenen Geschichten sind. Die Rollen sind dabei von ihm vorgegeben, beruhen auf Erfahrung, Neugier, Eingebungen, Ideen, dem freien weiten Blick, aber auch viel Spaß und Emotionen, die ihm zum Einsatz der jeweils erforderlichen Technik inspirieren.
Der Betrachter seiner Werke, zum Beispiel der von ihm illustrierten „Haikus“, wird angeregt, das unterbreitete Angebot anzunehmen und aus den Bildern selbst auch wieder eigene Geschichten zu formen, diese ggf. weiterzuentwickeln oder seine bisherige Vorstellung angesichts der Fotografien und ihrer Präsentation zu überprüfen. Im Betrachten seiner Werke vollendet sich der Prozess des Schaffens und Erlebens von Fotografien mit Hilfe eines Mediums, und zwar des Fotografen Rainer Schwesig selbst.
Hans Eike von Oppeln-Bronikowski