Archiv der Kategorie: Soziales

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen sozialen Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Todesstunde

Mors certa – hora incerta. Alles Sterben ist menschlich. Dies ist eine Binsenweisheit, an der sich nicht nur Dichter, Philosophen und Überlebensstrategen abarbeiten, sondern, dies auch konkret jeder Mensch.

Wenn wir jung sind, sprechen wir, denken wir an die lange, sehr lange Zeit, die bis zu unserem Tode noch vor uns liegt. Der Tod ist nicht bedrohlich, er ist zwar als Zufall stets vorhanden, wird aber in der Regel nicht als eine konkrete Selbstgefährdung im Zusammenhang mit Alter und Körper angesehen. Und wie steht es mit alten Menschen? Da besteht auch Ungewissheit, gnädig soll der Tod schon sein, plötzlich ohne Fisimatenten, also ohne Krankheiten, lieber plötzlicher Hirntod als langes Siechtum.

Weil wir unseren Körper Zeit unseres Lebens allein auf der Funktionsebene kennen gelernt haben, misstrauen wir ihm, misstrauen uns, fremdeln mit allen Varianten der Erkrankung, machen ungern frühzeitig ahnende Bekanntschaften mit dem Tod vor seiner Endgültigkeit. Zur „richtigen“ Zeit soll er also dann schnell sein, schneller als unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Schmerzen und unser Widerstand. Um der Ungewissheit zu entgehen, stürzen wir uns ins „offene Messer“, fallen in Kriegen, wollen den Tod kontrollieren, anstatt ihm ausgeliefert zu sein. Im Krieg zählt der Heldentod, Hölderlin wünschte sich nach Vollendung seines Gedichts ebenfalls den Vollendungstod. Aber wenn er uns gar zur falschen Zeit überrascht, uns zappeln lässt, uns durch längere drohende Krankheiten begleitet, uns seine Allmacht zeigt, dann ist er uns unheimlich.

Aber, wie steht es mit unserer Bereitschaft, der Ankunft des ungewissen Todes willkommend zu begegnen? Schwierig! Alles ist „wir“, unser Leben, unser Körper, unser Tod. Der Tod kommt in der Regel nicht sensenschwiegend von irgendwoher, sondern hält sich seit unserer Geburt in jeder Zelle unseres Körpers bereits auf, ein seinsimmanenter Abschaltmechanismus, klar zum Leidwesen unseres Bewusstseins und auch unserer Mitbewohner, der Mikroben, die sich tagaus tagein bemühen, die vielfältige Mechanik unserer Zellen am Laufen zu halten.

Ob sie auch von unserem Tod überrascht werden? Wahrscheinlich ahnen sie dessen Kommen viel eher und sorgen dann nach Erhalt der Botschaft für die verbindliche Aufgabe unserer Körperlichkeit. Die Seele fliegt davon? Nun ja, was so alles in der Todesstunde noch geschieht, wer weiß, jeder Mensch bleibt danach wesentlich auf Dauer.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Gärungsprozesse     

Stakkato, Antworten, wie aus der Pistole geschossen. Das Sprechen überholt das Denken, dies womöglich, aber sicher das Verstehen durch andere. Was hat sie, was er denn eben gesagt?

Mitdenkend versuche ich zu hören, zu erfassen und zu verarbeiten und so zu begreifen, um was es denn gehen mag. Oft scheitere ich. Zu schnell ist der Sprach- und Gedankenturm des Vortragenden gebaut, ist aber seine Statik auch klug berechnet? Um was geht es denn? Doch wohl darum, Vorkommnisse zu erfassen, diese zu verarbeiten, eigene Gedanken dazu zu entwickeln, Schlüsse aus Vorgetragenem zu ziehen, also fremde Gedanken mit den eigenen abzugleichen und das Erfahrene kreativ zu verarbeiten.

Wird dies im Sprachgalopp gelingen? Wohl kaum. Die Hefe muss doch gären! Der gedankliche Gärungsprozess benötigt Ruhe, die Hefe muss sich entwickeln, die Sprache muss sich also verlangsamen, Gedanken und Gefühle müssen reifen. Verlassen sie die Form, entwickeln sie sich weiter im Raum, greifen Impulse auf, ringen um Verständnis und Verstandenwerden, benötigen Zeit, sind aufnahmefähig und bereit, im Prozess des Gärens doch die Verdichtung zu erlangen, die das prächtige Werk erahnen, uns aber auch wissen lässt, dass jede prozessuale Missachtung der Gärung durch Eingriff in deren Prozess dazu führt, dass das beabsichtigte Werk misslingen muss. Handwerkliches Sprechen ist also gefragt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verbindlichkeiten

Verbindlichkeiten bei Boden- und Gewässerschutz schaffen wir weder durch Appelle, noch allein durch einen moralisch bedingten Druck zum Handeln, sondern nur mit Gesetzen oder der Schaffung von Organisationsformen, die eine Entfesselung zielgerichteter Verhaltensweisen zulassen.

Bezüglich des Bodens ist dabei Kern aller Betrachtungen, dass Eigentum eine rechtliche Zuordnungsform ist, die dem Wesen des Bodens und seiner Nutzung nicht entspricht. Eine Organisationsform, die Träger tradierter Eigentumszuordnungen ist, vermag aber nutzende Stakeholder von einem Bekenntniszwang zum richtigen Handeln aufgrund der vorgegebenen Rechtsstrukturen zu entlasten.

Die Regeln der Organisationsformen, die dann statuarisch festgeschrieben sind, ermöglichen ein zweckgesteuertes Handeln, welches sich nicht von der Eigentumszuordnung, sondern vom Besitz ableiten lässt. Wenn das Handeln dann den Regeln eines ehrbaren Kaufmannes folgt, also auch die Business Judgement Rules beachtet, besteht stets sogar die Möglichkeit einer philanthropischen Zweck-/Mittel-/Relation. Es ist damit zu rechnen, dass das Verhalten der Handelnden dann dem durch statuarische Normen gesetzten Vorgaben folgt.

So entwickelt sich ein sachgerechtes Handeln in diesen Lebensbereichen, und zwar nicht nach den Regeln etwaiger Shareholder, sondern von Stakeholdern mit der Folge des Aufbaus einer philanthropischen Industrie, denn Fleiß und Betriebsamkeit entsprechen dem Wesen des Menschen, Herausforderungen zu meistern und dabei so zu handeln, dass alles wesensgerecht und verbindlich wirken und der Gemeinschaft zugutekommen kann.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Besserwisser

Besserwisser sind allgegenwärtig. Auf allen Veranstaltungen scheinen sie unverzichtbar zu sein. Besserwisser fallen insbesondere dadurch auf, dass sie nicht nur vorgeben, alles zu wissen, sondern auch alles zu durchschauen, was andere falsch machen. Sie sind nicht nur selbst umfassend im Bilde, sondern sie vermögen auch für andere zu denken und die richtige Lösung zu sehen.

Besserwisser sind Alleswisser auf allen Gebieten und besiegeln ihr Wissen verbindlich durch Rückbezüglichkeit auf Organisationen, denen sie angehören, durch Bekanntschaften und durch Studien nicht hinterfragbaren Wissens. Ihre Erkenntnisfähigkeit vermögen sie in detaillierter Opulenz so vorzubringen, dass Zweifeln, sollten sie je entstehen, sofort jeder Nährboden entzogen wäre. Besserwisser sind Lehrer, die nach ihrer eigenen Überzeugung anderen auch aufzeigen, wie sie zu Erkenntnissen gelangen könnten. Da es aber so schwierig ist, Unwissenden den richtigen Weg aufzuzeigen, verzichten sie oft schweren Herzens darauf, selbst die Lösung zu benennen, sondern liefern stattdessen Stichworte, die, wenn sie denn beherzigt würden, jedem die Richtigkeit der Argumentation offenbar werden ließe.

Der Besserwisser gibt also methodische Ratschläge und bedauert die Unfähigkeit anderer, die zutage getretenen Probleme aufgrund von Ahnungslosigkeit selbst zu meistern. Der Besserwisser glänzt im Schein seines universellen Wissensbezuges und erwartet daher unerbittlich Zustimmung zu allen seinen Aussagen. Diese gestaltet er allerdings erstaunlich situativ und flexibel, wohl damit er in der Lage ist, erforderlichenfalls einen Positionswechsel vorzunehmen, wenn Irritationen auftreten sollten.

Dem vorbeugend, achtet der Besserwisser darauf, in einem Gesprächskreis möglichst schnell potentielle Unterstützer zu identifizieren und sich ihrer Zustimmung primär zu versichern. Deren Redebeiträge sind dabei meist unerwünscht, es genügt ein Kopfnicken oder wissendes Lachen, das augenscheinliche Einverständnis. Hat ein Besserwisser eine ihm zugewandte Gruppe organisiert, vermögen weder Widerspruch noch eine inhaltliche Gesprächsanforderung für ihn gefährlich zu werden. Jeder Zweifler ist bekehrt oder er hat resigniert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Stiftungsreserve

Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass Stiftungen zwar auch als Organisationsformen angesehen werden, aber auch dann, wenn sie Organe wie Vorstand, Kuratorium und Aufsichtsrat vorweisen können, nichts anderes darstellen, als ein in Form gegossenes Vermögen. Bei einer staatlich anerkannten Stiftung verleiht der Staat dem in einer Stiftung verfassten Vermögen die Handlungsfähigkeit, die der einer Gesellschaft vergleichbar ist. Bei einer Treuhandstiftung bleibt der Treuhänder Träger des Vermögens und setzt es unter der Aufsicht der Finanzbehörden nach dem satzungsgemäßen Zweck des Stifters ein. Aus dem Treuhandvertrag ergibt sich, was der Treuhänder mit dem auf ihn übertragenen Vermögen tun darf und lassen muss. Hat der Stifter das eingesetzte Vermögen in die Obhut des Treuhänders gegeben, scheidet er selbst als Berechtigter an diesem Vermögen aus.

Wie mit dem Stiftervermögen heutzutage gehandelt werden darf, hat bei selbständigen Stiftungen – durchaus mit Billigung der Stiftungsaufsicht und den steuerlich verantwortlichen Einrichtungen – bereits die historischen Vorgaben überschritten. Für Stiftungen ist anerkannt, dass sie ganz oder teilweise Verbrauchsstiftungen sein dürfen. Auch Ausgründungen, Zusammenlegung und Übertragung von Stiftungsvermögen sind möglich. Alle Kooperationsformen sind erlaubt, soweit diese nicht zu BGB-Gesellschaften führen.

Wie verhält es sich aber mit Stiftungen im Erbrecht? Oder mit Stiftungen auf Zeit? Jede Verbrauchsstiftung ist eine Stiftung auf Zeit. Jede Stiftung kann unter einer Bedingung entstehen, zum Beispiel unter der Bedingung des Todes des Stifters. Hier handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung.

Gilt dies auch für Stiftungen, die unter einer auflösenden Bedingung der Zweckerreichung geschlossen werden? Das ist zu bejahen, denn, wenn der Zweck erreicht ist und die Stiftungsmittel dem Stiftungszweck entsprechend an die Destinatäre verteilt sind, kann die Stiftung erlöschen. Dass Stiftungen Nacherben bzw. Ersatzerben sein können, dürfte nicht zu bezweifeln sein.

Wie steht es aber mit der Vorerbschaft von Stiftungen? Die Stiftung wäre dann nur Nutznießer des Stiftungsvermögens, das ihr zugewandt wird und müsste dieses bei Eintritt des Nacherbfalls wieder herausgeben.

Wann sollte dieser Nacherbfall aber eintreten? Etwa dann, wenn in der Stiftungssatzung der vorerbenden Stiftung festgeschrieben ist, dass bei Eintritt einer bestimmten Bedingung, zum Beispiel Zweckerreichung, sie sich auflöst und das verbliebene Vermögen dem Nacherben zufließt? Das kann wohl nicht gemeint sein, sondern ein Vorerbe, der eine natürliche oder juristische Person ist, erhält den Nachlass mit der Maßgabe, diesen in eine gemeinnützige Einrichtung einzubringen und bei dem Tod des Vorerben soll der Nacherbe berechtigt sein, das Nachgelassene von dieser gemeinnützigen Einrichtung heraus zu verlangen.

Geht das? Da eine auf Zeit errichtete Stiftung möglich ist, kann der Erblasser verfügen, dass zum Beispiel mit seinem Tode eine Stiftung eingerichtet und mit dem Tod des Vorerben diese wieder aufgelöst wird. In der Zwischenzeit wird die Stiftung mit dem ihr überlassenen Stiftungsvermögen aus dem Nachlass ihre Zweckverpflichtungen im gemeinnützigen Bereich erfüllen. Da Stiftungen im Falle ihrer Auflösung das Stiftungsvermögen aber auch nur einer Einrichtung überlassen dürfen, die ihrerseits gemeinnützig ist, käme eine natürliche oder juristische Person, die diese Voraussetzung nicht erfüllt, als Nacherbe nicht in Betracht. Wird der Nachlass allerdings zur Fruchtziehung einer gemeinnützigen Einrichtung im Zeitpunkt des Todes überlassen, ist beim Tod des Vorerben durchaus denkbar, dass das auf Zeit überlassene Vermögen, welches einer gemeinnützigen Einrichtung nur zur Fruchtziehung überlassen worden ist, herausverlangt werden kann und der Nacherbe, seinerseits steuerlich privilegiert, dieses ins eigene Vermögen überführt.

Sinnvoll kann eine auf derartigen Prinzipien eingerichtete Vor- und Nacherbschaft deshalb sein, weil der Erblasser zu Lebzeiten des Vorerben erreicht, dass das vorhandene Vermögen in seinem Sinne gemeinnützig eingesetzt wird und dem Nacherben zufällt, wenn zum Beispiel die Mittel erforderlich sind, um die Existenz des Nacherben und seiner Familie zu sichern. Der Vorerbe muss von Nachlassbeschränkungen befreit sein, wenn er der Stiftung schenkungsweise den Nachlass überlässt. Hält er sich allerdings an die testamentarische Verfügung des Erblassers, dürfte keine Schenkung vorliegen, sondern eine Zuwendung an den Vorerben von Todes wegen mit der Auflage, über den Nachlass nach einer von ihm vorgegebenen Maßgabe zu verfügen. Der so handelnde Vorerbe benötigt daher zu seinem Handeln nicht die Zustimmung des Nacherben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Menschheitsrätsel

Wer ahnt, empfindet, grübelt, denkt und handelt für und mit uns? Welche Gründe, Maßstäbe und Ziele sind dabei ausschlaggebend? Geschieht dieser Prozess kohärent und in Konkordanz zu unseren Erwartungen unter Berücksichtigung konkreter stofflicher Vorgaben nur in einem menschlich definierten physischen Raum oder werden auch transzendente Sphären mit einbezogen? Wie ist es um den ideellen und den materiellen Nutzen der Unternehmungen bestellt?

Die initialen Spekulationen eröffnen zunächst einen Bereich, der uns gleichsam aber verschlossen bleibt, wir erahnen nur eine nicht begreifbare Ordnung, die sich in ihrer Funktionalität als Künderin einer möglicherweise in ihr wohnenden, aber nicht erschließbaren Kraft darstellt. Was sich unserem Begreifen entzieht, ist dennoch einem Sinn zuzuordnen, dessen Orientierungskraft sich erahnen lässt, obwohl wir mangels geeigneter Beschreibungsmöglichkeiten auf eine Definition des Erfahrenen verzichten müssen.

Wo ist hier der Nutzen des Erforschens für uns? Welche Einsichten werden trotz unserer Ahnungslosigkeit hervorgebracht? Da uns sich das Totale trotz des Urknalls nicht offenbart, könnte es dann sein, dass Anfang und Ende sich darin abschließend gebildet haben? Die im Urknall geborgene Kraft hat unsere Anschauung von Allem initial geformt. So versucht der Mensch etwas so oder so zu beschreiben, welches je nach Tagesform und Einstellung geeignet sein könnte, seine Existenz und alles andere zu rechtfertigen oder zumindest plausibel erscheinen zu lassen.

Jedenfalls ermöglicht die Exegese ungebundener Anschauungen eine doch recht große Variation unbekümmerter Betrachtungen, zumindest soweit die sprachlichen Möglichkeiten und die Fähigkeit, diese zu artikulieren, reichen. Das ist doch wohl Blödsinn in einer leicht vermittelbaren Form, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verständnis

Dank unserer Sprache sind wir dazu in der Lage, einander zu verstehen, ohne zwingend auch Verständnis füreinander haben zu müssen. Sprache lässt eine inhaltliche Entgrenzung allerdings nicht zu, sondern schafft eine Barriere, die bereits in ihrer Entstehung begründet ist. Wir haben die Sprache für unsere Kommunikation und unsere Erkenntnisgewinnung gewählt.

Ob wir sprechen, handeln, denken oder schreiben, stets ist Sprache unser konkreter Begleiter, befördert unsere Ausdrucksmöglichkeiten und hält diesegleichermaßen in Grenzen. Ohne Worte sinnieren, loslassen von Begrifflichkeiten, ohne jegliche Sinnvorgaben, schwer ist dies außerhalb eines Traums erlebbar. Das unsprachliche sich Gehenlassen, keine sprachlichen Instrumente bei der Erforschung des Lebens zu nutzen, sich auf Sinnsuche ohne Worte zu begeben, das ist schwer vorstellbar?

Vorhaben, die wir absichtlich voll angehen, werden stets an sprachliche Grenzen stoßen. Sind sprachlose Rufe möglich? Können wir die Sprache verlernen, um zu verstehen? Und wenn wir verstehen sollten, was würden wir dann erfahren? Wie könnten wir das, was wir dann erfahren, entschlüsseln? Welches Gespür haben andere Lebewesen, zum Beispiel Einzeller für sich und ihre Existenz ohne eine dem Menschen vergleichbare Sprache? Welches Wissen könnte jede Zelle preisgeben, wenn sie nicht so sprachlos von uns determiniert würde?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sprachkult

Der Marquis de Posa fordert bekanntlich in Schillers Don Karlos von Philipp II. „Sire geben sie Gedankenfreiheit!“ Ähnliches war von Martin Luther zu vernehmen, zumindest zunächst, als er von der Freiheit eines Christenmenschen sprach, um diese Freiheitsgewährung später allerdings wieder einzusammeln, zumindest soweit es die Bauern betraf. Artikel 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte manifestiert die Meinungsfreiheit für alle, wie sie auch Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bürger unseres Staates festschreibt.

Ist damit alles Denken und Sagen legitimiert? Wie verhält es sich dann mit dem umfassenden Denken, Meinen und auch Ausdrücken, sprachlich und in der Schrift? Habe ich ein Recht, alles zu sagen, was mir in den Sinn kommt?

Zumindest nach dem Grundgesetz wohl schon, soweit das, was ich ausdrücke nicht mit den strafrechtlich sanktionierten Abwehransprüchen des Staates, die auch im Interesse anderer Menschen durchgesetzt werden, kollidiert. Jenseits der Strafbarkeitsgrenze stellt sich mir die Frage, ob ich denn auch immer erfahren will, was andere meinen und sagen? Sollte Sprache in Wort und Schrift nicht vor allem empfängerorientiert sein? Kann ich es nicht als Zumutung empfinden, mir stets anhören zu müssen, was andere auch medial als ihre Meinung verbreiten? Wo ist der Schutz meiner Wahrnehmungsbereitschaft im Empfängerhorizont? Dazu finde ich weder in den allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte, noch im Grundgesetz entscheidende Antworten, es sei denn, allgemeine Hinweise auf Strafgesetze, wobei diese nur im Einzelfall Relevanz aufweisen können.

Die Gedankenfreiheit ist keinem Menschen abzusprechen, auch Sprache, Bilder und alle sonstigen Medien als Verständigungsinstrumente sind willkommen, aber benötigen wir nicht den Schutz des Einzelnen vor der Meinungskakophonie? Also, jeder sollte denken, was er will und somit auch eine Meinung haben. Äußert er diese in seiner Blase, verstärkt sie sich sehr dynamisch in der Gruppe. Diffundiert sie dann aber auch durch die sie eingrenzende Hülle in andere Räume oder gerät gar in Abwehrscharmützel mit den sich dort ebenfalls bildenden Meinungen?

Meinungen sind unerbittlich wie auch unverbindlich, sie passen sich an oder zerstören, wenn man sie frei lässt. Wie jeder Organismus hat auch jede Gesellschaft die Möglichkeit, eine Kultur zu verabreden, die konstruktive Meinungen im Interesse der Entwicklung gesellschaftlicher Prozesse ermöglicht, aber unwillige Empfänger beliebiger Meinungen schützt.

Keiner muss sich alles bieten lassen, sondern die Möglichkeit haben, im Eigeninteresse Meinungsbeschallungen einzuschränken bzw. zu verhindern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Framing

Vielleicht schon das Ende der Philosophie?

Der Begriff „Framing“ ist begierig, unsere Gedanken zu rahmen, Zuordnungen zu schaffen, aber auch in Schranken zu weisen und Wahrnehmungen verbindlich einzuhegen. Im Framing werden unsere Absichten subjektiv und auch objektiv konditioniert, angepasst an ein Setting, welches bereits eine Anerkennung gefunden hat oder diese zu erlangen trachtet.

Was verspricht mir diese Art des Brandings? Sollte ich lieber zuschauen, abwarten oder gar handeln? Handle ich im selbst gewählten Maßstab oder werde ich gar selbst verhandelt, ausgesondert oder anerkannt? Von selbst passiert offenbar nichts, kein Grund ist grundlos. Alles Denken, Fühlen, Handeln wird auf die Probe gestellt, erfährt aber seine Bestätigung schließlich in der Zentrifuge all dessen, was allgemein gemeint, gefühlt und gesagt wird.

Die Anpassung, der vorgegebene Rahmen macht es! Er schafft verbindliche Inhalte und verleiht jeder Äußerung, sei diese schriftlich oder bildlich, ihre positivistische Bestätigung, eine Zertifizierung des jeweils Berechtigten. Wahr ist, was dessen Vorstellung genügt und so eine entsprechende Einordnung erfahren hat. Die instrumentalistisch angelegte sprachliche Rahmung verzichtet auf weitere Hinterfragung und Erkenntnistiefe.

Framing ist Zuweisung. Der passende Rahmen wird, soweit er noch nicht vorhanden ist, passgerecht geschaffen bzw. passend gemacht. So passt jeder passend in irgendein Bild, das Worte, Zeit und Umstände für ihn schaffen, wenn es klemmen sollte. Im konsequenten Framing erledigen sich sämtliche Fragen, die über eine Instrumentalisierung von Sprache und Bildern hinausgehen und dem Sinn des Lebens eine Unbegreiflichkeit abverlangen würde. Es genügt, dass ich mir ein Bild mache oder ein Bild von mir gemacht wird, Abweichungen nicht bestehen oder passgerecht gemacht werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Opus Magnus

Das ganz große Werk, das alles berücksichtigt, abwägende Erkenntnis beinhaltet und die Tatkraft seines Schöpfers erstrahlen lässt, ist sicher bedeutend. Seine Signatur besiegelt dessen Vollkommenheit. Sie verkündet, dass er das Werk geschaffen hat, immerwährend besungen in Kunst, Musik und Literatur, aber auch in der Politik oder auf dem Schlachtfeld.

Seht her, das ist mein Werk! Ob ich Türme baue oder sie zum Einstürzen bringe, den Planeten erblühen lassen oder ihn vernichte. Der Schöpfer unterwirft das Werk seinen Regeln, bevorzugt meist die Tat statt der Erkenntnis.

Was veranlasst ihn zum Handeln? Ihm unterbreitete Bedürfnisse, plötzlich Erleuchtung, Geistesblitze oder Anerkennung? Das ist nicht ausgemacht. Hat der Schöpfer sich aber einmal an sein Werk gemacht, gibt es kaum etwas, was ihn an dessen Vollendung hindern könnte. Ob zum Guten oder zum Schlechten, zum Schönen oder zum Hässlichen, die Aufschwünge zum ganz großen Werk sind deutlich spürbar. Es macht sich dann allerdings von seinem Schöpfer frei. Er selbst wird zum Amalgam seines Werkes. Das Werk selbst wird ihm zur Bürde, jedenfalls bleibt es im ewigen Gedächtnis der Menschheit.

Was kümmert es demnach den Schöpfer? Der ist zwischenzeitlich gestorben.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski