Archiv der Kategorie: Wirtschaft

Vergebung

Auf den Konsum von Nachrichten, Talkshows, Interviews und Einschätzungen zur politischen Lage habe ich in letzter Zeit verzichtet. Der Pegel meiner Aufnahmefähigkeit ist überschritten, auch, wenn ich das Rumoren in der Gesellschaft, die Entwicklungen bei den herrschenden Kriegen und die meisten politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen durchaus mitkriege. Es kann und wird womöglich noch schlimmer kommen, Europa und Asien in weitere Kriege verwickelt bzw. bestehende Auseinandersetzungen und Kriege verstetigt werden. Zu den kriegerischen Auseinandersetzungen gesellen sich die wirtschaftlichen Verwerfungen, schließlich ist sogar ein Zivilisationsbruch möglich, dessen Dimension mit den bisherigen Erfahrungswerten nicht mehr zu messen sein wird. Und doch wird das nicht das Ende sein.

Nach allen Kriegen, ggf. auch zumindest begrenzt atomaren Auseinandersetzungen, Weltwirtschaftskonflikten und sogar unvorstellbaren Metzeleien wird die dann eintretende Erschöpfung die Menschen zwingen, ihre Untaten zu beenden und zu versuchen, eine einigermaßen erfreuliche Lebenssituation in dieser Welt wiederzubeleben.

Zu unserer Lebenszeit werden wir uns wohl kaum wieder vergeben können, aber vielleicht dürfen wir uns doch die Hoffnung erhalten, dass künftige Generationen wieder ausreichend klug sein werden, vernünftig und pragmatisch Orientierungen zu schaffen, die unseren Planeten zumindest noch teilweise bewohnbar bleiben lässt. Dass der Mensch denkt und Gott lenkt, davon kann keine Rede sein, wie Brecht schon wusste, sondern alles, was wir machen, alles, was passiert, ist menschlich, hand made und gefährlich.

Verwaltungsreformgesetz

Es geht voran. Berlin plant eine Reform seiner Verwaltung, und zwar sowohl auf Landes-, als auch auf Bezirksebene. Das Gesetz soll aber nicht Verwaltungsreformgesetz heißen, sondern Landesorganisationsgesetz, womit schon deutlich gemacht wird, dass es in erster Linie darum geht, die Kompetenzen von Land und Bezirken abzugrenzen, so mit Hilfe der Strukturveränderungen eine Konzentration von Aufgaben im Sinne der Bürger zu erreichen und Beschleunigung der Entscheidungsprozesse zu gewährleisten. Transformation, Konnexität und Spezialisierungen gesellen sich zur Digitalisierung, alles instrumentale Begrifflichkeiten, die zu einer neuen Verwaltungskultur beitragen, bei Querschnittsfeldern Klammerwirkungen erzeugen und die Veränderungsresistenz der Verwaltung überwinden helfen sollen. Ein Systemwechsel sei geplant, grundsätzlich seien neue Wege erforderlich. Die Schaffung eines einheitlichen Zuständigkeitskatalogs scheint zudem dafür angetan, dass sich künftig jeder mit dem beschäftigt, was er selbst kompetent auch umsetzen kann.

Die Darstellung der Ziele und Methoden einschließlich der Benennung von Klageverbesserungsrechten, Bezirksamtsschutzbehörden, alles unter Berücksichtigung der Veränderungsresistenz der Verwaltung durch Schaffung betrieblicher Anreicherungen, werden als Bausteine für eine Neuausrichtung der gesamten Verwaltung angesehen.

Kann die Vorstellungswelt der Verantwortlichen damit aber bereits erschöpft sein? Geplant werden strukturelle Reformen offensichtlich nur für die Jetzt-Zeit, wobei naheliegenderweise übersehen wird, dass vor der Reform bereits die nächste Reform mit zu bedenken sein dürfte. Die stete und oft auch hektische Entwicklung im digitalen Bereich, die auch Auswirkungen auf uns Menschen und unser Verhalten hat, zwingt uns doch im Interesse unserer Kinder und Kindeskinder dazu, das „Kommende“ bereits mitzudenken sowie den Versuch zu unternehmen, das Mögliche strukturell aufnahmebereit zu implementieren. In dieser Erwartung sollte eine Struktur- und Verwaltungsreform, wie bei einem PPP-Modell, hier Private Public Partnership, bereits prozessual diejenigen Mechanismen mit implementieren, die geeignet sein könnten, gesellschaftliche sowie technisch künftige digitale Veränderungen sofort in einen kontinuierlichen Prozess der „liquiden Verwaltung“ einfließen zu lassen.

Alle Prozesse der Verwaltung müssten zeitgegenwärtig und reaktionsschnell auf Veränderungen angebotsgerecht flexibel reagieren können. Es liegt auf der Hand, dass zum Beispiel bezogen auf Berlin, die Überhitzung der Stadt, Wasserknappheit, Bebauungsdichte, überhaupt alle Phänomene so mit bedacht werden sollten, dass schnelles Handeln künftig gewährleistet ist.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Geister treiben

Dem Gedichtband „Geister treiben“ der Lyrikerin Rosmarie Bronikowski entnehme ich zum Stichwort

Klimakonferenz

Festliche Untergangsstimmung 

Gletscher veranstalten Wettfahrt

Eisschollen werden prämiert

für die flüssigste Ausdrucksweise

Wohnhäuser stehn als Kulissen

Unwetter verformen den Boden

der Fisch schwimmt im eigenen Öl

Hat noch jemand eine Frage?

Applaus aus der Zuhörerschaft

Langstielig verbeugt sich die Rose.

Alle sind festlich vereint zum Untergang.

Zu guter Letzt verbeugt sich die Rose. Nur eine würdige Geste oder ein Hinweis darauf, dass im Untergang andere die Regie übernommen haben, der Mensch nicht mehr gefragt ist? Und wenn ja, lässt der Applaus darauf schließen, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommt, die Natur das Ruder herumreißt?

Die Erzählung „Erwin, die Seerobbe“, die Hans vom Glück verfasst hat, lässt dies vermuten. Für seinen Einsatz und die Hilfe zuversichtlicher Wesen dieses Planeten erhält Erwin den Nobelpreis für Klima- und Umweltschutz und äußert sich dabei in seiner Dankesrede wie folgt:

„Die Sprache ist der Schlüssel zum Leben. Sie erlaubt die Kommunikation zwischen dem Menschen, aber auch zwischen Menschen und anderen Lebewesen, wenn diese sich auf eine gemeinsame Sprache einlassen. Verdienstvollerweise versucht seit langem schon auch der Mensch unsere Sprache zu verstehen, aber auch wir – die Tiere – sind nicht untätig geblieben und haben den Durchbruch geschafft. Wir sprechen eure Sprache. Dass ihr uns das zutraut, wissen wir schon aus vielen Kinder- und Jugendbüchern, aber, dass wir nun tatsächlich mit euch reden können, sollte uns ermutigen, dieses Wissen aufzunehmen, Schulen einzurichten, in denen unser gemeinsames Anliegen gelehrt und verbreitet wird, um daraus bessere Handlungsmöglichkeiten für ein künftig ausgeglichenes Zusammenleben aller Bewohner unseres Lebensraums zu schaffen. Sicher verkenne ich nicht, dass der eine oder andere Angst davor haben mag, dass wir Tiere nun die Erde übernehmen, weil wir eure Sprache nutzen können. Das halte ich für unwahrscheinlich. Wie auch die Menschen früherer Zeiten, zum Beispiel Inuits oder Maori wollen wir leben, wo und wie wir sind. Wir sind nicht fortschrittsgläubig im menschlichen Sinne, nicht darauf aus, uns die Erde zu unterwerfen, sondern ihr üppiges Angebot in Konkurrenz und friedlichen Miteinander mit allen Lebewesen zu nutzen. Folglich liegt uns die Erhaltung der Welt am Herzen. Lassen Sie uns im Interesse aller Körperlichen und Unkörperlichen, Lebewesen und Nichtlebewesen auf dem Planeten und im ganzen unendlichen Universum diese Aufgabe gemeinsam angehen.“

Daraufhin gab es zunächst nur zögerlichen Applaus, aber dann standen alle auf und feierten gemeinsam den Beginn dieser erwartungsvollen Zusammenarbeit.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Punktgenau

Zuweilen wirken politische Entscheidungen, zumindest in Deutschland, wie aus der Zeit gefal­len. Beispielsweise soll hier das Namens- und Geschlechtergesetz erwähnt werden. Während in der Ukraine und im Nahen Osten sich die Kriegsgeschehen massiv weiten und auch die Me­dien über unsere fehlende Verteidigungsfähigkeit spekulieren, die Wirtschaft schwächelt und die Politik zu Sparzwängen angehalten ist, wird erstaunlicherweise die politische Diskussion fast trotzig von den politischen Einschätzungen zum Straßenverkehr, den Blütenstreifen auf Ackerflächen und vom Familiengeld geprägt.

Fraglos sind dies alles Themen, die einer politi­schen Bewertung zugänglich sind, ggf. im Bundestag verhandelt werden müssen, aber mit wel­cher Priorität sollte dies geschehen und zu welcher Zeit?

All dies ist offenbar in einer Agenda aufgeführt, die vor langer Zeit festgelegt wurde. Deren Inhalt ist aber rückbezüglich, stammt aus ehemaligen Parteiprogrammen, leitet sich ab von der DNA heutiger Amtsträger, wurde festgezurrt im Koalitionsvertrag und schließlich den einzelnen Ministerien bzw. deren Amts­trägerschaft zugeteilt. Die Ressortverteilung bestimmt jenseits der politischen Binnen- und Weltlage zudem den politischen Verhandlungsgegenstand. Da die Zuteilung einzelner Ressorts nach Präferenzen der Parteien erfolgt ist, liegt es in der Selbstermächtigung des jeweiligen Amtsinhabers, seine Agenda während seiner Amtszeit nach Gusto umzusetzen. Und, so soll es nach Ansicht der jeweiligen Amtsinhaber auch geschehen, dafür werden sie mit den finanziel­len Mitteln ausgestattet und können sich dabei selbstbewusst auf schriftlich festgelegte Abspra­chen berufen.

Nun aber erfährt unsere Gesellschaft das Weltgeschehen, also all unsere Zustände insgemein, eine ständige und sehr rasche Veränderung. Damit erscheint die genannte politische Agenda sehr oft wie aus der Zeit gefallen, unfähig, situativ auf zeitgegenwärtige Probleme an­gemessen zu reagieren und stattdessen das Drehbuch für Debatten zu liefern, die selbstverständ­lich auch behandelt werden sollten, aber nicht unbedingt jetzt. Wann ist es aber die richtige und wann die falsche Zeit dafür?

Eine Demokratie zeichnet sich nicht nur durch die Vielfältigkeit des politischen Verhandlungsgegenstandes, sondern auch dadurch aus, dass sie zäh dem Zeit­geist trotzt. Dennoch sollte sie in der Lage sein, flexibel mit ggf. notwendigen oder erforderli­chen Verschiebungen im Fokus einer Legislaturperiode dazu in der Lage sein, Prioritäten kon­zentriert zu verabreden und die öffentliche politische Debatte nicht mit Themen zu strapazieren, die als zeitgemäß empfunden werden. Trotz aller Verabredungen und Vorbefasstheiten hin­sichtlich der politischen Agenda, sollten deren Handlungsbevollmächtigten ihr Handeln punkt­genau auf aktuelle Anforderungen ausrichten können.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Arbeit

Viertagewoche. Homeoffice. Teilzeit bei vollem Lohnausgleich. Work-Life-Balance. Burnout. Selbstverwirklichung. Ausbeutung. Vollbeschäftigung. Langzeitarbeitslosigkeit. Die Liste der Themen, die arbeitsorientiert diskutiert werden, ist lang.

Augenblicklich ist die Vier-Tage-Woche im Fokus der Aufmerksamkeit. Das bedeutet konzentrierte Arbeit an vier Tagen in der Woche, drei weitere Tage Selbstverwirklichung. Das genüge und würde Menschen mehr Zeit dafür lassen, ihre Anliegen, seien dies Familie, Yoga, Sport, Treffen mit Freunden oder andere Hobbies zu verwirklichen. Das kann alles so sein und klingt plausibel und doch löst es bei mir ein Störgefühl aus. Zwar möchte ich keinem Menschen seinen Weg zur persönlichen „Glückseligkeit“ streitig machen, frage mich allerdings, auf wessen Kosten dies geschieht?

Trotz aller Umweltbelastungen, familiärer Probleme, Arbeit und auch persönliche Herausforderungen, wir Menschen werden älter, verbrauchen mehr Ressourcen statt weniger, kurzum unsere Bedürfnisse wachsen enorm. Unsere auf längerfristigen Konsum angelegte Gesellschaft kann nach meinem Verständnis nur durch Arbeit im Gleichgewicht gehalten werden. Es ist schwer, mir eine Gesellschaft vorzustellen, in der sich bei immer weniger Arbeit ein stets mehrendes Wachstum einstellt.

Wer schafft denn dann die Rente, die finanzielle Kompensation für Krankheiten, Pflege und sonstigen Bedürfnisse einer arbeitsteiligen Gesellschaft? Wer schafft dann auch den Ausgleich für diejenigen, die sich nicht mehr helfen können?

Sicher sind einige Glücksritter wendig in der Lage, auf Kosten anderer zu leben, ohne dass dies zu verhindern wäre. Aber wollen wir dies als eine Form des Systems? Glauben wir, dass diejenigen, die auf Kosten anderer leben, glücklicher sind? Haben sie das Leben begriffen?

Ich glaube nicht. Ich bin davon überzeugt, dass wir da sind, um tätig zu sein, und zwar für andere und damit auch für uns selbst. Um prozessual davon zu profitieren, Leistungen entgegenzunehmen und ggf. auch im Alter auf eine verlässliche Lebensversorgung zurückgreifen zu können, geht das nicht ohne die lebzeitige Pflicht zu arbeiten. Diese Pflicht schafft Ordnung, ermöglicht vielfältige Begegnungen, bildet aus und befriedigt sogar, wenn nicht alle, so doch die meisten Menschen. Die Arbeit wird schlechtgeredet. Der Satz aber: „Ich habe meine Pflicht getan“, verschafft nicht nur eine persönliche Befriedigung, sondern auch ein verlässliches Gewissen, persönlich, in der Familie, Freundschaften und im gesellschaftlichen Kontext.

Wer bereit ist, für andere und sich selbst zu sorgen, kann fröhlich erklären: Mir wohl und keinem übel.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erschöpfung

Es ist gerade viel los in der Menschenwelt. Putins Überfall auf die Ukraine, die Bedrohung Taiwans durch China, der Überfall der Hamas auf die Israelis, die Zerstörung des Gazastreifens durch die israelische Armee, vielfältige Menschenrechtsverletzungen im Zuge dieser Auseinandersetzungen und Kriege, aber auch Menschenrechtsverletzungen im Iran, Weißrussland, Nordvietnam und Myanmar.

Hinzukommt die Erderwärmung, das Abholzen des Regenwaldes, das Artensterben und viele sonstige Rechtsverletzungen mehr, ob in Aserbaidschan, Afghanistan, etlichen Staaten Afrikas, Asiens und des mittleren Ostens, um nur einige Staaten und Regionen zu benennen.

Was ist also los in dieser Welt?

Zudem stehen uns die Präsidentschaftswahlen in den USA bevor, Trump, Biden oder dieser Verschwörungsanhänger Robert Kennedy? Alles keine hoffnungsvollen Optionen angesichts der Verantwortung einer Weltmacht, die offenbar nicht mehr in der Lage ist, weltweit demokratische Maßstäbe zu setzen und auch nicht mehr als Ordnungsmacht gelten will. Überall ist Streit Programm. Es bestehen sogar in einem Großteil unserer deutschen Bevölkerung aufkeimende Gelüste, der AfD künftig Macht und Einfluss zu sichern. Wir schließen damit auf andere auf, auch auf europäische Staaten.

All dies bietet keinen wirklich schönen Ausblick auf die Welt, alle wirtschaftlichen Verwerfungen und Optionen, lieber Rüstung, anstatt Saatgut, Tod statt Leben, Verführung statt Bildung. Dieser an sich objektive schreckliche Zustand führt aber merkwürdigerweise noch zu keinem Aufruhr, keinem Bürgerkrieg, sondern wir scheinen erst einmal abwarten zu wollen, wie sich alles entwickelt. Zu vernehmen ist ein trotziges oder auch hilfloses „weiter so“ und wir erfahren, dass unsere Hilflosigkeit selbst angesichts des weltweiten Schreckensszenarios wie ein Beruhigungsmittel wirkt, und zwar eines der scheinbaren Gelassenheit. Möglicherweise ist das so zu verstehen, dass die auf uns einflutenden Bilder von Zerstörung, Hass und Gewalt, Stillstand, Unfähigkeit zu handeln, Betrug und Boshaftigkeit einerseits erschöpfend wirken, andererseits uns aber auch eine Gelegenheit bieten, Hilflosigkeit und Erschöpfung als eine Form der Resilienz zu begreifen. Wir finden uns so in der Unübersichtlichkeit zurecht, ohne daran zugrunde zu gehen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Mehrwert

Profit und Gewinne zu machen, scheint eine wichtige Maxime unseres Lebens zu sein. Was den Mehrwert nicht erfüllt, scheint nicht geeignet zu sein, unser Engagement wesentlich zu fördern. Menschheitsgeschichte sei Fortschrittsgeschichte und ohne die Schaffung eines Mehrwerts, der durch Profit gemessen wird, glauben wir, die Menschheitsgeschichte nicht fortschreiben zu können. Könnten wir aber das bisherige Denken verlassen, die Grundlagen unserer Betrachtungen neu bewerten und zu einer Änderung unserer Verhaltensweisen gelangen? Zunächst stellt sich dazu die Frage, warum sollten wir dies tun, wenn unsere bisherige Verhaltensweise uns ausreichend erfolgreich erscheint? Vielleicht deshalb, weil wir auch wahrnehmen, dass das Schaffen von Profit zum Selbstzweck ressourcenverschwendend ist und den Klima- und Naturschutz schwer belastet.

Eine eingehende Betrachtung der Grundlage unseres Lebens könnte uns also zum Nachdenken und zum Verändern unserer Verhaltensweise bringen. Wir wollen in der Regel kein nutzloses Leben führen, sondern suchen Erfüllung unserer persönlichen und beruflichen Ziele. Wir streben so die Absicherung unseres Lebens an. Dabei erforschen wir verschiedene Phasen unseres Menschseins von der Kindheit, über die Jugend bis zum Alter, bestimmt vom Wunsch nach Lebenssicherung unter Einsatz unserer individuellen Fähigkeiten. Im Vordergrund steht dabei ein sinnerfülltes und nutzbringendes Leben, das auch anders als durch Gewinn und Profit bestimmt werden kann.

Einen wirtschaftlichen Gewinn aus unseren Vorhaben zu ziehen, ist soweit nicht schädlich, als unser Gewinn dem Vorhaben selbst zugutekommt und nicht der Entwicklung von Macht und Gier dient. Da Letzteres selbst dann, wenn es nicht zu kriegerischen Auseinandersetzungen führt, oft Triebfeder des Handelns ist, stellt sich die Frage, ob sich nicht auch Alternativen so begründen lassen, dass der Mensch sich mit seiner Existenzsicherung begnügt und seine weiteren Kräfte dafür einsetzt, dass der Erfolg seines Handelns nicht nur ihm selbst, sondern vor allem der Sache und anderen Menschen zugutekommt.

Dafür müsste allerdings das bisherige System in den Bereichen Erbrecht, Vermögensmehrung und Machterhalt um jeden Preis auf den Prüfstand gestellt werden. Neue Organisationsformen wären zu erproben, die zwar Existenzsicherung erlauben, aber gleichwohl keine Verfestigung von Eigentums- und Vermögensstrukturen vorgeben und den Menschen von der Hybris entlasten, lebenslang ein hohes steuerbegünstigtes Eigenvermögen zu mehren. Mit Stiftungen, stiftungsähnlichen Gebilden, wie Verantwortungseigentum und Generationenbanken bzw. -sparkassen sind bereits Entwicklungen aufgezeigt worden, die hier erfolgversprechend sein könnten.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Kräftemessen

Armdrücken, Fingerhakeln oder auch Autorennen in der Innenstadt. Die Beispiele umfassen sämtliche Bereiche unseres Lebens. Meist bestimmt der Wettbewerb unser Tun. Der Mitwettbewerber ist unser Konkurrent, ermöglicht uns aber die eigene Leistung, weil er das Kräftemessen zulässt, ja dieses um seinetwillen will, aber auch, um unseretwillen. Denn würden wir den Wettbewerb verweigern, keine Lust haben mitzumachen, würde sein Handeln durch unsere Verweigerung sinnlos werden. Wir Menschen schöpfen nicht nur aus der Anerkennung, sondern aus dem Wettbewerb Kraft, Machtzuwachs, Neuerungen und Selbstverwirklichungen. Wir messen uns mit anderen Menschen, um dadurch zu erfahren, welchen Stellenwert wir selbst im Leben haben.

Gäbe es keine Konkurrenz, keinen Wettbewerb und könnten wir uns nicht mit anderen Menschen messen, führe die allgemeine Zurückhaltung zum Verlust jeglicher Kreativität. Dies würde den Fortschritt verhindern, aber auch paradoxerweise viel Leid ersparen. Im internationalen Wettbewerb findet das Kräftemessen auf militärischem Gebiet, der Diplomatie, aber auch der Wirtschaft statt. Ließe sich der Prozess des Kräftemessens thematisch auf ein Gebiet wie den Umweltschutz und der Erhaltung des Planeten fixieren, könnte der Wettbewerb auch maßgebliche positive Entwicklungen hervorrufen.

Da Kräftemessen aber auch stets eine Machtausübungsoption beinhaltet, ist naheliegend, dass jeder Wettbewerb, selbst auf einem erwünschten Gebiet, unfriedlich ausgehen könnte. Deshalb wird es immer erforderlich sein, den Wettbewerb durch Regeln und Gesetze so einzuhegen, dass das Kräftemessen stets nur in einem kontrollierten bzw. kontrollierbaren Raum stattfindet. Verträge können dabei hilfreich sein, aber im Konfliktverhalten kommt es vor allem auf den Willen der Schiedsrichter an, für eine Ausgewogenheit des Kräftemessens zu sorgen.

Dies vermögen sie nur dann, wenn sie über Gestaltungsmacht verfügen und von den Wettbewerbern anerkannt werden. Soweit Menschen bzw. die von ihnen eingesetzten Einrichtungen berufen sein sollten, das Kräftemessen der Wettbewerber zu beurteilen, sollten auch deren Eigeninteresse und Manipulierbarkeit bedacht werden. Es ist wahrscheinlich, dass eines Tages der Wettbewerb einen digitalen, aber nicht rechtlichen Ordnungsrahmen erhält. Vielleicht ist dies dann sein Ende.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Erwartungshaltung

Do ut des: Gib, dann wird dir gegeben. Erwartungshaltung? Ich gebe und erwarte dann, dass mir gegeben wird. Und wenn dies nicht geschieht? Wie verhalte ich mich dann? Wie verhält es sich überhaupt mit Vorleistungen? Führen sie erwartbar zur erwünschten Kompensation des eigenen Einsatzes? Erwartungshaltungen gründen sich auf Ausgleichserfahrungen, und zwar, dass Unwuchten zumindest auf Dauer keinen Bestand haben.

Wenn aber diese Erfahrungen durch Prognosen widerlegt werden? Ein trauriges Beispiel der Gegenwart: Wir könnten die Erwartung haben, dass Russland, wenn die Ukraine diesem Land die Krim oder sogar den Donbass auf Dauer abtritt, in einen Friedensschluss einwilligt, also den Krieg beendet. Dies könnte unsere Erwartungshaltung sein, ist sie aber begründet? Stimmt es denn tatsächlich, dass, wenn ich gebe, mir gegeben wird? Diese Hoffnung ist zwar prinzipiell berechtigt und insofern dieser Wunsch nachvollziehbar, aber die von Menschen gestaltete Wirklichkeit bestätigt die Erfüllung dieses Wunsches nicht.

Bei kriegerischen Auseinandersetzungen über Gebiete und Menschen verhält es sich wie in der Wirtschaft, zwischen Staaten oder überhaupt im menschlichen Zusammenleben an sich. Einem Ausgleich wird nur dann zugestimmt, wenn der anderen Partei nichts mehr anderes übrigbleibt oder der Ausgleich weniger als die Gegenleistung erfordert.

Nur Macht, Vorteilsgewährung und weitere prägende Umstände, wie Katastrophen, Hungersnöte und unvermeidbare rechtliche Einhegungen von Sachverhalten können zumindest auf Zeit dafür sorgen, dass Ausgleichsleistungen erwartbar werden. Wer in der Hoffnung gibt, dafür kompensiert zu werden, wird enttäuscht. Wer ohne Erwartungshaltung gibt, weil er das Geben als gerecht empfindet, zeigt unerwartet Haltung, schafft Nachdenklichkeit und könnte sogar belohnt werden.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski

Arbeitsmühen

Früher gab es die allgemein geläufige Gewissheit: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!“ Auch waren fast alle Menschen davon überzeugt: „Machste was, biste was, machste nix, biste nix.“ Alle diese so eindeutig sprachlich fixierten Überzeugungen sind über die Zeit hinweg allmählich erodiert. Früher einmal gehörte man dazu, wohnte möglichst im gleichen Kiez, genoss die oft jahrzehntelange Anerkennung seines Meisters und die der Kollegen. Ob in Betrieben oder der Verwaltung, die Anmutung war sehr einheitlich. Man arbeitete gemeinsam und feierte gemeinsam. Es ging dabei auch um den Stolz auf die eigene Leistung und die Verpflichtung gegenüber der Familie, dem Unternehmen, den Kollegen, aber auch gegenüber der Allgemeinheit.

Schon früh wurden die Weichen für das Arbeitsleben gestellt. Leistungsbewusstsein, Pflicht und Vorbilder schufen die Motivation für das zweckgerichtete Lernen und die berufliche Verantwortung. All dies war eingebettet in einen familiären und gesamtgesellschaftlichen Konsens, der dank seiner sozialen Kontrolle nicht in Frage gestellt wurde. Die Regeln gaben vor, wie man was tut. Bildungsferne, abgehängt sein und ähnliche Zuweisungen waren weitgehendst unbekannt, wobei nicht verschwiegen werden darf, dass das durch Rituale bestimmte Leben keine Abweichungen zuließ, intolerant auf jede Störung reagierte. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass diese Gewissheit, die früher den Zusammenhang garantierte, zwischenzeitlich beseitigt wurde: Die anstelle der Gemeinsamkeit nun weit verbreitete „Ich-Betrachtung“, das selbst bestimmte Arbeiten statt der Zuweisungen, die Work-Life-Balance statt der Arbeitspflicht, die Umschulung und Weiterbildung statt der Beständigkeit des Arbeitslebens.

Ist das, was sich inzwischen herausgebildet hat, aber richtig und gut und woher kommt diese allgemein feststellbare Haltungsänderung? Ich denke, mit den Eltern fängt es an. Die Veränderungen, die sie selbst Zeit ihres Lebens in den Betrieben und in dem privaten Umfeld erfahren haben, trägt erheblich zu der Verunsicherung, die sie weitergeben, bei. Sie mussten erfahren, dass die primäre Zuständigkeit für die Bildung ihrer Kinder ihnen staatlicherseits entzogen und ihnen verdeutlicht wurde, dass Chancengerechtigkeit dadurch am besten verwirklicht werden könne, dass sie ihre Kinder Kindergärten und Schulen anvertrauen, anstatt sie selbst auf das Leben vorzubereiten. Was Sie dabei nicht wissen konnten, ist, dass sie sich selbst dadurch einer Verpflichtung gegenüber ihren Kindern entzogen haben, die darin besteht, dass sie eigentlich primär für die Bildung ihrer Kinder zuständig sind, insbesondere in den Bereichen Sprache und Kommunikation, beginnend schon pränatal und sich fortsetzend unmittelbar nach der Geburt.

Aus Unwissenheit sprechen und singen sie nicht mehr oft mit ihren Kindern und erzählen ihnen keine Alltagsgeschichten, obwohl dies für die sprachliche und geistige Entwicklung ihrer Kinder förderlich wäre. Dieses Versäumnis erscheint mir ausschlaggebend für die auch ins berufliche durchschlagende Unruhe bei der Aufnahme und Umsetzung einer konsequenten zweck- und zielgerichteten Tätigkeit. Will man künftigen Generationen wieder gefestigte berufliche Lebensperspektiven eröffnen, ist es unumgänglich bei der Aufklärung und Schulung der Eltern anzusetzen, aber auch dafür zu sorgen, dass Leistungsbewusstsein, Pflicht und Vorbild nicht nur die Begleiter lebenslangen Lernens, sondern auch des Handelns sind. Wer nichts tut, kann auch nicht erwarten, dass andere diese Verweigerung wettmachen.

Zuwendung und Hilfe bei größter Geduld sind ein persönliches und gesellschaftliches Gebot, welches allerdings auch damit korreliert, dass derjenige, der keine Verantwortung für sein Handeln übernimmt, auch nicht bereit ist zu leisten, nicht erwarten kann, dass die Gesellschaft dies hinnimmt. Ohne Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft werden auch künftige Gesellschaften nicht bestehen können. Es ist sogar zu befürchten, dass dies einen Vorwand dafür liefern könnte, Arbeitsmühen zu verunglimpfen, egozentrische Verhaltensweisen, die auf Schaffung von Vorteilen zu Lasten der Allgemeinheit basieren, zu belohnen und dazu beizutragen, dass ein auch im Interesse der Schwächeren geknüpftes soziales Netz zerreißt. Aus diesen Überlegungen mag man ableiten, dass es bei Beschäftigungsverhältnissen stets um mehr als nur erwerbsorientiertes, ich-zentriertes Handeln, sondern auch um unsere Gemeinschaft geht.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski