Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Hier finden Sie meine Gedanken, Ideen und Anreize zu gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftsrelevanten Themen, die mich und meine Umwelt bewegen.

Gärungsprozesse     

Stakkato, Antworten, wie aus der Pistole geschossen. Das Sprechen überholt das Denken, dies womöglich, aber sicher das Verstehen durch andere. Was hat sie, was er denn eben gesagt?

Mitdenkend versuche ich zu hören, zu erfassen und zu verarbeiten und so zu begreifen, um was es denn gehen mag. Oft scheitere ich. Zu schnell ist der Sprach- und Gedankenturm des Vortragenden gebaut, ist aber seine Statik auch klug berechnet? Um was geht es denn? Doch wohl darum, Vorkommnisse zu erfassen, diese zu verarbeiten, eigene Gedanken dazu zu entwickeln, Schlüsse aus Vorgetragenem zu ziehen, also fremde Gedanken mit den eigenen abzugleichen und das Erfahrene kreativ zu verarbeiten.

Wird dies im Sprachgalopp gelingen? Wohl kaum. Die Hefe muss doch gären! Der gedankliche Gärungsprozess benötigt Ruhe, die Hefe muss sich entwickeln, die Sprache muss sich also verlangsamen, Gedanken und Gefühle müssen reifen. Verlassen sie die Form, entwickeln sie sich weiter im Raum, greifen Impulse auf, ringen um Verständnis und Verstandenwerden, benötigen Zeit, sind aufnahmefähig und bereit, im Prozess des Gärens doch die Verdichtung zu erlangen, die das prächtige Werk erahnen, uns aber auch wissen lässt, dass jede prozessuale Missachtung der Gärung durch Eingriff in deren Prozess dazu führt, dass das beabsichtigte Werk misslingen muss. Handwerkliches Sprechen ist also gefragt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Verschwendung

Der Verbraucher wird zum Verschwender, wenn er Lebensmittel jenseits des persönlichen Bedarfs erwirbt und vernichtet. Dabei spielt der die Lebensmittel verschwendende Verbraucher eigentlich noch die geringste Rolle, entscheidende Bedeutung kommt den Lieferwegen und der Lagerhaltung zu. Dies dann, wenn sie in keiner vernünftigen Synchronität zu den Bedürfnissen, dem Verhalten und dem eigentlichen notwendigen Verbrauch durch den Lebensmittelkunden stehen.

Weltweit wird mit Lieferstrukturen und „Lagerhaltung just in time“ versucht, punktgenau dem sich stets wachsenden Bedürfnis des Kunden zu entsprechen. Es handelt sich nicht nur um die Grundbedürfnisse. In der Erwartung saisonaler und witterungsbedingter Bedürfnisse werden Warenlager gefüllt, um situativ auf wechselnde Verbraucherverhalten reagieren zu können. Bei mangelnder Nachfrage werden Waren zur Vernichtung freigegeben, bevor sie den Verbraucher erreichen.

Hierbei werden alle Entstehungsprozesse von Lebensmitteln einschließlich Bodenbelastung, Düngung, Bewässerung, Transportkosten, Lagerhaltung usw. selbst dann einzupreisen sein, wenn der Kunde diese nicht abnimmt. Diese Kosten schlagen sich allerdings nur zu einem Teil konkret in den Lebensmitteln präzise nieder, die meisten Kosten dürften dagegen externalisiert werden, also von der Gesamtheit aller Menschen und nicht nur von den spezifisch angesprochenen Verbrauchern zu tragen sein.  

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Besserwisser

Besserwisser sind allgegenwärtig. Auf allen Veranstaltungen scheinen sie unverzichtbar zu sein. Besserwisser fallen insbesondere dadurch auf, dass sie nicht nur vorgeben, alles zu wissen, sondern auch alles zu durchschauen, was andere falsch machen. Sie sind nicht nur selbst umfassend im Bilde, sondern sie vermögen auch für andere zu denken und die richtige Lösung zu sehen.

Besserwisser sind Alleswisser auf allen Gebieten und besiegeln ihr Wissen verbindlich durch Rückbezüglichkeit auf Organisationen, denen sie angehören, durch Bekanntschaften und durch Studien nicht hinterfragbaren Wissens. Ihre Erkenntnisfähigkeit vermögen sie in detaillierter Opulenz so vorzubringen, dass Zweifeln, sollten sie je entstehen, sofort jeder Nährboden entzogen wäre. Besserwisser sind Lehrer, die nach ihrer eigenen Überzeugung anderen auch aufzeigen, wie sie zu Erkenntnissen gelangen könnten. Da es aber so schwierig ist, Unwissenden den richtigen Weg aufzuzeigen, verzichten sie oft schweren Herzens darauf, selbst die Lösung zu benennen, sondern liefern stattdessen Stichworte, die, wenn sie denn beherzigt würden, jedem die Richtigkeit der Argumentation offenbar werden ließe.

Der Besserwisser gibt also methodische Ratschläge und bedauert die Unfähigkeit anderer, die zutage getretenen Probleme aufgrund von Ahnungslosigkeit selbst zu meistern. Der Besserwisser glänzt im Schein seines universellen Wissensbezuges und erwartet daher unerbittlich Zustimmung zu allen seinen Aussagen. Diese gestaltet er allerdings erstaunlich situativ und flexibel, wohl damit er in der Lage ist, erforderlichenfalls einen Positionswechsel vorzunehmen, wenn Irritationen auftreten sollten.

Dem vorbeugend, achtet der Besserwisser darauf, in einem Gesprächskreis möglichst schnell potentielle Unterstützer zu identifizieren und sich ihrer Zustimmung primär zu versichern. Deren Redebeiträge sind dabei meist unerwünscht, es genügt ein Kopfnicken oder wissendes Lachen, das augenscheinliche Einverständnis. Hat ein Besserwisser eine ihm zugewandte Gruppe organisiert, vermögen weder Widerspruch noch eine inhaltliche Gesprächsanforderung für ihn gefährlich zu werden. Jeder Zweifler ist bekehrt oder er hat resigniert.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Schwarzmalerei

Malewitsch, sein schwarzes Quadrat! Es scheint aufnahmefähig zu sein für alle denkbaren Betrachtungen der Wirklichkeit. Wie dies? Was verbirgt das Schwarze, was drückt es aus? Was gab es vor dem Schwarz und was wird sein, wenn das Quadrat nicht mehr schwarz oder gegenwärtig ist?

Jedenfalls birgt das Quadrat ein Geheimnis und zeigt doch seine Offensichtlichkeit, typische Schwarzmalerei! Sie verschafft Aufmerksamkeit, bedient Vermutungen, Argwohn und Skepsis, erlaubt aber dennoch eine Entlastung des Betrachters: „Ich hab das doch immer schon so gesehen!“

Schwarzmalerei wirkt wissend, persönlich und kollektiv, verunsichert, stärkt Zweifel, spiegelt aber auch Erwartungen und Hoffnungen, dass sich hinter dem Schwarzen etwas Erhellendes verbergen möge. Schwarzmalerei ist „Magic“ und geeignet, alle sonstigen Wahrnehmungen so zu verschaffen, dass der Betrachter kaum in Erklärungsnot gerät, wenn er mehr sehen sollte, als da ist, Schwärze. Er ist entlastet, muss selten zugeben, dass er sich etwa geirrt habe. Die Schwarzmalerei entspricht der Sehnsucht nach Entlastung vom Irrtum, während leuchtende Farben Argwohn und Misstrauen erzeugen. Schwarz bleibt schwarz, aber bei Gold weiß doch jeder, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, überhaupt sind alle Farben verdächtig. Die Mischung machts. „Weiße Wäsche“ ist dabei eine Behauptung, die nach Hinterfragung oft Farbblindheit offenbart.

Schwarzmalerei und seinem weißen Pendant ist eigen, dass die Wirklichkeit keiner dieser Anspruchsformen entspricht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Konnexität

Unterschiedlichkeiten können Verbindungen aufweisen. Es dürfte auch möglich sein, unterschiedlichen Seins-Zuständen eine Verbindung zuzuweisen, die dazu geeignet sein könnte, einen weiteren zunächst möglicherweise noch nicht bedachten Zustand herbeizuführen.

Konnexität beruht somit nicht auf einer vorgegebenen Gesetzlichkeit, sondern einer Zusammenführung von Umständen sui generis, die eine Immanenz dieser an sich unterschiedlichen Zuständen schafft. Ebenso wenig, wie es zum Beispiel einen Typus Mensch gibt, gibt es auch keine typische Gemeinschaft, sondern wir sind Individuen, die aus den unterschiedlichsten Gründen miteinander in Verbindung treten und dafür sorgen, dass sie aus dieser Mischung von Fähigkeiten und Umständen vielleicht sogar neue Erkenntnisse zu ihrem Verhalten gewinnen können.

Im Gegensatz zur Solidarität beruht die hier beschriebene Konnexität aber nicht aus einer gewollten Fügung unterschiedlicher Akteure zu einer Verabredung, sondern aus der Verabredung selbst, am gleichen Strange ziehen zu wollen, die Dinge miteinander zu verknüpfen und dabei alle Reibereien und Komplexitäten im Interesse der Sache in Kauf zu nehmen.

Solidarität entspricht also stets einem Pflichtprogramm, kein Teilnehmer sollte sich drücken dürfen. Schwinden allerdings die gemeinsamen Interessen, bleibt auch die Solidarität auf der Strecke. Konnexität wird geradezu von Gegensätzen und komplexen Sachverhalten befördert und gewinnt an Intensität, je intensiver die miteinander verbundenen Kräfte bereit sind, eigene Vorstellungen mit denjenigen anderer zu verknüpfen, um Lebenssachverhalte aufzudecken, die erkennen lassen, dass ein Zusammenhang zwar bereits besteht, aber noch nicht erkannt wurde oder verbindlich aufoktroyiert wird.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Sprachkult

Der Marquis de Posa fordert bekanntlich in Schillers Don Karlos von Philipp II. „Sire geben sie Gedankenfreiheit!“ Ähnliches war von Martin Luther zu vernehmen, zumindest zunächst, als er von der Freiheit eines Christenmenschen sprach, um diese Freiheitsgewährung später allerdings wieder einzusammeln, zumindest soweit es die Bauern betraf. Artikel 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte manifestiert die Meinungsfreiheit für alle, wie sie auch Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bürger unseres Staates festschreibt.

Ist damit alles Denken und Sagen legitimiert? Wie verhält es sich dann mit dem umfassenden Denken, Meinen und auch Ausdrücken, sprachlich und in der Schrift? Habe ich ein Recht, alles zu sagen, was mir in den Sinn kommt?

Zumindest nach dem Grundgesetz wohl schon, soweit das, was ich ausdrücke nicht mit den strafrechtlich sanktionierten Abwehransprüchen des Staates, die auch im Interesse anderer Menschen durchgesetzt werden, kollidiert. Jenseits der Strafbarkeitsgrenze stellt sich mir die Frage, ob ich denn auch immer erfahren will, was andere meinen und sagen? Sollte Sprache in Wort und Schrift nicht vor allem empfängerorientiert sein? Kann ich es nicht als Zumutung empfinden, mir stets anhören zu müssen, was andere auch medial als ihre Meinung verbreiten? Wo ist der Schutz meiner Wahrnehmungsbereitschaft im Empfängerhorizont? Dazu finde ich weder in den allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte, noch im Grundgesetz entscheidende Antworten, es sei denn, allgemeine Hinweise auf Strafgesetze, wobei diese nur im Einzelfall Relevanz aufweisen können.

Die Gedankenfreiheit ist keinem Menschen abzusprechen, auch Sprache, Bilder und alle sonstigen Medien als Verständigungsinstrumente sind willkommen, aber benötigen wir nicht den Schutz des Einzelnen vor der Meinungskakophonie? Also, jeder sollte denken, was er will und somit auch eine Meinung haben. Äußert er diese in seiner Blase, verstärkt sie sich sehr dynamisch in der Gruppe. Diffundiert sie dann aber auch durch die sie eingrenzende Hülle in andere Räume oder gerät gar in Abwehrscharmützel mit den sich dort ebenfalls bildenden Meinungen?

Meinungen sind unerbittlich wie auch unverbindlich, sie passen sich an oder zerstören, wenn man sie frei lässt. Wie jeder Organismus hat auch jede Gesellschaft die Möglichkeit, eine Kultur zu verabreden, die konstruktive Meinungen im Interesse der Entwicklung gesellschaftlicher Prozesse ermöglicht, aber unwillige Empfänger beliebiger Meinungen schützt.

Keiner muss sich alles bieten lassen, sondern die Möglichkeit haben, im Eigeninteresse Meinungsbeschallungen einzuschränken bzw. zu verhindern.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Framing

Vielleicht schon das Ende der Philosophie?

Der Begriff „Framing“ ist begierig, unsere Gedanken zu rahmen, Zuordnungen zu schaffen, aber auch in Schranken zu weisen und Wahrnehmungen verbindlich einzuhegen. Im Framing werden unsere Absichten subjektiv und auch objektiv konditioniert, angepasst an ein Setting, welches bereits eine Anerkennung gefunden hat oder diese zu erlangen trachtet.

Was verspricht mir diese Art des Brandings? Sollte ich lieber zuschauen, abwarten oder gar handeln? Handle ich im selbst gewählten Maßstab oder werde ich gar selbst verhandelt, ausgesondert oder anerkannt? Von selbst passiert offenbar nichts, kein Grund ist grundlos. Alles Denken, Fühlen, Handeln wird auf die Probe gestellt, erfährt aber seine Bestätigung schließlich in der Zentrifuge all dessen, was allgemein gemeint, gefühlt und gesagt wird.

Die Anpassung, der vorgegebene Rahmen macht es! Er schafft verbindliche Inhalte und verleiht jeder Äußerung, sei diese schriftlich oder bildlich, ihre positivistische Bestätigung, eine Zertifizierung des jeweils Berechtigten. Wahr ist, was dessen Vorstellung genügt und so eine entsprechende Einordnung erfahren hat. Die instrumentalistisch angelegte sprachliche Rahmung verzichtet auf weitere Hinterfragung und Erkenntnistiefe.

Framing ist Zuweisung. Der passende Rahmen wird, soweit er noch nicht vorhanden ist, passgerecht geschaffen bzw. passend gemacht. So passt jeder passend in irgendein Bild, das Worte, Zeit und Umstände für ihn schaffen, wenn es klemmen sollte. Im konsequenten Framing erledigen sich sämtliche Fragen, die über eine Instrumentalisierung von Sprache und Bildern hinausgehen und dem Sinn des Lebens eine Unbegreiflichkeit abverlangen würde. Es genügt, dass ich mir ein Bild mache oder ein Bild von mir gemacht wird, Abweichungen nicht bestehen oder passgerecht gemacht werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Entgrenzung

Es ist etwas los in dieser Welt. Wir wollen uns schützen vor Trump, Musk und Weidel. Aufrufe, Appelle und Demonstrationen. Atomkraftgegner, Klimaschützer und Weltenretter. Es hat doch immer gut funktioniert. Hier die Anständigen angeblich in der Mehrzahl und dort die Bedrohung, irgendwie werden wir schon damit fertig und wenn nein, dann haben wir zumindest alles versucht, das Schlimmste zu verhindern.

Das Muster unseres Protestes ist geblieben, aber die Bedrohung hat sich angepasst, ist Dank Digitalisierung flexibel geworden. Es ist keine Geschichte von einem Elefanten und einer Mücke, sondern von einer grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse, in denen wir leben.

Wind of Change, Zeitenwende und welche Metaphern auch sonst noch verwendet werden, sie verschleiern eher, als dass sie deutlich machen, dass eine Disruption stattfindet, die alle bisherigen Gewissheiten oder Vorstellungen in Frage stellt, keine Rücksicht nimmt auf Befindlichkeiten, skrupellos oder konsequent, je nach Betrachtungsweise, unsere Welt so umgestaltet, dass sie keinerlei Kongruenz mehr mit unseren bisherigen Erwartungen, Erfahrungen und Lebensversprechen mehr aufweisen wird.

Es ist zwecklos, sich mit Protesten dagegen stemmen zu wollen. Der einzige Weg, diesen Umwälzungen gewachsen zu sein, ist, sich auf sie vorzubereiten, d. h. sie zu studieren und Schwachpunkte zu erkennen, die vielleicht zu nutzen sind, um der künftigen Entwicklung eine Richtung zu geben, die sich auch an den in der Vergangenheit erworbenen Werten orientiert. Zuversichtlich bin ich da überhaupt nicht, sondern meine nur, dass, wenn sich eine entsprechende Gelegenheit bietet, diese auch ergriffen werden sollte. Im Übrigen besteht hier ein Bildungsauftrag, d. h. nicht zu jammern, sondern resiliente Entwicklungen durch genaues Studium und flexible Reaktionen auf alle Zumutungen zu gestalten.

Die Menschheit begibt sich derzeit auf einen Schlingerkurs, der gefährlich sein kann, aber auch Gelegenheit bieten wird, bisherige Denk- und Verhaltensmuster nicht nur zu überprüfen, ggf. anzupassen, sondern auch über grundsätzliche Neufindungen in unserer Gesellschaft die Voraussetzungen für deren Existenzsicherung auch im digitalen Raum zu schaffen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Zuversicht

Wird schon werden. „Heile, heile Segen, morgen gibt es Regen, übermorgen Schnee, tut der Finger nicht mehr weh.“ Eltern verstehen, ihre Kinder nicht nur zu trösten, sondern ihnen auch eine Perspektive aufzuzeigen, wenn sie sich zum Beispiel in den Finger geschnitten oder sich mit anderen Kindern gezankt haben.

Diese selbstverständliche Zuversicht scheint manchem in Bezug auf andere Menschen und das Leben abhandengekommen zu sein. Ständig werden zudem Gefahren beschrieben, die uns durch Klimawandel, wirtschaftlichen Verfall und Überbevölkerung drohen könnten. Die Welt ist voller Gefahren, aber kaum noch ein Tröster ist vorhanden, der mit „Heile, heile Segen…“ dafür sorgt, dass Menschen wieder Mut fassen, Schmerzen überwinden und hoffnungsfroh ihre Zukunft gestalten. Werden wir so mangels Perspektive zu Antinatalisten? Ich hoffe nicht.

Alle weltlichen und religiösen Schöpfungsverkündungen wimmeln seit Menschengedenken von gefährlichen Szenarien, die letztlich wieder eingefangen werden könnten durch Versprechen, wie, dass dies doch schon immer so gewesen sei, Veränderungen stets möglich und wahrscheinlich seien, objektive und subjektive Bedingungen sich änderten, Langeweile und Erschöpfung schließlich alles erledige. Niemals, so ist dies historisch bestätigt, wurde das letzte Wort gesprochen, sondern es fand sich stets ein weiterer Ausweg, gab es Gründe, wieder an Aufbruch und Neubeginn zu glauben.

Da seit dem Urknall nichts endlich sein kann, gibt es gute Gründe, die Zuversicht zu hegen und in Momenten der Verzagtheit, andere und sich selbst an später zu erinnern, an eine bessere Zeit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Feierlaune

Ganz egal, ob ich früher oder später nach Hause gehe, wenn ich Straßen entlangschlendere, sehe ich Massen von Menschen vor Kaffees, Restaurants, Bistros oder Biergärten sitzen. Ich vermute dann, dass sie in Feierlaune sind und verbinde dies in meiner Erinnerung mit Feierabend.

Früher, d. h. während meiner Kindheit und Jugend konnte ich noch Männer dabei beobachten, wie sie nach getaner Arbeit an Kiosken standen und Biere tranken. Frauen und Männer saßen auf Bänken und viele Eheleute hatten Kissen in die Fenster gelegt, und es sich darauf mit ihren Ellenbogen behaglich gemacht, um die Straße zu beobachten.

Die Leute, die heute ihren Feierabend in öffentlichen Restaurationseinrichtungen feiern, haben zur Verstärkung ihrer Feierlaune meist umfangreiche kulinarische Köstlichkeiten aufgeboten. Der Körper ist so umfassend und wohl versorgt. Dass sie keinen Hunger erleiden werden, sieht man den Feiernden an. Aber, so frage ich mich dann, was gibt es denn eigentlich zu feiern?

Ich versuche es zu ergründen und erfahre, dass man schon immer einmal hier essen wollte, aber es sehr schwer sei, einen Platz zu bekommen. Das kann ich nur bestätigen. Oft habe ich Schlangenbildungen feierwütiger Menschen beobachtet und manche Lokale bieten Zeitfenster für den Abendspaß an.

Wo bleibt dann aber die Feierlaune, wenn alles so reglementiert ist? Was feiern wir überhaupt? Früher war es das Ende des Schichttages, des 8-Stunden-Tages in der Fabrik oder im Büro. Die Arbeitswelt und unsere Verhältnisse haben sich geändert und damit ändern sich auch die Möglichkeiten, der Feierlaune nachzugeben. Feiern geht heute von morgens bis abends, wenn und soweit die Laune dies gebietet. Wenn kein Spielverderber darunter ist, gibt es immer etwas zu feiern.

Das Leben ist doch ernst genug, oder?

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski